Fr 09.03.2007
Ty Moore lebt in Minneapolis. Gemeinsam mit anderen gelang es ihm, aus Protest gegen die Politik von US-Präsident George Bush im Irak zwei Schülerstreiks in den Nachbarstädten Minneapolis und St. Paul zu organisieren; an den beiden Kundgebungen nahmen einmal 600, einmal 2.000 DemonstrantInnen teil.
Bush will jetzt weitere 21.500 Truppen in den Irak schicken. Gibt es Widerstand dagegen?
Den Meisten ist klar, dass Bush gelogen hat, um diesen furchtbaren Krieg anzufangen. Widerstand dagegen gibt es schon lange. Vor Kriegsbeginn, am 15. Februar 2003, gingen über eine Million Menschen in den USA auf die Straße. Nach Kriegsbeginn ging die Bewegung erstmal drastisch zurück. In den vier Jahren danach hat es aber mehrere Proteste gegeben mit Hunderttausenden TeilnehmerInnen. Die Zwischenwahlen im November wurden als Volksabstimmung gegen den Krieg gewertet. Dass Bush so eine Wahlschlappe einstecken musste – vor allem im Vergleich zu den Wahlen 2004 – zeigt, inwieweit sich die Stimmung gewandelt hat.
Als Bush direkt danach noch die Truppenaufstockung bekannt gab, wuchs die Wut gegen Bush und den Krieg massiv. Am 10. Januar, dem Tag nach der Bekanntgabe der Truppenaufstockung, fanden über tausend Proteste in verschiedenen Teilen des Landes statt. Am 27. Januar protestierten über 200.000 in der Hauptstadt, in Washington DC. Weitere Zehntausende demonstrierten am gleichen Tag in anderen Städten.
Vor etwas mehr als dreißig Jahren mussten sich die US-Truppen aus Vietnam zurückziehen. Damals hatte die Antikriegsbewegung in den USA und der Widerstand von US-Soldaten gegen die Kriegspolitik wesentlichen Anteil daran. Sind heute ähnliche Entwicklungen denkbar?
Der Vietnam-Krieg dauerte mehr als 15 Jahre. Seinerzeit tat sich erst nach einigen Jahren Krieg wirklich etwas. Das begann mit den Studierendenprotesten. Doch die Ablehnung gegen den Krieg dehnte sich später noch auf weite Teile der Lohnabhängigen aus.
Schließlich kam es zu einer enormen Opposition unter den Soldaten, zum Beispiel zu massenhafter Kriegsdienstverweigerung oder zur Auflehnung gegen Vorgesetzte. Ab einem bestimmten Punkt wurde es für Washington unmöglich, den Krieg weiterzuführen.
Zwar haben sich die Proteste gegen den Irak-Krieg viel schneller entwickelt, allerdings gehen sie noch längst nicht so weit wie damals.
Immer mehr Soldaten kommen in diesen Wochen nach Hause mit höllischen Erlebnissen und brennender Wut. Sie fühlen sich betrogen und verraten. Vom Staat bekommen sie wenig. In den Krankenhäusern fehlt es an Personal, um sich der Kriegsinvaliden anzunehmen. Zehn-tausende kommen zurück mit körperlichen und psychischen Problemen. Die Familien von Soldaten organisieren sich bereits gegen den Krieg, und immer öfter erleben wir, dass Kriegsveteranen Antikriegsproteste anführen.
Ein wichtiger Unterschied zum Vietnam-Krieg besteht darin, dass es sich damals um eine Wehrpflichtigen-Armee handelte; auf Grund der damaligen Ereignisse wurden dann eine Berufsarmee eingeführt. Sollte sich die Politik des US-Imperialismus im Nahen Osten jedoch weiter fortsetzen, ist auch eine Rebellion innerhalb des Militärs durchaus möglich. Auch wenn es heute keine Zwangsverpflichtung gibt, so gibt es heute so etwas wie einen „Zwang“ für Arme und Erwerbslose. Militärrekrutierer gehen gezielt in die Arbeiterstadtteile und sprechen Jugendliche, Schwarze und Latinos an. Sie versprechen Geld für das Studium und eine Ausbildung. Socialist Alternative spielt in den USA eine führende Rolle dabei, SchülerInnen zu organisieren, die sich gegen diese Rekrutierungsversuche an ihren Schulen zur Wehr setzen wollen.
