Mi 08.03.2006
1. ArbeiterInnen, Arbeitslose, PensionistInnen und Jugendliche sehen sich immer aggressiveren Angriffen auf ihre Rechte und ihren Lebensstandard ausgesetzt. International (aber v.a. in jenen entwickelten kapitalistischen Ländern, in denen sich die ArbeiterInnenklasse in den letzten 150 Jahren viel erkämpft hat) findet eine Zerschlagung von Sozialsystemen, die de facto Abschaffung eines Pensionssystemes und die Einführung einer Zwei-Klassen-Medizin und Zwei-Klassen-Bildung statt. Während der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts konnte die ArbeiterInnenklasse und auch die Mittelschicht in diesen Staaten eine Erhöhung ihres Lebensstandards erleben. Heute aber ist die Perspektive für die Zukunft die einer fortlaufenden Verschlechterung. Gleichzeitig werden oft unter dem Argument der „Terrorbekämpfung“ demokratische Grundrechte abgebaut. Das Demonstrations- und Streikrecht wird ausgehöhlt. In Australien z.B. sind legale Streiks kaum noch möglich, aber auch in Österreich wird von Wirtschafts- und RegierungsvertreterInnen das Recht zu streiken immer wieder in Frage gestellt. Die Arbeitszeiten werden verlängert und Löhne reduziert sowie die Arbeit insgesamt zunehmend prekärisiert (Teilzeit, keine fixe Anstellung, Arbeit auf Abruf, Freie DienstnehmerInnen und Werkverträge etc).
2. In vielen Ländern gibt es gegen diesen Generalangriff oft harten und erbitterten Widerstand. ArbeiterInnen und Jugendliche gehen zu Hundertausenden auf die Strasse und treten in Streiks, bis hin zu Generalstreiks. Oft gibt es in diesen Kämpfen ein Element der Verzweiflung über die Zerstörung der Lebensgrundlage und ein Element der Ungläubigkeit angesichts der Tatsache, dass steigende Gewinne der Unternehmen mit Kündigungen „belohnt“ werden.Aber eines ist ihnen gemeinsam: nur selten werden sie gewonnen. Viele dieser Kämpfe werden abgebrochen, bevor sie ihr Ziel erreicht haben. Ein gutes Beispiel dafür sind die Bewegungen gegen den Pensionsraub und der EisenbahnerInnenstreik 2003, die vorzeitig abgebrochen wurde sodass die Regierung ihre Pläne weitgehend umsetzen konnte.
3. Die Ursache für das Scheitern dieser Kämpfe sind mehrschichtig: trotz der Klassenkämpfe der letzten Jahre hat das Klassenbewusstsein noch nicht den Stand der 1970er Jahre erreicht. Aber auch das Fehlen einer konsequenten Führung ist dafür verantwortlich (diese Führung stösst dann ihrerseits wegen des zurückgeworfenen Bewusstsein auf weniger Widerstand aus den eigenen Reihen, auch wenn sie gegen deren Interessen agieren). Die Gewerkschaften orientieren sich meist an den Notwendigkeiten des Kapitalismus statt an den Bedürfnissen ihrer Mitglieder und Basis. Eigene Parteien bzw. Massenparteien hat die ArbeiterInnenklasse heute in den wenigsten Ländern. In den 1980er und 1990er Jahren ist der Verbürgerlichungsprozess der traditionellen Massenparteien der ArbeiterInnenklasse zu seinem Abschluss gekommen. Die verschiedenen Sozialdemokratischen Parteien wurden zu vollständig bürgerlichen Parteien (in einigen Fällen wie der DS in Italien und der VP in Schweden gilt das auch für ehemalige KPn), die nicht mehr als VerteidigerInnen der Interessen der ArbeiterInnenklasse agierten. Die ArbeiterInnen haben die sozialdemokratischen und auch viele ehemalige stalinistische Parteien im Gegensatz zu früher nicht mehr als ihre Parteien im Kampf für Verbesserungen gesehen. Die Kämpfe, die stattfanden/finden haben sich deswegen auch nicht mehr in ihnen widergespiegelt. Blair, Schröder&Co haben gezeigt, dass die Kämpfe nicht nur ohne diese ehemaligen Parteien der ArbeiterInnenklasse statt, sondern sogar gegen sie. Das Vakuum, das sie zurückgelassen haben, konnte in den meisten Fällen nicht gefüllt werden. Heute hat die ArbeiterInnenklasse daher in den meisten Ländern keine eigene Partei die ihre Interessen verteidigt. Dies gilt auch für Österreich. Die SPÖ, selbst wenn sie zeitweise versucht ein bisschen „links zu blinken“,(bzw. manche so tun, als ob sie es täte) agiert im Interesse der Unternehmen und wird von immer weniger ArbeiterInnen als „ihre“ Partei gesehen. Das Fehlen einer solchen Partei aber macht die Durchsetzung der geplanten Angriffe von Seiten des Kapitals aber um so leichter.
4. Seit Mitte der 1990er Jahre wird der Wunsch nach einer neuen linken Kraft lauter. Meist ist noch unscharf, was darunter zu verstehen ist und wie eine solche neue Kraft aussehen soll. Welches Programm, welche Strukturen, welche Methoden soll sie haben? Klar ist aber der Wunsch nach „etwas Neuem“. Häufig wird auch der Wunsch betont, die Spaltungen in „der Linken“ zu überwinden, und gemeinsam dieses „Neue“ aufzubauen. Das CWI ist, weil wir den veränderten Charakters der Sozialdemokratie analysiert haben, von Anfang an Teil dieses Prozesses gewesen. Wir haben die Notwendigkeit des Aufbaus nicht nur allgemein einer neuen „Linken“ sondern im besonderen einer neuen Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche schon länger betont. Wir waren und sind immer offen für die Zusammenarbeit mit anderen linken Strukturen. Wir meinen aber auch, dass es dafür eine gemeinsame politische Grundlage geben muss, die über den Wunsch nach „Einheit“ hinausgeht, da eine solche Einheit sonst nur die Grundlage für weiter Spaltungen legen würde.
