Mo 11.05.2015
Der deutsche Bundesinnenminister Thomas de Maizière und andere Politiker schlagen vor, in Nordafrika sogenannte „Willkommens- und Ausreisezentren“ einzurichten. Dabei handelt es sich praktisch um Flüchtlingslager auf dem afrikanischen Kontinent, in denen die potenziellen Bootsflüchtlinge interniert werden, bis über ihre Asylanträge entschieden ist. Bei einer Asylanerkennung dürften sie nach Europa einreisen, andernfalls würden sie aufgefordert, in ihre Heimat zurück zu kehren. Schon innerhalb der EU gibt es mehrere Länder, zum Beispiel Griechenland, Bulgarien, Ungarn etc., die selbst nach den zweifelhaften Maßstäben europäischer Gerichte nicht oder kaum in der Lage beziehungsweise willens sind, die Mindeststandards eines akzeptablen Asylverfahrens einzuhalten. Man muss schon sehr zynisch sein, um Flüchtlingslager in Ägypten (Militärdiktatur) oder Libyen (Bürgerkrieg) als Lösung vorzuschlagen.
De Maizière (und auch die österreichische Innenministerin Mikl-Leitner, Anm.) bleibt auch die Antwort schuldig, was mit den Menschen geschehen soll, deren Anträge abgelehnt werden. Insbesondere erklärt er nicht, wie ihre Rechte in den „Gastgeberländern“ der Lager geschützt werden sollen.
In Anbetracht der Tatsache, dass die überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge in den Booten auf dem Mittelmeer aus Bürgerkriegsgebieten wie Syrien stammt, dürfte inzwischen offensichtlich sein, dass die Mehrheit dieser Leute die Gefahren auf See nicht aus Unwissenheit in Kauf nimmt, sondern weil sie – durchaus zu Recht – davon ausgehen, dass ihre Überlebenschancen selbst in einem löchrigen Schlauchboot höher sind als in ihrer zerbombten Wohnung in Aleppo oder anderswo.
Lager sind unmenschlich
Davon abgesehen, ist die Unterbringung von Menschen in Lagern bereits an sich unmenschlich. Lager begünstigen selbst unter besten Bedingungen die Herausbildung autoritärer Strukturen, von Gewalt, Stress, Korruption und Seuchen und die Zunahme psychischer Erkrankungen. Welche Folgen es hat, traumatisierte Menschen bei schlechter Versorgungslage zusammenzupferchen, sieht man in allen Krisengebieten der Welt. Am besten fragt man die Bootsflüchtlinge selbst. Die meisten besteigen die Boote, da sie es in Flüchtlingslagern nicht mehr ausgehalten haben. Die Idee ist auch nicht neu. Bereits zu Gaddafis Zeiten gab es mit Unterstützung der EU Flüchtlingslager in Libyen – sie waren berüchtigt für Menschenrechtsverletzungen, einschließlich Folter.
Der Vorschlag ist ein durchsichtiger Versuch, das Flüchtlingselend möglichst billig vor den Augen der europäischen Öffentlichkeit zu verstecken, ohne ausdrücklich zu sagen: „Was aus den Opfern unserer Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik wird, ist uns egal.“ Eine tatsächliche Verbesserung der Lage kann nur durch effektive Bekämpfung der Fluchtursachen wie Krieg und Ausbeutung der exkolonialen Welt eintreten. Bis dahin muss alles getan werden, um die Sicherheit der Flüchtlinge zu gewährleisten und um ihnen ein menschenwürdiges Leben ohne Lager zu ermöglichen.