Do 26.02.2015
Am 20. Februar haben Verhandlungsführer Griechenlands einer viermonatigen Verlängerung des derzeitigen „Rettungsprogramms“ mit den Gläubigern (der Troika aus EU, IWF und Europäischer Zentralbank) zugestimmt. Es wird berichtet, dass die griechische Delegation von der „Eurogruppe“ (den Finanzministern der Eurozone) regelrecht erpresst wurde. Der griechischen Syriza-Regierung wurde gedroht, sie werde gezwungen innerhalb weniger Tage Kapitalverkehrskontrollen einzuführen, wenn sie nicht zustimme.
Im Wesentlichen besteht dieses Abkommen aus den folgenden Punkten: Griechenland muss den Rahmen, den die „Memoranden“ (gemeint ist die Vereinbarung über die Austerität) vorgeben, für die nächsten vier Monate akzeptieren, wird das nächste Finanzpaket nur dann erhalten, wenn dieses von der Troika als „positiv“ bewertet wird, muss sämtliche Schulden zum vorgegebenen Zeitpunkt zurückzahlen, setzt sich dafür ein, dass der Großteil des Geldes, das durch die Austeritätsprogramme akquiriert wird, eingesetzt wird, um die Schulden zurückzuzahlen und Griechenland wird keine „unilateralen Maßnahmen“ ergreifen.
Es liegt auf der Hand, dass diese Vereinbarung ein enormes Zurückweichen der Regierung Griechenlands bedeutet.
Dass es zu diesem Viermonats-Deal gekommen ist, mag Griechenland davor bewahrt haben, unmittelbar aus dem Euro zu fliegen, dafür muss jedoch ein sehr hoher Preis gezahlt werden. Trotz der positiven Darstellung durch Premierminister Tsipras hat Athen umfassende Zugeständnisse gemacht. Dazu gehört auch, dass man die Forderung nach einer „Abschreibung“ der enormen Schuldenstände Griechenlands nicht umgesetzt hat.
Syriza behauptet, man habe die beste aller schlechten Vereinbarungen, die angeboten wurden sind, herausgeholt. Schließlich habe die Gefahr eines Kapitalabflusses von den griechischen Banken und eines chaotischen Bankensturms gegeben. „Wir haben Zeit gewonnen“, so die Behauptung von Syriza. Die Frage ist nur, wofür man Zeit gewonnen hat. Im Rahmen dieses Abkommens musste Athen seinen Gläubigern akzeptable Reformvorschläge machen. Bis April müssen die Vorschläge von Syriza von der Eurogruppe und der Troika abgenickt werden. Wenn Syriza diesem Diktat nicht zustimmt, dann fließen nicht die benötigten Kredite, mit denen angesichts der Schulden in Höhe von 320 Milliarden Euro ein Zahlungsausfall verhindert werden kann.
Ist damit alles verloren?
Bedeutet dies, dass alles verloren ist? Das hängt von der Stimmung in der Bevölkerung ab und davon, ob die arbeitenden Massen in Griechenland zu neuen Kämpfen bereit sind. Die sozialen Bewegungen und die Arbeiterbewegung werden kämpfen, um ihren Wahlerfolg gegen das Establishment auf die betriebliche Ebene auszuweiten. Demgegenüber wird die Troika versuchen, Syriza im Rahmen der kapitalistischen EU zu kontrollieren. Zwischen diesen beiden Polen wird die Regierung unter heftigen Druck geraten. Was am Ende bei diesem Tauziehen herauskommen wird, kann man vom heutigen Standpunkt nicht vorhersagen, weil es um eine Auseinandersetzung zwischen lebendigen Kräften geht.
Syriza sollte der griechischen Bevölkerung die Wahrheit sagen. Wenn die Regierung Zugeständnisse gemacht hat, um Zeit zu gewinnen, damit ein strategischer Plan umgesetzt werden kann, mit dem die Austerität bekämpft wird, dann werden die Menschen das verstehen und diesen Kampf unterstützen. Geschieht das jedoch nicht, dann würde das auf tragische Weise zeigen, dass die griechische Regierung einen Weg der Klassen-Kollaboration mit der EU und der Elite im eigenen Land eingeschlägt. Das hieße, dass man deren Agenda akzeptiert.
Syriza verfolgt kein Programm, dass man allgemein als sozialistisch bezeichnen kann. Die führenden Politiker von Syriza geloben – koste es, was es wolle – Teil der kapitalistischen Eurozone bleiben zu wollen. Das bedeutet, dass die griechischen ArbeiterInnen in Geiselhaft genommen werden und ihnen die Zwangsjacke des EU-Kapitalismus der Bosse angelegt wird. Damit wird die Logik des „einheitlichen Binnenmarkts“ akzeptiert genauso wie die Diktate der Troika.