5. Es ist wichtig, die verschiedenen linken Projekte – Bündnisse, neue Formationen etc. – in Österreich und international zu bilanzieren (obwohl in Österreich kaum Erfahrungen vorhanden sind). Wir müssen aus den Fehlern lernen und Schlüsse für den Prozess in Österreich ziehen. Denn leider reicht der Wunsch nach einer neuen linken Kraft noch nicht, und leider können gescheiterte Projekte die Entwicklung um Jahre zurückwerfen. Durch die kommenden Nationalratswahlen (wahrscheinlich Herbst 2006) hat diese Frage besondere Aktualität bekommen.
Die ArbeiterInnenklasse braucht eine politische Vertretung – gerade in Zeiten des Neoliberalismus
6. Offiziell befindet sich die Weltwirtschaft in einer Wachstumsphase. Gleichzeitig verschlechtert sich die soziale Situation von immer größeren Teilen der ArbeiterInnenklasse und sinken ihre Zukunftsperspektiven. Die Angriffe auf Lebensstandard und Rechte der breiten Schicht der Bevölkerung werden immer aggressiver. Besonders betroffen sind davon v.a. alle die Mitte Dreißig sind und jünger. Das sind Generationen, denen es schlechter geht als ihren Eltern, bei deren Zukunftschancen ständig gekürzt wird und die die Perspektive haben, ohne soziale Absicherung älter zu werden.
7. Im Bildungs- und Gesundheitswesen wird das – immer bestehende– Zwei-Klassen-System weiter verschärft. Es werden Selbstbehalte eingeführt bzw. erhöht und bei der Leistung für die Masse gekürzt. Ohne private Zusatzversicherung ist eine umfassende Gesundheitsversorgung nicht mehr möglich, ohne Geld für Nachhilfe und Studiengebühren bleibt die Bildung auf der Strecke.
8. Arbeitslosigkeit ist heute wieder ein Massenphänomen. Der momentane „Aufschwung“ ist mit dem Abbau von Beschäftigten verbunden. Die Ankündigung von Stellenkürzungen führt zu höheren Aktienkursen – eine Tatsache die den unmenschlichen Charakter des Kapitalismus sehr offensichtlich macht. Gleichzeitig wird der Druck auf Arbeitslose erhöht auch die miesesten Jobs anzunehmen. Dies führt zu einer Vernichtung von gut bezahlten und sozial abgesicherten Jobs die durch unqualifizierte, prekäre und schlecht bezahlte Jobs ohne soziale Absicherung ersetzt werden. Durch die Kürzungen bei den Arbeitslosenbezügen und dem Druck, schlechter bezahlte Jobs anzunehmen, wird Arbeitslosigkeit zur Armutsfalle.
9. Unter den Schlagwörtern „Überalterung der Gesellschaft“ oder „Alterspyramide“ und „Generationenvertrag“ kommt es in einer Reihe von Staaten zu einer Zerschlagung des staatlichen Pensionssystems. Von staatlicher Seite gefördert und beworben sollen ArbeiterInnen künftig noch zusätzlich in private Pensionsversicherungen einzahlen, um dann in der Praxis trotzdem weniger Pension als vorher zu bekommen. Abgesehen davon, dass diese neue, profitabel Einnahmequellen und billige Kredite für Kapitalisten darstellen (die sie aufgrund der Krise des Kapitalismus dringend brauchen), sind sie sehr unsicher. Immer wieder sind Pensionsfonds zusammengebrochen bzw. nur durch staatliche Stützung gerettet worden. Die privaten Pensionsvesicherungen spekulieren und verlieren dabei immer wieder – die Leidtragenden sind dabei die ArbeiterInnen, deren Geld auf einen Schlag empfindlich zusammenschrumpft. Beispiele dafür gibt es zunehmend ebenso wie für die Streichung von vertraglich fixierten Firmenpensionen. Verschärft werden die Angriffe noch durch die Anhebung des Pensionsalters – was angesichts von ohnehin hoher Arbeitslosigkeit dieses Problem noch vergrößert. Alt sein wird zum Kostenfaktor, für den man/frau sich offensichtlich schämen soll.
10. Diese Angriffe werden teilweise von den einzelnen nationalstaatlichen Regierungen, teilweise gemeinsam durch die EU-Institutionen durchgeführt. PolitikerInnen sind hierbei der verlängerte Arm und die willigen DienerInnen der Interessen der KapitalistInnen. Die Angriffe spiegeln die Schwäche des momentanen „Wachstums“ wieder. Die wachsende internationale Konkurrenz (verstärkt durch boomende chinesische Konsumgüterindustrie) bei gleichzeitig sinkender Kaufkraft (durch steigende Energiekosten sowie Arbeitslosigkeit und Reallohnsenkungen) macht diese Angriffe aus Sicht der KapitalistInnen notwendig. Sie versuchen, die Arbeitskosten weiter zu senken bzw. die Gewinne zu erhöhen (dazu gehört auch die Reduzierung der Steuern die sie immer weniger zahlen) um einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz zu haben. Obwohl das für sie notwendig ist, untergräbt genau das aber ihre KäuferInnenbasis, da die ArbeiterInnenklasse immer weniger Geld hat, um die von ihr produzierten Waren zu kaufen. Hier setzen manche KritikerInnen an und setzen sich für eine keynsianisch geprägte Wirtschaftspolitik ein. D.h. sie fordern eine Ankurbelung der Massenkaufkraft bzw. staatliche Investitionen zur Ankurbelung der Wirtschaft. Diese Konzepte übersehen aber den Grundwiderspruch im Kapitalismus der daraus resultiert, das die ArbeiterInnenklasse niemals die von ihr geschaffenen Werte ausbezahlt bekommt. Die grundsätzliche Probleme des Kapitalismus können weder mit einer neoliberalen noch mit einer keynsianischen Wirtschaftspolitik gelöst werden. Der momentane Zustand kann noch einige Zeit anhalten, u.a. weil er durch eine wachsende Verschuldung der Staaten und der ArbeiterInnenklasse überdeckt wird. Auf Dauer kann dieser Aufschwung auf Pump aber nicht fortbestehen.
11. Die Angriffe auf die ArbeiterInnenklasse sind schon jetzt enorm aggressiv – im Zuge einer kommenden Wirtschaftskrise werden diese aber noch weiter intensiviert. Nichts, was für uns „selbstverständlich“ ist, bleibt dann verschont: Urlaubs- und Weihnachtsgeld, bezahlter Urlaub, bezahlter Krankenstand, Arbeitslosengeld, kostenloser Schulbesuch,...die jetzigen Angriffe geben leider erst einen Vorgeschmack auf das Kommende!
