Di 01.02.2005
Ob EU-Beitritt der Türkei oder Kopftuchverbot in Frankreich: angeblich unversöhnliche kulturelle Gegensätze sind ein Dauerthema aktueller politischer Debatten. Oft sind diese Argumentationen offen rassistisch motiviert. Anschläge von religiösen Fanatikern geben ihnen aber erst das notwendige Unterfutter. “SozialistInnen verurteilen die reaktionären Ziele und Methoden politischer IslamistInnen”, meint Niall Mullholland vom Komitee für eine ArbeiterInneninternationale. Ihre Terrorakte sind es, die als Argument für den Kampf der Kulturen dienen und so die Lebenssituation von Millionen Moslems weiter verschlechtern.
In Europa werden Moscheen angezündet!
Tatsächlich zählen MigrantInnen und andere Minderheiten zu den ersten Opfern fundamentalistischer Anschläge. Sie haben mit oft brutalen Racheakten zu kämpfen. So wurde nach dem Mord am holländischen Filmemacher Theo van Gogh - abgesehen von unzähligen Anschlägen auf Moscheen - auch vor einer islamischen Volksschule in Eindhoven ein Sprengsatz gezündet. Aber nicht nur rechtsextreme Terroristen, auch Regierungen und rechte Parteien erhalten durch solche Gewaltakte Rückenwind. Polizeikontrollen, Verschärfungen bei Einreisebestimmungen, Einschränkungen religiöser Freiheiten: All das wird diskutiert und umgesetzt. Unter dem Deckmantel der Integration werden verpflichtende Sprachkurse und andere Schikanen gesetzlich verankert.
Gezielte Spaltung der ArbeiterInnenklasse
Neben dem Abbau demokratischer Rechte wird die durch individuelle Terrorakte bewirkte allgemeine Verunsicherung gezielt zur Spaltung der ArbeiterInnenklasse genutzt. In den Monaten vor dem Mord an van Gogh war es in Holland zu zahlreichen Arbeitskämpfen gekommen. Unter anderem wurde der Hafen von Rotterdam, der größte Hafen der Welt, bestreikt. Nach dem Mord mahnte die Regierung die nationale Einheit ein - angesichts der Offenheit der Gewerkschaftsführung für solche Parolen ein wirksames Mittel gegen den drohenden heißen Herbst.
Religion der Armut
Der Islam ist speziell in Europa zur “Religion der Armut” geworden. Ob MarokkanerInnen in den Vorstädten Frankreichs oder TürkInnen und JugoslawInnen in Deutschland und Österreich: Die Gesellschaft, die ihnen als Ziel ihrer “Integrationsbemühungen” präsentiert wird, begegnet der moslemischen Bevölkerung in der Regel mit prekären Arbeitsbedingungen, niedrigsten Löhnen und miserablen Wohnverhältnissen. Mit unzähligen Gesetzen und Verordnungen wird Diskriminierung fest geschrieben. Medien führen breite Kampagnen gegen MigrantInnen, die Kirche verteidigt ihre Privilegien als alleinige Staatsreligion und nicht nur die extreme Rechte verlangt die bedingungslose Anpassung und Unterordnung von ZuwanderInnen. Das ist der wahre “Kampf der Kulturen”. Dass politische IslamistInnen von Kabul bis Paris junge Moslems für ihre Zwecke instrumentalisieren können, ist nicht zuletzt dem Fehlen einer glaubwürdigen Alternative zuzuschreiben. “Aber”, so Niall Mullholland, “der politische Islam ist eine Sackgasse für die moslemische Jugend, die sich ihm aus Verzweiflung zuwendet.”
Situation in Österreich
Wenn es in Österreich Zwischenfälle mit religiösen Fanatikern gibt, dann meist mit AbtreibungsgegnerInnen und der katholischen Kirche. Das darf nicht darüber hinweg täuschen, dass soziale Polarisierung und rassistische Politik auch hier zum politischen Tagesgeschehen gehören. Die FPÖ wird aus ihrer Schwäche heraus verstärkt rassistische und anti-islamische Ressentiments schüren - allen voran HC Strache im kommenden Wiener Wahlkampf. Sie profitiert dabei von der Islamdebatte ebenso wie von der Haltung anderer politischer Kräfte. Mit ihrer Türkei-Politik trägt z. B. die SPÖ zur Spaltung bei, anstatt anzuerkennen, dass ausländische KollegInnen längst zu einem wichtigen Teil der ArbeiterInnenklasse Österreichs geworden sind.
Klassenkampf statt “Kampf der Kulturen”
Dass Menschen verschiedener kultureller und sprachlicher Herkunft zusammen leben, ist auch in Österreich nichts Neues. Schon um 1900 lebten in Wien 700.000 Personen nichtdeutscher Muttersprache. Der ÖGB hat auf diese Situation bisher nicht entsprechend reagiert. Im Gegenteil: nach wie vor werden ausländische KollegInnen benachteiligt. Die ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsbewegung hat letztlich die Wahl, die gemeinsamen sozialen Interessen von ArbeitnehmerInnen und Jugendlichen als Chance zu begreifen um sie grenzenlos zu organisieren, oder sich der Logik vom Kampf der Kulturen - egal von welcher Seite - auszuliefern. Dazu Margarita Döller von Sozialistischer Widerstand international: “Der gemeinsame Kampf gegen Rassismus, Sozialabbau und gegen ein drohendes Erstarken rechtsextremer Kreise - etwa in Form des BFJ in Linz - ist der effizienteste Weg, reaktionären FundamentalistInnen den Boden zu entziehen.”