Varoufakis, der griechische Finanzminister, behauptet, dass die Vereinbarung es Griechenland erlaubt, die Fiskalziele für dieses Jahr zu ändern. Auf diese Weise wäre ein niedrigerer Überschuss möglich und es bestehe die Möglichkeit einer „kreativen Mehrdeutigkeit“ hinsichtlich des Überschusses, den Griechenland über 2015 hinaus einzufahren hat. Die griechische Regierung hat gesagt, dass sie damit die Möglichkeit habe, eine gewisse „humanitäre Politik“ durchzuführen. Es ist richtig, dass die paar Milliarden Euro die schreckliche Belastung für die am härtesten betroffen Teile der griechischen Bevölkerung etwas abmindern könnten. Im Moment mag das von den arbeitenden Menschen als eine Art Fortschritt betrachtet werden. Das gilt vor allem, wenn man es mit dem jämmerlichen Resultat der Arbeit der letzten Regierung vergleicht.
Es könnte kaum um mehr gehen
Das alles wird aber nicht reichen, um damit eine Reihe von Reformen finanzieren zu können, die der Arbeiterklasse zu Gute kämen. Auch die öffentlichen Investitionen, die so dringend nötig sind, sind damit nicht zu bezahlen. Die Hauptbestandteile des „Programms von Thessaloniki“ von Syriza, bei dem es sich schon um einen Rückschritt im Vergleich zu den vorherigen Programmen handelt, werden (möglicherweise auf unbestimmte Zeit) aufgeschoben. Damit wird der Schaden, der in den letzten fünf Jahren angerichtet wurde (es geht um nicht weniger als den Verlust von 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in den letzten fünf Jahren), nicht wettgemacht. Und wenn die Syriza-Regierung den drakonischen Bedingungen zustimmt, die der deutsche Kapitalismus fordert, dann wird das von den griechischen ArbeiterInnen früher oder später als 180-Grad-Wende und Kapitulation von Syriza verstanden.
Schon jetzt geraten die führenden PolitikerInnen von Syriza in der Öffentlichkeit ins Wanken, wenn es um die Frage geht, ob sie an ihren ursprünglichen Zusagen festhalten. Dies gilt zum Beispiel, wenn man nach der Wiedereröffnung des Senders ERT fragt. Einerseits wurde behauptet, dass man keine neuen Privatisierungen durchführen wolle, andererseits hat Syriza die Möglichkeit diskutiert, ein privates Unternehmen bei der „Entwicklung“ von Infrastrukturprojekten hinzuzuziehen.
Es gibt jedoch in der Öffentlichkeit große Unterstützung für ein radikales und gegen die Austerität gerichtetes Programm. Am 15. Februar sind mehr als 100.000 Menschen im Zentrum von Athen zusammengekommen, um ihre Unterstützung für die ursprüngliche Verhandlungsposition von Syriza zu zeigen. Die Stimmung war kämpferisch. Die faschistische „Goldene Morgenröte“ und der reaktionäre Nationalismus sind in den Hintergrund gedrängt worden, weil es zu einer neuen Stimmung gegen die Troika und gegen den Imperialismus gekommen ist. 66 Prozent der Menschen, die die „Goldene Morgenröte“ gewählt haben, sagen, sie stimmten der Haltung der Syriza-Regierung zu. Das zeigt, dass große und aktive Unterstützung für einen mutigen Kampf gegen die Troika vorhanden wäre, wenn es ein klares sozialistisches und gegen die Kürzungen gerichtetes Programm gäbe; einschließlich der Nichtanerkennung der Schulden, der Beendigung aller Austeritätsmaßnahmen, Einführung von Kapitalverkehrskontrollen, des Staatsmonopols auf den Außenhandel und Überführung der Großkonzerne und Banken in demokratisch verwaltetes öffentliches Eigentum, um den Bedürfnissen der vielen und nicht der wenigen zu entsprechen – und eines internationalistischen Klassen-Appells an die abhängig Beschäftigten in den anderen Ländern Europas.
Selbst wenn Syriza nur trotzig an ihrem „Programm von Thessaloniki“ festhalten würde, dann würden die ArbeiterInnen und die Ärmsten in Griechenland – mit der aktiven Unterstützung durch die ArbeiterInnen in anderen Ländern Europas, die gegen ihre eigenen Kürzungspolitik betreibenden Regierungen vorgehen wollen – enthusiastisch mobilisieren, um diese durchzusetzen.
Wenn die Linke darin scheitert, einen Ausweg aufzuzeigen, und die Mittelschicht sowie große Teile der Arbeiterklasse Opfer von Frustration und Demoralisierung werden, dann wird der „Nea Demokratia“ und anderen Austeritätsparteien der Weg für ihre Rückkehr an die Macht geebnet. Hinzu kommt, dass die „Goldene Morgenröte“ erneut Zuwächse verzeichnen würde. Für die griechische und die europäische Arbeiterklasse könnte es kaum um mehr gehen.