Die Krise des Kapitalismus zwingt ihn zu immer härteren Angriffen auf die ArbeiterInnenklasse. Die Angriffe der KapitalistInnen auf den Lebensstandard und die Rechte der ArbeiterInnenklasse werden immer aggressiver.
Der Verbürgerlichungsprozess der Sozialdemokratie
12. Rund 100 Jahre war die Sozialdemokratie DIE der österreichischen ArbeiterInnenklasse. Für den größten Teil des 20. Jahrhunderts war sie eine bürgerliche ArbeiterInnenpartei (also eine Partei die zwar eine bürgerliche Führung, aber eine proletarische Basis hatte und in der sich wegen dieser Basis die Bewegungen und Stimmungen der ArbeiterInnenklasse widergespiegelt haben). Schon Anfang des 20igsten Jahrhunderts versuchte sie sich mit dem Kapital zu arrangieren , die vollständige Integration ins System erfolgte mit der 2. Republik. Trotzdem wurde die Sozialdemokratie damals von der ArbeiterInnenklasse als IHRE Partei gesehen.
13. Das hat sich in der letzten Periode verändert. Der Charakter einer Partei ist von einer Reihe von Faktoren bestimmt, die in ihrer Gesamtheit, ihrer Wechselwirkung und in ihrer Entwicklung betrachtet werden müssen. Berücksichtigt werden muss Geschichte und Tradition, ihr Programm, ihre Politik, ihre Mitglieder-, FunktionärInnen- und WählerInnenbasis, ihre Verbindung zu den Gewerkschaften und nicht zuletzt, wie sie von der ArbeiterInnenklasse selbst gesehen .
14. Seit Ende der 70er Jahre wurden die ökonomische Spielräume für Zugeständnisse an die ArbeiterInnen enger und kam es zu Umverteilung von unten nach oben. Die SPÖ war – auch wegen des Wegfallens einer Systemalternative durch den Zusammenbruch der stalinistischen Staaten - in den 80ern und 90ern treibende Kraft neoliberaler Politik.
15. Das Ergebnis ist, dass sich ArbeiterInnen und Jugendliche von der SPÖ abgewendet haben und ein wachsender Teil sie nicht mehr als IHRE Partei sieht. Ein weiterer Unterschied ist das Fehlen einer relevanten, organisierten Parteilinken die in der Vergangenheit Attraktionspool für kämpferische ArbeiterInnen war. Die Mitgliederbasis der SPÖ schrumpft ständig und hat sich seit den 70er Jahren mehr als halbiert, die Sektionen sind überaltet bzw. nicht mehr existent. Es kam auch zu einer Veränderung der Mitglieder- bzw. FunktionärInnenstruktur. Beispielsweise sind Mitte der 80er Jahre in Österreich im Zuge der Verstaatlichtenkrise und dem Beginn von Arbeitsplatzabbau und Privatisierungspolitik durch die SPÖ-Regierung bei der VOEST und wenig später auch bei der AMAG Mitglieder zu Hunderten aus der SPÖ ausgetreten. Aber es gibt in diesen Betrieben immer noch Sektionen, die nach wie vor einige Hundert Mitglieder haben. Allerdings spielen die Sektionen im Parteileben heute nicht mehr die politische Bedeutung wie in der Vergangenheit. Die sozialdemokratischen Parteien formten sich immer mehr zu Wahlkampfmaschinen, wo die Basisstrukturen (sofern sie noch vorhanden sind) zu bloßen Anhängseln verkommen sind. Und im Zuge der Integration in den Staatsapparat - die sozialdemokratischen Parteien stellen in vielen Ländern Europas Regierungen (oder haben sie gestellt) - hat die Sozialdemokratie Teile der Staatsbürokratie und Manager staatsnaher Betriebe und Banken angezogen. Diese - und auch die Logik des kapitalistischen Sachzwangs mangels sozialistischer Perspektive - üben heute den bestimmenden Einfluss auf die sozialdemokratische Politikausrichtung aus, was auch zu einer Veränderung der politischen Methoden führte.
16. Das bedeutet nicht, dass es in der Sozialdemokratie keine SozialistInnen, oder keine ArbeiterInnen mehr gibt. Nicht zuletzt der Sozialistischen Jugend (SJ) ist es nach einer tiefen Krise in den 90er Jahren (die auf unsere damaligen Ausschlüsse folgte) gelungen, wieder eine gewisse Basis aufzubauen. Viele dieser Jugendlichen verstehen sich als SozialistInnen, manche sogar als RevolutionärInnen. Dieser Wiederaufbau hat im wesentlichen zwei Ursachen: Einerseits arbeiten bewusste Linke in der SJ um diese aufzubauen (Funke, Stamokap...). Andererseits gibt die Schwäche der restlichen Linken der SJ die Möglichkeit v.a. auf der Basis ihrer finanziellen Ressourcen Jugendliche zur Arbeit in der SJ zu gewinnen. Gefahr für die Führung der SPÖ bzw. den Kurs der SPÖ geht von der SJ allerdings keine aus: meist beschränken sie sich freiwillig im Rahmen der Realpolitik (auch aus Angst vor Ausschlüssen), verteidigen die Politik der SPÖ-Führung oder hoffen auf eine künftige Linksentwicklung. In unseren Diskussionen mit der Funke-Gruppe weisen wir darauf hin, dass sie mit ihrer politischen Selbstbeschränkung das Politikverständnis, das sie selber propagieren - bürgerliche Politik der SP-Führung, Unreformierbarkeit der Sozialdemokratie, revolutionär-sozialistische Perspektive etc. - immer wieder selber mit Füßen treten und dass stattdessen nur ein offensives Auftreten einschließlich der Organisierung innerparteilichen Widerstandes gegen die neoliberale Politik der Partei - auch mit dem Inkaufnehmen eines drohenden Parteiausschlusses - dem Klassenkampf in Österreich weiterhilft. Für den Fall eines tatsächlichen Parteiausschlusses bieten wir ihnen an, auf Basis einer gemeinsamen politischen Grundlage eine gemeinsame politische Praxis zu entwickeln.