Gibt es auch in den Betrieben und Gewerkschaften Opposition gegen die Kriegspolitik?
Laut Umfragen sind 63 Prozent der US-AmerikanerInnen dafür, alle Truppen bis Ende nächsten Jahres aus dem Irak abzuziehen. 56 Prozent sind der Meinung, dass der Krieg ein Fehler war. Die Zahlen sind durchaus mit dem Höhepunkt der Bewegung gegen den Vietnam-Krieg vergleichbar. Der große Gewerkschaftsdachverband AFL-CIO hat 2005 eine Resolution verabschiedet, die den Abzug der Truppen aus dem Irak forderte.
Doch es tut sich nicht nur gegen den Krieg etwas. Die Anzahl der Streiks hat in den letzten Jahren zugenommen. Und die Wut gegen die steigenden Krankenkassenbeiträge, Renten- und Lohnkürzungen und Betriebsschließungen wächst. Die Wut gegen Gewerkschaftsführungen, die nichts dagegen tun, steigt auch. So hat sich eine neue kämpferische Opposition innerhalb der Gewerkschaft der Autoarbeiter (United Auto Workers – UAW) gegründet, die sich Soldiers of Solidarity nennt.
Einer der größten Proteste in der US-Geschichte ereignete sich im Frühjahr letzten Jahres, als Millionen von „illegalen“ EinwandererInnen auf die Straße gingen, um gegen Billiglöhne und Abschiebungen ihren Unmut zu äußern. Auf diesen Protesten gab es auch starkes Interesse an sozialistischen Ideen.
Wie sieht die Arbeit von Socialist Alternative aus?
Wir spielen in einigen Städten eine führende Rolle in der Antikriegsbewegung. Im Augenblick mobilisieren wir für die großen Proteste am 18. März – dem vierten Jahrestag der US-Invasion in den Irak. Wir sind optimistisch, dass diese Aktivitäten eine neue, größere Protestwelle einläuten können.
Natürlich sehen wir unsere zentrale Rolle in der politischen Stärkung der Bewegung. Die größte Gefahr besteht darin, dass mit der neuen Mehrheit der Demokraten im Kongress und dem schon begonnenen Wahlkampf für 2008 die Antikriegsbewegung von den Demokraten übernommen werden könnte. Die schlimme Erfahrung von 2004 könnte sich wiederholen; damals hatte die Führung der Antikriegsbewegung dabei geholfen, Unterstützung für John Kerry zu organisieren, der selber den Krieg mitgetragen hatte. Die Demokraten, die im übrigen fast die gleichen Beträge von Großkonzernen – einschließlich der Öl- und Rüstungslobby – erhalten wie die Republikaner, haben jeden bisherigen Kriegshaushalt von Bush zugestimmt. Auch jetzt wollen sie weiteren Milliarden zustimmen. Sie haben schon immer die Interessen des US-Imperialismus verteidigt, gerade auch im Nahen Osten. Dies wird klar, wenn man zum Beispiel die Sanktionen gegen den Irak unter US-Präsident Clinton nimmt, welche über eine Million Menschen das Leben kosteten.
Wir bauen die Bewegung in den Stadtteilen auf, doch gleichzeitig argumentieren wir dafür, dass die Bewegung unabhängig sein sollte von den Demokraten und stattdessen eigene KandidatInnen aufstellen sollte, mit einem Programm gegen Krieg und gegen Lohn- und Sozialraub. Ziel sollte es sein, die Antikriegsbewegung mit der Arbeiterbewegung zusammenzubringen – gegen das Kapital und gegen dieses grauenvolle System. Es ist jetzt zehn Jahre her, seit ich mich entschlossen habe, politisch aktiv zu werden. Nie zuvor seit Mitte der neunziger Jahre war die Offenheit für sozialistische Ideen so groß wie heute. Ich bin deshalb optimistisch, dass die Socialist Alternative in der nächsten Zeit deutlich wachsen und an Einfluss gewinnen kann.
Das Gespräch mit Ty Moore führte Katie Quarles.