Sa 01.06.2002
Die spanische EU-Präsidentschaft neigt sich dem Ende zu. Am 21. und 22. Juni findet der letzte größere EU-Gipfel in Sevilla statt. Nach den Protesten in Barcelona im März stellt sich für die globale Protestbewegung aber auch für die Herrschenden aller Länder die entscheidende Frage: Wie weiter?
Was passiert in Sevilla? Um es vorweg zu nehmen: Erfahrungsgemäß nicht viel! Zumindest nicht auf dem Gipfeltreffen direkt. Wir können davon ausgehen, dass ein weiteres Mal massiver Sozialabbau sowie eine Verschärfung der Ausbeutung besprochen werden. Es ist somit nur ein weiterer Gipfel unter vielen. Nur, dass die spanische Präsidentschaft durch eine Weltwirtschaftskrise eingeleitet wurde, deren offenes zu Tage Treten von den Kapitalisten zu verhindern versucht wird. Erfolglos wie wir meinen; denn das Problem ist das kapitialistische System selbst.
Wichtige EU-PolitikerInnen treffen sich und streiten, wer nach der EU-Osterweiterung wieviel zahlen muss, und wer 2004 überhaupt zum erlesenen Kreis der EU gehören darf. Dabei kommt nicht vielmehr heraus, als ein halbherzig beschlossener Kontrakt, der später sowieso gebrochen wird. In der Regel werden die eigentlichen Entscheidungen aber in den Chefetagen der großen Konzerne getroffen. Diese wiederum haben VertreterInnen in den Ausschüssen des Europäischen Parlaments. So gibt es beispielsweise einen Ausschuss, der ausarbeiten soll, welche Dienstleistungen innerhalb der Mitgliedsstaaten privatisiert werden sollen und welche derartigen Privatisierungen von den anderen Mitgliedsstaaten der WTO, der so genannten Welthandelsorganisation, eingefordert werden. Das ganze findet unter der netten Bezeichnung “General Agreement on Trade in Services” (GATS) statt.
Am 30. Juni 2002 bzw. am 31. März 2003 müssen die eingeforderten bzw. ”zur Verfügung gestellten” Deregulierungen feststehen. Beschlossen wurde das ganze fern von jeder Öffentlichkeit am WTO-Gipfel in Doha (Qatar) im November letzten Jahres. Die österreichische Bundesregierung hat dem ganzen selbstverständlich zugestimmt.
Krankenschein-, Ambulanz-, und Studiengebühren sind hier nur ein Anfang. In Britannien führt die Privatisierung von Wasser dazu, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen mit der Zeit von der Wasserversorgung völlig ausgeschlossen werden. Die Privatisierung des Gesundheitswesens und der Eisenbahn hatte dort ausschließlich höhere Preise bei schlechterer Qualität zur Folge (tödliche Eisenbahnunfälle!).
Sowohl beim GATS als auch am Gipfeltreffen in Sevilla wird die Privatisierung von Bildung eine wesentliche Rolle spielen. Weltweit werden durch Bildung jährlich 2.200 Milliarden US-Dollar umgesetzt (lt. Merrill Lynch Unternehmensberatung). Die Kapitalisten wollen dieses Kapital selbst erwirtschaften und die Profite einheimsen, der Staat soll nur noch eingreifen, wenn Geld fehlt. Coca-Cola- und Daimler-Benz-Schulen sind nicht fiktive Zukunft, sondern teils bereits traurige Realität. Dem Staat bzw. der Gesellschaft ist unsere Bildung nichts wert. Das, was die Kapitalisten Bildung nennen, ist reine Volksverblödung - für die wir dann auch noch Unsummen hinblättern müssen! Bildung darf nicht zur Ware werden - ebenso wenig öffentlich-zivile Dienste. Das Resultat dieser Entwicklungen sehen wir in der Barbarei der so genannten ”Entwicklungsländer”.
Was können wir dagegen tun?