17. Diese Veränderung der SPÖ ist insofern nicht abgeschlossen, als sich nach wie vor ArbeiterInnen in ihr befinden und auf diese orientieren (sie als das “kleinere Übel” sehen). Er ist insofern abgeschlossen, als die Richtung der Entwicklung eindeutig ist und ein “back to the roots” nicht zuletzt wegen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unwahrscheinlich ist. Es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen Wahlergebnis und tatsächliche Unterstützung. D.h. auch wenn die SPÖ wieder Wahlen gewinnt, bedeutet das nicht, dass sie wieder die Partei der ArbeiterInnenklasse wird und von dieser als solche gesehen wird. Klassenkämpfe und soziale Bewegungen spiegeln sich nicht mehr in der SPÖ wieder und sie selbst steht aufgrund ihrer neoliberalen Politik auch im Zentrum der Auseinandersetzungen. Die einst organische Verbindung zwischen Klasse und Partei existiert so nicht mehr – sie wird teilweise noch gewählt, das war es aber auch.
In den 1980er und 1990er Jahren hat sich die SPÖ zu einer völlig verbürgerlichten Partei entwickelt – die drückt sich nicht nur in ihrer Politik aus, sondern v.a. darin, dass sie von ArbeiterInnen immer weniger als ihre Partei sondern bestenfalls als „kleineres Übel“ gesehen wird.
Die ArbeiterInnenklasse ist ohne politische Vertretung
18. Die Angriffe auf den Lebensstandard der ArbeiterInnenklasse bergen das Potential für Widerstand in sich. Schon in den letzten Jahren gab es international eine Zunahme von Klassenkämpfen, bis hin zu einer Reihe von Generalstreiks in Belgien, Griechenland, Italien... Auch die Streiks 2003 gegen den Pensionsraub waren de facto Generalstreiks und haben die „streikfreie“ Zeit seit den 70er Jahren beendet. Rund ein Drittel der Beschäftigten hat damals gestreikt – in den meisten Ländern gilt das bereits als Generalstreik, weil die Wirtschaft und der Verkehr weitgehend lahmgelegt ist. Der ÖGB hat den Begriff aber ganz bewusst nicht verwendet: auch weil er ÖGB dann ganz konkrete Forderung hätte aufstellen müssen und die Gewerkschaftsführung vor den Konsequenzen Angst hatte.
19. Bei den Klassenkämpfen zeigte sich aber auch Schwäche bzw. das Fehlen der Führung. Die Gewerkschaftsführung, die sich in Österreich noch weitgehend an die verbürgerliche Sozialdemokratie hängt, steckt in der Logik des Kapitalismus fest. Auch wenn sie natürlich sieht, wie die Angriffe die Situation der ArbeiterInnenklasse verschlechtern hat sie doch keine wirklichen Antworten und Lösungen parat, weil – von einem kapitalistischen Standpunkt aus gesehen – diese Maßnahmen durchaus Sinn machen.
20. Auf der politischen Ebene hat die ArbeiterInnenklasse heute keine Vertretung mehr. Wen sollen ArbeiterInnen in Österreich (und den meisten anderen Ländern) wählen? Dass ÖVP und BZÖ für radikalen Neoliberalismus stehen ist offensichtlich. Die FPÖ versucht sich zwar wieder als „sozial“ zu präsentieren, aber ihre Praxis als Regierungspartei und ihr Programm – in dem sie klar gegen z.B. Gewerkschaften und für Privatisierung eintritt – spricht eine andere Sprache. Die Grünen hatten lange ein „linkes“ Image. Heute werden sie allerdings als „normale“ Partei gesehen. Sie haben zwar in einigen sozialen Frage brauchbare Forderungen, in der Koalition mit der ÖVP in Oberösterreich und auch in den Aussagen ihrer Parteiführung (Van der Bellen, Vassilakou) kommt aber eine starke Orientierung an den Bedürfnissen der Wirtschaft durch.
21. Die SPÖ ist heute völlig verbürgerlicht und wird von immer weniger ArbeiterInnen als „ihre“ Partei gesehen. Daran ändert auch die Dominanz der FSG im ÖGB nichts. An der Macht war die SPÖ in den 80er und 90er Jahren die treibende Kraft bei Privatisierung und Sozialabbau. Auch heute setzt sie – wo sie an der Macht ist – diese Politik fort. Gusenbauer versucht zwar manchmal, sich als „Linker“ zu präsentieren (wobei das im Gegensatz zu „Staatsmann Gusenbauer“ und zum „Freund der Wirtschaft Gusenbauer“ eher die Seltenheit ist) – nur nimmt ihm das kaum jemand ab. Die Wahlerfolge der SPÖ – die allerdings angesichts der katastrophalen Politik der Bundesregierung alles andere als fulminant sind (2002 ging die ÖVP wegen der Tatsache, dass die SPÖ eben nicht als Alternative gesehen wurde, als strahlende Siegerin aus der Wahl!) – wurzeln nicht in einer Begeisterung für die SPÖ, sondern in einer Ablehnung der anderen Parteien. Die SPÖ wird in der Regel als „kleineres Übel“ gewählt.
22. Ohne politische Vertretung laufen die meisten Kämpfe aber ins Lehre, werden sie ohne Perspektive und ohne Alternative – sowohl was die Frage einer „anderen Regierung“ als auch einer „anderen Gesellschaft“ angeht – geführt. Das Fehlen einer Partei der ArbeiterInnenklasse und der Jugendlichen ist ein massives Problem der österreichischen ArbeiterInnenklasse. Sie die Hauptursache dafür, dass die KapitalistInnen ihre Pläne weitgehend umsetzen können und das rechte PopulistInnen wie Haider und Strache dieses Vakuum mit ihren rassistischen Ideen zumindest teilweise füllen können.
Ohne eine politische Partei können die Angriffe des Kapitals auf die ArbeiterInnenklasse nicht zurückgeschlagen werden. Aber seit der Verbürgerlichung der Sozialdemokratie steht die ArbeiterInnenklasse ohne politische Vertretung da.
