Mi 16.09.2015
Dieser Artikel erschien zuerst am 12. September 2015 auf der englischsprachigen Webseite socialistworld.net
Popularität von Anti-Kürzungs-Ideen bestätigt – Jetzt beginnt der Kampf zur Schaffung einer Anti-Kürzungs-Partei
Dies ist ein historischer Moment. Nichts wird wieder so sein wie vorher. Jahrzehntelang bedeutete Politik in Westminster nichts als rechte Politik zugunsten der Großkonzerne.
Eine Handvoll linker Labour-Abgeordneter wie Jeremy Corbyn stimmten gegen Kürzungen, Krieg und das Untergraben der Demokratie, aber ihre isolierten Stimmen wurden weitgehend überdröhnt.
Jetzt wurde mit der Wahl von Jeremy Corbyn zum Labour-Vorsitzenden mit 59,5% der Stimmen der Kürzungskonsens zerschlagen. Die Hoffnungen von Millionen wurden geweckt, die eine Gesellschaft der 99% und nicht des 1% wollen.
Die Wahl von Corbyn ist jedoch nur der Beginn. Während der ganzen Wahl haben die Rechten, die die Labour Party und die kapitalistischen Medien beherrschen, alles in ihrer Macht getan, um den Sieg von Corbyn aufzuhalten.
Zehntausende Menschen wurden von der Stimmabgabe bei der Wahl zum Vorsitzenden ausgeschlossen, überwiegend Corbyn-UnterstützerInnen.
Aber nichts hat funktioniert, im Gegenteil haben die Angriffe von Blair, Brown, Mandelson und dem Rest auf Corbyn nur dessen Unterstützung vergrößert.
Hunderttausende haben, zutiefst desillusioniert von den Establishment-PolitikerInnen, die Gelegenheit genutzt, die entstand, weil Corbyn auf dem Stimmzettel für die Wahl zum Labour-Vorsitzenden war, um eine politische Stimme für ihre Anti-Kürzungs-Ansichten zu schaffen.
Selbst die Ultra-Blairistin Liz Kendall musste zugeben, dass Corbyn „große Mengen von Leuten mobilisiert und begeistert habe auf eine Weise, die wir seit Jahrzehnten nicht gesehen haben.“ Angesichts dieser Begeisterung wurde die Labour-Rechte zurückgedrängt.
Es ist ausgeschlossen, dass die Labour-Rechte die Niederlage akzeptieren und einfach zulassen wird, dass die Labour Party von Corbyn und seinen UnterstützerInnen nach links verschoben wird.
Rechtliche Schritte oder unmittelbare Versuche, einen Putsch gegen Corbyn zu machen, können nicht völlig ausgeschlossen werden, sind aber angesichts des Ausmaßes seines Sieges nicht wahrscheinlich.
Es ist jedoch klar, dass die Labour-Rechte versuchen wird, Corbyn am ausgestreckten Arm verhungern zu lassen und zu untergraben mit dem Ziel, ihn so schnell wie möglich zu entfernen.
Dabei werden sie die volle Unterstützung des kapitalistischen Establishments haben. Thatcher betrachtete Blair und New Labour als ihren größten Erfolg.
Labour wurde verwandelt in eine Partei, bei der sie sich darauf verlassen konnten, dass sie im Interesse der Ein Prozent handle. Jetzt wird es eine riesige Kampagne geben, die das in den Schatten stellen wird, was während dem Wahlkampf geschah, um erneut sicherzustellen, dass die Stimme der Mehrheit – der Arbeiterklasse – erneut innerhalb der Labour Party ausgelöscht wird.
Wie kann der Angriff von rechts zurückgeschlagen werden?
Jeremy Corbyn wird nicht in der Lage sein, den Angriff zurückzuschlagen, wenn er innerhalb der Beschränkungen der vom rechten Flügel beherrschten Labour-Party-Maschine bleibt.
Es gibt nur neun Mitglieder der sozialistischen Abgeordnetengruppe, bei der er Mitglied ist. Um zu gewinnen, muss er auf der Bewegung gegen die Kürzungspolitik aufbauen, die in seinem Wahlkampf eine Stimme fand.
Ein großer Teil seiner Unterstützung kam von „außen“ – neuen Mitgliedern und registrierten UnterstützerInnen, die von der Hoffnung auf etwas Unterschiedliches angezogen wurden.
Dies ist eine neue Partei im Bildungsprozess. Viele von ihnen sind eine neue Generation von jungen Menschen, zusammen mit zurückkehrenden früheren Mitgliedern.