Am Mittwoch, den 29. Mai fand von 15:00 bis 18:00 Uhr eine Kundgebung am Julius-Tandler-Platz statt, um auch in Wien darauf aufmerksam zu machen, was in Sevilla geschieht. Organisiert wurde diese von Sozialistischer Widerstand international (SWi). Parallel zu den Protesten in Barcelona, auf denen sich bis zu 400.000 ArbeiterInnen und Jugendliche einfanden, um gegen Kapitalismus und Privatisierung zu kämpfen, organisierten Schwesterorganisationen von International Socialist Resistance (ISR) von Argentinien und Brasilien über Griechenland bis nach Nigeria und Kaschmir und anderen Teilen der Welt Aktionstage! Dieser 15. März stand für uns im Zeichen des Kampfes gegen die Privatisierung von Bildung und gegen Kapitalismus allgemein.
Der Versuch von Jugendlichen, die Treffen des internationalen Kapitals verhindern und stören zu wollen, finden unsere volle Unterstützung und Anerkennung. So wird ISR/SWI auch dieses Mal mit einem eigenen Demonstrationsblock vertreten sein, an dem Delegierte und AktivistInnen aus aller Welt teilnehmen. Es spielt für uns aber auch eine zentrale Rolle, die Proteste auf den Gipfeltreffen mit den lokalen Kämpfen der ArbeiterInnenklasse zu verbinden.
Die Gipfelproteste sind Ausdruck eines gestiegenen Bewusstsein unter breiten Teilen der Bevölkerung. Entwicklungen wie in Afghanistan oder Israel/ Palästina zeigen, wohin der Kapitalismus uns führt - in Barbarei, Krieg und Verderben. Immer mehr Menschen bekommen mit, dass auch uns bald ein ähnliches Schicksal ereilen kann. Am Beispiel Argentinien konnten wir sehen, dass das oft schneller passiert, als wir uns überhaupt vorstellen. Gleichzeitig wird es aber immer offensichtlicher, dass ein Verhindern der Gipfeltreffen den Kapitalismus nicht stürzen wird.
Die Treffen werden ohne unsere Proteste fortgeführt, das haben wir letztes Jahr beim WTO-Gipfel erlebt, der in ein Land verlegt wurde, in welchem jegliche eigenständige politische Betätigung verboten ist. Außerdem bestehen die internationalen Agenturen des Kapitals wie WTO, IWF und Weltband immer noch aus national agierenden Konzernen sowie ihren VertreterInnen in den Regierungen.
Die Globalisierung wurde von ihnen auch dazu eingesetzt, um uns davon abzulenken, dass der “Feind im eigenen Lande” steht, wie der Sozialist Karl Liebknecht einst so treffend formuliert hat. Die Kämpfe der ArbeiterInnen für bessere Löhne und gegen Deregulierung und Privatisierung spielen sich immer noch in einem nationalstaatlichen Rahmen ab - ebenso wie die rechtlichen bzw. gesetzlichen Vergünstigungen für die Kapitalisten. Nur ein Streik aller Betroffenen kann die Gipfeltreffen effektiv verhindern, indem er sich auch weitergehend gegen die eigenen Bosse wendet. Eine eingeschlagene McDonald’s Scheibe oder eine leicht verwüstete Bank sind schnell ersetzt. Wenn es um ihre Profite geht, leiden sie hingegen einen größeren Schmerz.
Unsere Aufgabe ist es, in der Bewegung klar zu machen, dass der Sturz des Kapitalismus und die Errichtung einer weltweiten sozialistischen Demokratie längst Notwendigkeit geworden sind. Indem wir unsere sozialistischen Ideen sowohl in die ArbeiterInnen- und Gewerkschaftsbewegung, als auch in die globale Protestbewegung hineintragen und für den aktiven Aufbau beider kämpfen, wollen wir erreichen, dass diese beiden zusammenfinden, bevor sich letztere in eine Sackgasse begibt. Die Institutionen des Kapitalismus sind nicht nur nicht zu reformieren, sie werden auch nicht durch bloße Reformen bekämpft werden können.
Den WEF-Gipfel in Salzburg sehen wir als nächsten Ansatz in diesem Kampf. Nur eine starke Mobilisierung der Gewerkschaften wird erreichen können, dass sich uns und unserem Kampf breitere Teile der Gesellschaft anschließen. Es wäre schön, wenn du/Sie uns dabei unterstützen würdest/würden. In diesem Sinne hoffentlich bis dann!