Eine kurze Bilanz einiger Projekte im Neuformierungsprozess der Linken
23. Wegen der Verbürgerlichung der Sozialdemokratie und der objektiven Notwendigkeit einer neuen politischen Vertretung der ArbeiterInnenklasse ist es in der letzten Periode in einer Reihe von Staaten zu Zusammenschlüssen, Bündnissen, Neugründungen etc. auf der Linken gekommen. Es gibt dauerhafte Wahlbündnisse wie den Linksblock in Portugal. Es gibt die „Sozialdemokratisierungen“ und damit Verbürgerlichung von ehemaligen stalinistischen Parteien wie der Linkspartei (VP) in Schweden, der Ex-KP (DS) in Italien und der PDS in Deutschland. Es gibt die Neuformierung von linken Parteien wie die PRC in Italien, die nach der Krise der politischen Parteien, v.a. auch der PCI (KP-Italien) Anfang der 90er Jahre neu gegründet wurde. Bei der Gründung der PSOL in Brasilien und der SSP in Schottland haben trotzkistische bzw. revolutionäre Organisationen eine wichtige Rolle gespielt. Es gibt Zusammenschlüsse zwischen verschiedenen Parteien der radikalen Linken mit anderen Kräften der „Zivilgesellschaft“ wie die Sozialistischen Allianzen bzw. Respect in England & Wales bzw. Australien. Und es gibt durch Abspaltungen aus der Sozialdemokratie bzw. v.a. der Gewerkschaft entstandene Formationen wie die WASG in Deutschland.
24. Einige dieser Projekte haben beachtliche Wahlerfolge erzielen können, manche sind auf unterschiedlicher Ebene auch in Regierungspositionen stecken geblieben. Viele haben nach einer anfänglichen Dynamik wieder an Schwung und auch an Unterstützung verloren, wenn sie die in sie gesetzten Hoffnungen enttäuscht haben. Das Komitee für eine ArbeiterInneninternationale (CWI), die internationale Organisation der SLP, hat diese (und andere) Projekte genau beobachtet und spielt(e) in einigen davon auch eine wichtige Rolle. Die Einschätzung dieser Projekte und der Rolle von MarxistInnen in diesen führte zu teilweise harten politischen Debatten in den Reihen des CWI und auch zu Spaltungen. Es geht hier nicht darum, diese Projekte „schlecht zu machen“, aber für die künftige Entwicklung ist eine Analyse der Schwächen und Fehler aber auch der Erfolge und Chancen notwendig. Hier kann dies natürlich nur Auszugsweise erfolgen, mehr findet sich in den Materialen des CWI bzw. seiner verschiedenen Sektionen.
25. Die WASG (Wahlalternative - Arbeit und soziale Gerechtigkeit) in Deutschland wurde im Juni 2004 von GewerkschaftsfunktionärInnen, ehemaligen SPD-Mitglieder und ehemaligen PDS-Mitglieder gegründet. Wichtig für die Gründung waren auch die großen Proteste gegen die Einführung von Hartz IV und anderen Angriffen der „rot“-grünen Regierung. Die Tatsache, dass viele der GründerInnen der WASG aus dem mittleren FunktionärInnenebene von ver.di und der IG Metall (zwei der wichtigsten deutschen Einzelgewerkschaften) stammen, deutet den Beginn des Bruchs der Gewerkschaften mit der SPD an. Bei den Landtagswahlen im größten deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen am 22.5.2005 erzielte die WASG bei ihrem ersten Antreten mit 181.988 Stimmen 2,2% der Stimmen. Das Eintreten von Oskar Lafontaine gab noch stärkere Bekanntheit aber auch den Druck in Richtung Fusion mit der PDS. Es kam zu einer Kandidatur von WASG-KandidatInnen auf der Liste der in „Linkspartei.PDS“ umbenannten PDS und zum Einzug von insgesamt 54 Abgeordneten (bei 8,7 %) in den deutschen Bundestag. Der Druck in Richtung Fusion hat sich seither verstärkt.
26. Eine nähere Betrachtung der Entwicklung der PDS macht allerdings deutlich, wo die Probleme liegen. Die PDS (heute Linkspartei.PDS) ist die Nachfolgepartei der ehemaligen SED, der stalinistischen Staatspartei der DDR. Sie hat sich seit Anfang der 90er Jahre selbst von den sozialistisch gefärbten Inhalten (die aber v.a. hohle Phrasen waren) weitgehend verabschiedet und bekennt sich heute zur Marktwirtschaft, d.h. zum Kapitalismus. In der Praxis beteiligt sich die PDS überall wo sie an der Macht ist, an Sozialabbau. Am deutlichsten wird dies in Berlin, wo sie seit 2001 in einer Koalition mit der SPD den öffentlichen Bediensteten in Berlin Lohnkürzungen von bis zu 25% aufdrückt und an der Privatisierungspolitik beteiligt ist, Hartz IV mit allen Grauslichkeiten voll umsetzt und als Arbeitgeber für die öffentlich Bediensteten den Kollektivvertrag aufkündigte. Im Westen konnte die PDS niemals eine relevante Unterstützung erlangen, das liegt daran, dass sie niemals wirklich mit ihrer stalinistischen Vergangenheit gebrochen hat und auch keine treibende Kraft in Klassenkämpfen war. Die PDS ist also keine „linke“ Protestpartei, sie führt überall wo sie an der Macht ist (d.h. in Ostdeutschland) neoliberale Politik auf dem Rücken von ArbeiterInnen und Jugendlichen durch.“
27. Eine Fusion mit der Linkspartei.PDS würde unter diesen Bedingungen nicht zu jener neuen ArbeiterInnenmassenpartei führen, die eigentlich notwendig ist. Sie wäre zwar „größer“, aber gleichzeitig würde sie durch ihre praktische Politik (und die schon bestehenden Erfahrungen mit der Politik der PDS) viele ArbeiterInnen und Jugendliche abschrecken bzw. von sich stoßen. Das schließt nicht aus, das eine solche fusionierte Partei auf Wahlebene Erfolge erzielen könnte und auch für eine gewisse Zeit (v.a. falls die Linkspartei.PDS nicht mehr an Regierungen beteiligt wäre) ein Anziehungspunkt wäre. Aufgrund der Position von Lafontaine, der die Linkspartei.PDS auch mal von links kritisiert, aber auch weil sie eine gewisse Haltelinie zu neoliberaler Politik formuliert (wenn auch keine offensive Politik) könnte sie doch für eine gewisse Zeit der parlamentarische Arm auch kommender Bewegungen sein.