Als Ausgangspunkt würden wir Jeremy Corbyn dringend ermutigen, eine riesige Konferenz all jener zu organisieren, die für ihn gestimmt haben, plus der vielen Gewerkschaften – einschließlich nicht an Labour angeschlossener Gewerkschaften wie der RMT, PCS und FBU – die ein kämpferisches Anti-Kürzungs-Programm unterstützen.
Die Socialist Party würde an so einer Konferenz teilnehmen und alle anderen Anti-Kürzungs-AktivistInnen ermutigen, das gleiche zu machen.
Teil der Umgestaltung von Labour in eine prokapitalistische Partei war die völlige Zerstörung der Demokratie, die es vorher gab. „Gemäßigte“ Labour-Vertreter blöken schon, dass die Linke unter Corbyns Führung „die Schalthebel der Macht in der Partei übernehmen würde“.
Was sie damit meinen ist, „dem Jahresparteitag und dem Bundesvorstand mehr Kontrolle und der Labour-Parlamentsfraktion weniger Einfluss zu geben“ („The Independent“ 11. September 2015).
Mit anderen Worten die Wiederherstellung von etwas Parteidemokratie, wie es sie in der Vergangenheit gab! Sie greifen auch hysterisch jeden Versuch an, dass die Wahlkreisgliederungen über die Wiederaufstellung von Abgeordneten entscheiden können.
Aber das Recht, über die Wiederaufstellung von Abgeordneten zu entscheiden, bedeutet nur das demokratische Recht der Parteimitglieder, einen Abgeordneten ersetzen zu können, der gegen die Parteipolitik stimmte.
Das sollte unstrittig sein. Es ist jedoch keine Überraschung, dass es Labour-Abgeordnete aufbringt, die für Sozialkürzungen, Sparpolitik und Krieg stimmten.
Jeremy Corbyn sollte für die Einführung jeder der demokratischen Maßnahmen stimmen, die den rechten Flügel von Labour so erschrecken, einschließlich der Wiederherstellung der kollektiven Stimme der organisierten Arbeiterklasse innerhalb der Partei durch die Gewerkschaften.
Gleichzeitig sollte die Partei geöffnet werden. Alle, die in der Vergangenheit hinausgedrängt oder ausgeschlossen wurden, weil sie gegen Kürzungen und für sozialistische Ideen kämpften, sollten zur Rückkehr eingeladen werden.
Die Corbyn-Kampane hat die Idee aufgeworfen, soziale Medien und virtuelle Demokratie zur Durchführung politischer Beratungen durchzuführen.
Solche Methoden können eine nützliche ergänzende Rolle spielen, aber der Sieg über die großkonzernfreundlichen Elemente, die die Labour-Maschine beherrschen, wird aktive Massenbeteiligung erfordern.
Sozialistische Ideen populär
Die kapitalistischen Medien bestehen unisono darauf, dass eine Corbyn-geführte Labour Party unwählbar sei. Sie werden ihr Bestes tun, das zu bewirken, aber es ist nicht wahr! Im Gegenteil besagt die jüngste Umfrage von Lord Ashcroft, dass 52% der Menschen zustimmen, dass „eine radikale sozialistische Alternative eine gute Sache wäre“.
Die Bevölkerung ist weit links von den Establishment-PolitikerInnen. Zum Beispiel unterstützen 68%, 67% und 66% Wiederverstaatlichung der Energieunternehmen, der Königlichen Post beziehungsweise der Bahngesellschaften.
Die letzte Parlamentswahl hat schon die Popularität von Anti-Kürzungs-Ideen gezeigt. Während die „Kürzungen light“-Labour-Party in Schottland fast vernichtet wurde, konnte die SNP, obwohl sie Kürzungspolitik in Schottland umsetzt, alles abräumen, indem sie versprach in Westminster die Kürzungspolitik abzulehnen.
Währenddessen konnte Labour in England und Wales, trotz dem Hass auf die konservativ-liberaldemokratische Regierung, nur die Unterstützung von einer Million der über vier Millionen Stimmen zurückgewinnen, die sie seit 1997 verlor.
Desillusionierte Labour-WählerInnen wählten in der überwältigenden Mehrheit der Fälle nicht die Tories, sondern stimmten für Parteien, die sie als Protest gegen das Establishment sahen – oder blieben zu Hause und wählten überhaupt nicht.
Jeremy Corbyns Rufe nach Verstaatlichung der Bahn- und Energieunternehmen, einem Mindestlohn von 10 Pfund pro Stunde, freier Bildung, dem Bau von Gemeindewohnungen und der Abschaffung der Antigewerkschaftsgesetze haben schon Millionen begeistert.
Trotzdem ist das Programm, das Jeremy Corbyns Kampagne in ihrem schriftlichen Programm präsentiert hat, tatsächlich ziemlich begrenzt.
