Di 01.10.2002
Während sie sich gemeinsam in der Parlamentsmensa an billigen Lachsbrötchen erfreuen, besucht er KrankenpflegerInnen um einen Streik gegen Kürzungen im Gesundheitswesen zu planen. Während sie sich in der Parlamentsdebatte an "Sachzwänge" ketten, kettet er sich medienwirksam mit Handschellen an ein Geländer, um die Lage der ArbeiterInnenklasse zu veranschaulichen. Während sie sich über die Parteigrenzen hinweg von der neoliberalen Standortlogik erpressen lassen (wollen), wird er nicht müde, gegen alle Kürzungen und Verschlechterungen zu stimmen, die im Parlament zur Abstimmung gebracht werden. Joe Higgins ist Parlamentsabgeordneter in Irland. Und er ist anders als die andern.
Nicht sein stylisches Outfit und tolle Plakate brachten ihm einen Sitz im irischen Parlament: es war ein siegreicher Kampf gegen Wassergebühren. Unsere Schwesterpartei "Socialist Party" führte eine erfolgreiche Kampagne gegen die Einführung der Wassersteuer durch, die auch den ersten Schritt zur Privatisierung der Wasserversorgung bedeutet hätte. 1996 musste die Regierung diese Maßnahme wieder zurücknehmen und ein Jahr später erreichte die Partei den Einzug in die Nationalversammlung. Ein Trotzkist saß ab da im Parlament - ein Meilenstein in der Geschichte Irlands, aber auch der internationalen ArbeiterInnenbewegung. Ab diesem Zeitpunkt war dieser Ort nicht mehr nur Debattierclub für die in Irland besonders korrupten Politiker, sondern eine Tribüne für die Kämpfe von ArbeitnehmerInnen, Arbeitslosen und Jugendlichen. Von Anfang an war Joe Higgins Aufgabe fundamentale Opposition. Die parlamentarischen Sitzungen mussten dafür genutzt werden, innenpolitische Debatten mit Systemkritik zu verbinden. Er arrangierte sich auch nicht mit Parteien wie Fine Gael und der New Labour, die die Krise des Kapitalismus genauso auf Kosten der ArbeiterInnenklasse austrugen. Als einziger Sozialist des irischen Parlaments, nahm er innerhalb der ersten vier Jahre bereits Platz 16 der Liste der häufigsten RednerInnen ein: Keine Chance wurde verpasst, dieses System von Ungerechtigkeit und Korruption anzuprangern.
FacharbeiterInnenlohn
Joe Higgins hat keinen Dienstwagen, und schon gar keinen Chauffeur. Er verdient nicht mehr als jene, mit denen er kämpft. Von allen Einkünften aus seiner Parlamentstätigkeit, überlässt unser Parlamentarier bis auf einen durchschnittlichen FacharbeiterInnenlohn alles unserer Internationale "CWI", oder ihrer irischen Sektion "Socialist Party". Mit diesem Geld werden nicht nur in Irland, sondern in über 35 Ländern der Welt der Kampf gegen den neoliberalen Umbau unserer Gesellschaft und für den Aufbau einer neuen ArbeiterInnenpartei mitfinanziert. Ein Parlament kann unsere Kämpfe nicht ersetzen, das bestätigt Joe mit Nachdruck, wenn er erzählt, wo und wie tatsächlich die wichtigen Entscheidungen fallen. Das geschieht nämlich in den Chefetagen. Parlamentarische Arbeit kann aber aufgrund der medialen Aufmerksamkeit, eine Öffentlichkeit herstellen, die ansonsten viel schwerer zu erreichen wäre.
Wahlen 2002 - auch in Irland
Auch die irische Bevölkerung ging heuer wählen. Die Wahlbeteiligung betrug im Juni dieses Jahres 63%, und dass trotz begleitender Maßnahmen seitens der Regierung, den Menschen den Urnengang schmackhaft zumachen (die Wahllokale hatten z.B. länger offen, "lustige" Spots forderten auf, wählen zu gehen). Entgegen diesem Trend führte unsere irische Schwestersektion einen sehr erfolgreichen und politischen Wahlkampf, der schon lange vor dem Wahlgang selbst begonnen hatte. Die "Bin Tax Campaign" richtete sich gegen die Einführung von Müllgebühren und deren willkürlichen und unökologischen Charakter. Die gleichzeitige Abschaffung der Körperschaftssteuer und das "Andenken" der Privatisierung der Müllsammlung waren Zündstoff genug, ArbeitnehmerInnen, Arbeitslose und Jugendliche in einer breiten Kampagne zu mobilisieren. Gleichzeitig galt es einen großen Streik im Gesundheitswesen zu bestreiten, der durch die Kandidatur der Socialist Party auch eine Stimme auf dem Wahlzettel bekam. Obwohl die Teilnahme an der Wahl gegenüber 1997 gesunken ist, konnte Joe Higgins seinen Sitz problemlos halten. Auch die drei Stadträte der Socialist Party wurden wieder gewählt.