28. Die PSOL in Brasilien wurde als Ergebnis des raschen Rechtsrucks ihres Vorsitzenden, des brasilianischen Präsidenten Lula, und seiner PT gegründet. Die PT selbst hat kämpferische Wurzeln, hat sich aber schon vor Übernahme von Regierungsfunktionen von diesen verabschiedet. Die Hoffnungen – u.a. der starken Landlosenbewegung, die eine wichtige Basis der PT war – wurden rasch enttäuscht, Lula orientiert sich in seiner Politik an den Interessen von IWF, Weltbank und den USA. Im Juni 2004 kam es als Folge der Rechtsrucks und des undemokratischen Umganges in der PT, die linke KritikerInnen hinausdrängte, zur Gründung der PSOL, der Partei für Sozialismus und Freiheit. Mehrere, v.a. trotzkistische, Organisationen setzten auf der Basis der Proteste gegen die PT-Politik die Initiative für die Gründung. Mitglieder des CWI haben hier v.a. in Sao Paulo eine wichtige Rolle gespielt. Ein wichtiger Faktor für das Gelingen war, dass sich einige bekannte linke PT-Abgeordnete daran beteiligten. Die PSOL hat ein sozialistisches Programm, das wohl von allen neuen Formationen am klarsten für die Überwindung des Kapitalismus steht. Aufgrund der undemokratischen Strukturen des brasilianischen Staates war die Arbeit der PSOL 2005 v.a. auf das Aufbringen von Unterschriften zur Registrierung für die kommenden Wahlen konzentriert, was die Gefahr birgt, die Partei insgesamt zu stark auf Wahlen zu orientieren.
29. Die „Socialist Alliances“ bzw. Respect in England & Wales bzw. in Australien, haben ein bestechendes Konzept: verschiedene linke Gruppen schließen sich teilweise mit anderen Strukturen bzw. prominenten „Linken“ zu einem Wahlbündnis zusammen. Sektionen des CWI haben z.B. in England&Wales sogar die Initiative für die dortige Socialist Alliance gesetzt (sie aber nach der bürokratischen Übernahme durch die SWP - in Österreich: Linkswende verlassen). Wir haben immer betont, das solche Bündnisse Strukturen brauchen, die offen sind für Organisationen ebenso wie für Einzelpersonen. Wir haben uns in diesen Bündnissen auch immer für ein sozialistisches Programm eingesetzt. Heute werden diese Projekte u.a. von Gruppen wie der SWP dominiert, sie haben die dezentralistischen Strukturen geändert und als Folge hat die Socialist Alliance auch an Unterstützung verloren. Die SWP hat diesen Projekt in Folge auch für ihr nächstes Projekt – Respekt – beendet. Die SWP verfolgen ein völlig anderes Konzept als wir, sie stehen für starre Strukturen die den lebendigen Prozess abtöten und haben – im Fall von Respect – ein sozialistisches Programm durch eine unkritische Anbiederung an den islamischen Fundamentalismus ersetzt (gemeint ist hier nicht die Zurückweisung von Angriffen auf Moslems/Muslima und die Verteidigung ihrer Rechte, sondern die unkritische Unterstützung bzw. stille Akzeptanz von z.B. SelbstmordattentäterInnen und reaktionärer Traditionen wie Homophobie, die Ablehnung von Abtreibung etc.). Die Wahlergebnisse dieser Bündnisse sind in den meisten Fällen schwach, die Erfolge sind auf eine bekannte Führungsfigur – wie z.B. George Galloway – zurückzuführen. Die Strukturen selbst sind aber keineswegs attraktiv für ArbeiterInnen und Jugendliche und können das durch den Verbürgerlichungsprozess der traditionellen ArbeiterInnenorganisationen entstanden Vakuum nicht füllen.
30. 1999 wurde die Scottish Socialist Party (SSP) gegründet. Es handelt sich um eine breitere, linke Partei, die von revolutionären SozialistInnen gegründet wurde. Vor der Gründung gab es intensive Debatten im CWI, da die Mehrheit des CWI die Gründung einer breiteren Partei durch eine revolutionäre Organisation in dieser Situation für eine Abkürzung verstand, die nicht zum Ziel führen würde Das CWI betonte, dass die Aufrechterhaltung eines revolutionären, organisierten Kerns notwendig ist, um sicher zu stellen, dass die SSP zu einer Kampforganisation der schottischen ArbeiterInnen aufgebaut wird und nicht zu einer reformistischen Partei wird. Da es diesen bewussten Zugang in der SSP-Führung nicht gab, wurde das Programm der SSP rasch verwässert, zunehmend von schottischem Nationalismus dominiert, auf eine „gemischte Wirtschaft“ ausgerichtet und kommt es in der jüngeren Vergangenheit zu persönlichen Machtkämpfen in der SSP-Führung.
31. Die Entwicklung dieser neueren Formationen verläuft nicht geradlinig, sie verändern sich und ihre Rolle immer wieder. Die italienische PRC wird sich eventuell an der nächsten Mitte-Links-Regierung in Italien beteiligen (unter dem gar nicht linken Prodi), aber die Frage ist auch hier: wie lange? In der PSOL führt der Übertritt von mehreren PT-ParlamentarierInnen zwar zu erhöhter Bekanntheit, erhöht aber auch den Druck für einen angepassteren Kurs, worüber es in der Führung heftige Debatten gibt. Ein schlechtes Abschneiden bei Wahlen kann für solche Parteien massive, ev. letale, Rückschläge bringen, wenn die politische und organisatorische Basis dünn ist. Die SSP z.B. könnte nach einem schlechten Abschneiden bei kommenden Wahlen als relevanter Faktor der schottischen Politik verschwinden. Diese Parteien sind wichtige Schritte im Prozess des Aufbaus einer neuen Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche, sie können eine kurzfristige Erscheinung sein oder ein künftiger Bestandteil. Wie diese Rolle letztlich sein wird, hängt v.a. von der objektiven Entwicklung und der Stärke der revolutionären Kräfte in diesem Prozess sein.
32. All diese (und andere, für die hier kein Platz ist) Projekte bergen einen reichen Erfahrungsschatz, aus dem wir lernen müssen. Es gilt Schlussfolgerungen dafür zu ziehen, wie eine solche neue Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche aufgebaut sein muss, welches Programm sie hat und wie sie entstehen kann. Die obigen Beispiele zeigen die Rolle von Promis, die aber kein Ersatz für eine aktive Parteibasis sein können. Sie zeigen, dass ein abgemildertes Programm vielleicht mehr WählerInnenstimmen bringen kann (wobei auch das keineswegs sicher ist), aber keine Basis ist, um eine kämpferische, aktive Partei aufzubauen. Sie zeigen, dass zu enge Strukturen im Aufbauprozess einer solchen neuen Kraft tödlich sein können.