Er stellt die populäre Idee einer „quantitativen Lockerung für die Bevölkerung“ auf, hat aber nicht alle Schlussfolgerungen gezogen, was notwendig wäre, um so eine Politik umzusetzen.
Er fordert zum Beispiel nur eine „sinnvolle Regulierung des Bankensektors“ statt die Verstaatlichung der Banken unter demokratischer Kontrolle.
Teil des Aufbaus einer erfolgreichen Bewegung gegen Kürzungspolitik wäre eine demokratische Diskussion, wie diese auf Dauer besiegt werden kann.
In so einer Diskussion würde die Socialist Party argumentieren, dass das die Verstaatlichung der großen Firmen und Banken, die die Wirtschaft beherrschen – unter demokratischer Kontrolle durch die Arbeiterklasse – erfordern würde.
Nur auf diese Weise wäre es möglich, den Aufbau einer demokratisch-sozialistischen Gesellschaft zu beginnen, die geplant wird, um die Bedürfnisse der Mehrheit zu befriedigen, statt, wie gegenwärtig, eine Gesellschaft zu haben, die durch die Maximierung der Profite des 1% angetrieben wird.
Für Gemeinderäte, die die Kürzungen bekämpfen
Gemeinderäte werden ein zentrales Schlachtfeld im Kampf für die Schaffung einer Partei gegen die Kürzungspolitik sein. Jeremy Corbyn hat zu Recht einen Aufruf gemacht, dass Gemeinderäte zusammenstehen und sich weigern sollen, die Regierungskürzungen umzusetzen.
Über 450 Gemeinderäte haben unterschrieben, dass sie Jeremy Corbyn unterstützen. Das ist bedeutsam, aber es sind kaum 6 Prozent der Gesamtzahl der Labour-Gemeinderäte.
Leider wird die Mehrheit der Labour-KandidatInnen bei den Kommunalwahlen nächstes Jahr immer noch für Kürzungspolitik sein.
Kommunale Dienstleistungen wurden schon um 39 Prozent gekürzt. Wir können nicht akzeptieren, dass Labour-Gemeinderäte weiterhin mehr zusammenstreichen.
Die Erfahrung von Syriza in Griechenland, wo die Führung einer Anti-Kürzungs-Partei vor dem Druck des Großkapitals kapitulierte und jetzt Kürzungspolitik umsetzt, zeigt, dass der Sieg über die Kürzungspolitik einen entschlossenen Kampf erfordert.
Zu akzeptieren, dass Kürzungspolitik befürwortende Labour-Gemeinderäte weiterhin Arbeitsplätze und Dienstleistungen zusammenstreichen, würde den Boden für die Niederlage der Bewegung bereiten, die mit Jeremy Corbyns Wahl begonnen hat.
Die Socialist Party ist Teil der Trade Unionist and Socialist Coalition (Gewerkschaftliche und Sozialistische Koalition) die von Bob Crow, dem verstorbenen Generalsekretär der Transportarbeitergewerkschaft (der RMT) mit gegründet wurde, um Anti-Kürzungs-KandidatInnen zu den Wahlen aufzustellen.
Die TUSC wird bei den Kommunalwahlen nächstes Jahr helfen, indem sie Labour-KandidatInnen unterstützt, die sich klar verpflichten, gegen Kürzungen zu stimmen und sie wird zugleich gegen die kandidieren, die sagen, sie werden fortfahren, kommunale Dienstleistungen zusammenzukürzen.
Für eine Massenpartei der Arbeiterklasse
Jeremy Corbyns Sieg hat das Selbstvertrauen all jener gehoben, die Kürzungspolitik ablehnen und hat dem Establishment schon einen Schlag versetzt.
Aber wenn es die Rechte schafft, ihn zu isolieren und zu untergraben, besteht die Gefahr, dass die, die zu Corbyns Kampagne hingezogen wurden, desillusioniert werden und weggehen.
Wenn er zu irgendeinem Zeitpunkt entfernt wird, ist es entscheidend, dass alle Folgerungen gezogen würden bezüglich der Gangbarkeit von Labour als Instrument, um den Kampf gegen Kürzungspolitik fortzusetzen.
Wir brauchen dringend eine Massenpartei für die Arbeiterklasse, die die Speerspitze eines Kampfs gegen die Kürzungspolitik sein kann. Der Weg dahin ist nicht schnurgerade.
Aber der Sieg von Jeremy Corbyn und vor allem die Mobilisierung von Hunderttausenden jungen Menschen und ArbeiterInnen gegen Kürzungspolitik, die diesen Sieg sichergestellt haben, sind ein wichtiger Schritt vorwärts.