33. Eine wichtige Erfahrung ist auch, dass einerseits der Wunsch, nach einer neuen politischen Kraft alleine nicht reicht, um eine solche aufzubauen, sondern das auch die Rahmenbedingungen dafür reif sein müssen. Das aber andererseits die Zeit drängt und fehlgeschlagene Versuche den Prozess verzögern können, was die ArbeiterInnenbewegung schwächt. Es ist darum besonders wichtig, mit neuen Projekten nicht fahrlässig umzugehen, nach dem Motto „klappts diesmal nicht, dann vielleicht beim nächsten Mal“.
Es gab in verschiedenen Ländern unterschiedliche Projekte von denen wir lernen können. Sie zeigen die Rolle von Promis, die aber kein Ersatz für eine aktive Parteibasis sein können. Sie zeigen, dass ein abgemildertes Programm vielleicht mehr WählerInnenstimmen bringen kann aber keine Basis ist, um eine kämpferische, aktive Partei aufzubauen. Sie zeigen, dass zu enge Strukturen im Aufbauprozess einer solchen neuen Kraft tödlich sein können. Sie zeigen das auch die Rahmenbedingungen reif sein müssen.
Wie soll eine solche neue Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche aussehen?
34. Eine neue Partei kann nicht fertig von einer Gruppe „weiser AnführerInnen“ aus dem Boden gestampft werden. Ihre Entstehung ist ein Prozess, der natürlich von Personen/Organisationen angestoßen werden kann. Damit ein solches Anstoßen aber auf fruchtbaren Boden fällt, muss der Boden fruchtbar sein, d.h., dass die Rahmenbedingungen dafür reif sein müssen. Es braucht eine Schicht von kämpferischen ArbeiterInnen, BetriebsrätInnen, GewerkschafterInnen, die sich in einen solchen Prozess einbringen. Menschen, die über das Spektrum der existierenden organisierten Linken hinausgehen. Diese kämpferische Schicht ist nicht einfach da und wird auch nicht einzig durch gute Argumente gewonnen werden, sondern zieht die Schlussfolgerung für die Notwendigkeit des Aufbaus einer solchen neuen Partei als Ergebnis von konkreten Erfahrungen mit Angriffen auf die ArbeiterInnenklasse und der Gegenwehr dagegen. Klassenkämpfe – Demonstrationen, Streiks, breitere Bewegungen etc. – sind eine notwendige Grundlage, für die Entwicklung einer solchen neuen Partei.
35. In einer solchen neuen Partei sollen Einzelpersonen genauso mitarbeiten, wie schon existierende Organisationen. Die Strukturen müssen darauf Rücksicht nehmen und beiden die Möglichkeit geben, sich demokratisch einzubringen. Nicht sinnvoll ist, wenn die Mitglieder politischer Organisationen in einer pseudo-Basisdemokratie alle anderen Niederstimmen um die neue Partei völlig zu dominieren. Ebenso wenig sinnvoll ist es aber auch, wenn Organisationen an sich abgelehnt bzw. gezwungen werden, sich als Bedingung für eine Teilnahme an einem solchen neuen Projekt aufzulösen. In demokratisches Miteinander von Einzelpersonen und Organisationen ist v.a. in der Anfangsphase notwendig, das kann auch Fraktions- und Tendenzrechte sowie starke Minderheitenrechte beinhalten.
36. Die Angriffe der Herrschenden finden auf verschiedenen Ebenen statt – Kürzungen von Sozialleistungen, Verschlechterungen bei Arbeitszeit und Löhnen, Abbau von demokratischen Rechten. Sie alle haben aber letztlich ein Ziel: die Bedingungen für das Kapital zu verbessern und profitabler Produzieren zu können. Gewinne stehen im Mittelpunkt dieser Politik. Natürlich sind davon verschiedene Bevölkerungsschichten betroffen, aber die Hauptleidtragenden ist die ArbeiterInnenklasse. (Unter ArbeiterIn ist hier nicht nur der männliche Industriearbeiter gemeint, sondern alle Menschen, die „nichts zu verkaufen haben als ihre Arbeitskraft“, also Lohnabhängige.) Eine solche Partei muss sich daher auf eben diese ArbeiterInnenklasse orientieren – nicht in einer romantischen oder verklärenden Art, wie es manche stalinistischen Gruppen machen, sondern als die stärkste Kraft in der Gesellschaft, die eine Veränderung herbeiführen kann. Damit die Interessen zwischen Basis und Führung nicht auseinanderklaffen ist es notwendig zu verhindern, dass eine abgehobene, privilegierte Führungsschicht entsteht. Dies ist durch demokratische Kontrolle, jederzeitige Wähl- und Abwählbarkeit und einen durchschnittlichen Lebensstandard (d.h. sie verdient nicht mehr als die Menschen die sie vertreten soll) der Führung möglich.
37. Ein wichtiger Teil politischer Arbeit ist die Teilnahme an Wahlen. Viele solcher neuen Projekte werden u.a. mit dem Ziel gegründet, auf der Wahlebene eine Alternative zu den etablierten Parteien, die durchwegs für Neoliberalismus stehen, anzubieten. Die Teilnahme an Wahlen und das Erringen von Sitzen in Bezirks- und Gemeinderäten, in Landtagen und Parlamenten ist nicht grundlegend falsch. Eine Konzentration auf diese Arbeit birgt aber die Gefahr, die wesentlichen politischen Kämpfe an sich vorbei ziehen zu lassen. Politik wird eben nicht in erster Linie im Parlament gemacht, sondern auf der Strasse und in den Betrieben. Gerade kleine Partein stehen in Wahlen stets vor dem Problem, dass sie (und auch die WählerInnen) wissen, dass Mandate bzw. ein Wahlsieg unwahrscheinlich bzw. Ausgeschlossen sind. In dieser Situation ist es notwendig aufzuzeigen, wozu die Kandidatur dient: das eigene Programm aufzuzeigen, die Organisation aufzubauen und damit die Grundlage für künftige Kämpfe aber auch Wahlen zu legen. Natürlich kann und soll eine solche neue Partei ihre Mandate nutzen, um auf Probleme der ArbeiterInnenklasse hinzuweisen und existierende Kämpfe zu unterstützen, wie das z.B. der Abgeordnete der irischen Sektion des CWI, Joe Higgins, macht. V.a. aber muss eine solche neue Partei aktiver Teil von Klassenkämpfen und sozialen Bewegungen sein. Gerade das Fehlen einer Führung in solchen Bewegungen ist die Hauptursache für das Scheitern der Bewegungen. D.h. nicht, dass sich eine solche Partei hinstellen kann und sagt, „sehr her, wir sind eure Führung“. Sondern dass durch permanente Arbeit vor Ort, durch die Teilnahme an den existierenden Kämpfen und Bewegungen ein Vertrauen aufgebaut werden kann und diese neue Partei als zentrale Kraft im Kampf wahrgenommen wird. Es gibt hier eine Wechselwirkung: diese Kämpfe sind notwendig für den Aufbau einer solchen neuen Partei und eine solche neue Partei ist notwendig, um diese Kämpfe erfolgreich führen zu können. Die WASG ist u.a. entstanden als Folge der Bewegung gegen Hartz IV. Aber es war ein Fehler der WASG-Führung, sich nicht zentral in diese Bewegung einzubringen, sondern sogar teilweise dafür zu argumentieren, dass man sich aus Streiks raushalten müsse. Hätte die WASG von Anfang an eine Orientierung auf Klassenkämpfe gehabt, hätte sie das existierende Potential für eine neue linke Kraft weit besser ausschöpfen können und wäre heute gegenüber der PDS in einer weit besser Ausgangssituation.
38. In allen Kämpfen stellt sich die Frage nach Lösungen und Alternativen. Wir sind der Ansicht das es notwendig ist darauf hinzuweisen, dass der Kapitalismus an sich das Problem ist, und die anstehenden Probleme im Rahmen des Kapitalismus weder dauerhaft noch vollständig gelöst werden können. Das schließt den Kampf für Reformen nicht aus, bleibt aber dabei nicht stehen. In vielen dieser neuen Formationen wird gehofft, durch ein systemimmanentes Programm, dass den Kapitalismus an sich nicht in Frage stellt, eine größere Breite zu erzielen. Konkret wird auf die Wirksamkeit „keynesianischer“ Maßnahmen gehofft (also die Idee, das die Ankurbelung der Massenkaufkraft die Krise des Kapitalismus lösen könnte) und an Institutionen wie das EU-Parlament oder die UNO appelliert. Die Hoffnung auf diesen scheinbar einfacheren Weg ist verständlich. Die Vorschläge werden auch meist von „anerkannten“ Persönlichkeiten der Bewegung eingebracht (v.a. aus der Gewerkschaft), was ihnen zusätzliches Gewicht verleiht. Aber diese auf Lösungen im Rahmen des Kapitalismus, bei denen die Profitlogik nicht grundsätzlich in Frage gestellt wird, wo gehofft wird, das System könnte zu einem „humaneren“ verändert werden, haben sich immer wiederwieder als untauglich erwiesen. Ein „weniger radikales“ Programm führt also in der Praxis dazu, dass eben keine Lösungen angeboten werden können bzw. sogar die neoliberalen Konzepte zumindest teilweise akzeptiert werden, da sie im Rahmen des Kapitalismus durchaus ihre Logik haben. Trotzdem halten wir angesichts des neoliberalen Mainstreams schon ein reformistisches Programm, dass aus einer Sammlung von Forderungen auf der Basis des Kapitalismus beruht, für einen Fortschritt, da es Themen wie Arbeitszeitverkürzung, Verstaatlichung und Ausbau des Sozialstaates wieder auf die Tagesordnung bringt. Ein solches Programm reicht zwar unserer Ansicht nach nicht aus, und wir kämpfen im Rahmen einer solchen Partei für ein sozialistisches Programm. Aber das Fehlen eines fertigen, sozialistischen Programms ist für uns andererseits kein Grund, ein solches Projekt nicht zu unterstützen, wenn es einen Fortschritt auf dem Weg zum Aufbau einer solchen neuen Partei darstellt. Die CWI-Mitglieder in England&Wales und auch in Belgien führen zZt innerhalb der Gewerkschaften Kampagnen für eine neue Partei von ArbeiterInnen und Jugendlichen durch. Sie argumentieren für ein sozialistisches Programm einer solchen Partei, stellen dieses aber nicht als Bedingung. Im Vergleich dazu argumentiert Linksruck (dt. Schwesterorganisation der Linkswende), die innerhalb der WASG arbeitet, dass es “sektiererisch” wäre, für ein sozialistische Programm einzutreten.
39. Im Neuformierungsprozess kommt RevolutionärInnen bzw. MarxistInnen ein wichtige Rolle zu. Das zeigen die konkreten Erfahrungen z.B. in Deutschland, England&Wales und Belgien. Am 1.11.2003 fand in Berlin eine Demonstration mit 100.000 TeilnehmerInnen gegen Sozialabbau statt. Die deutsche Sektion des CWI, die SAV, hatte dafür massgeblich die Initiative gesetzt und schon länger eine Kampagne für eine solche Demonstration aber auch für den Aufbau einer neuen Partei von ArbeiterInnen und Jugendlichen durchgeführt. Diese Demonstration war ein wichtiger Anstoss für die spätere Gründung der WASG und wichtig für die Bewustseinsentwicklung in der ArbeiterInnenklasse. In Belgien und insbesondere in England&Wales haben die dortigen Sektionen des CWI (LSP bzw. Socialist Party) Initiativen innerhalb der Gewerkschaften für den Aufbau einer neuen ArbeiterInnenpartei gesetzt. In den verschiedenen Gewerkschaften gibt es Diskussionen über eine Trennung von den sozialdemokratischen „Mutterparteien“. Besonders in England&Wales ist dieser Prozess – an dem sich auch VertreterInnen der Gewerkschaftsführung beteiligen – schon fortgeschritten.
Eine neue Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche braucht offene, demokratische Strukturen. Sie muss sich als Partei von ArbeiterInnen und Jugendlichen verstehen die aktiv in Kämpfe eingreift bzw. diese führt. Und sie braucht ein sozialistisches Programm, um tatsächlich Lösungen zu den anstehenden Problemen bieten zu können.
Die Situation in Österreich
40. In Österreich hinkt die Entwicklung für eine neue Partei der ArbeiterInnen und Jugendlichen der internationalen Entwicklung hinterher. Ob wohl in den letzten Jahren mehr Menschen an Streiks beteiligt waren, als in den letzen Jahrzehnten, gibt es immer noch relativ wenig Erfahrungen mit diesem Kampfmittel. Hinzu kommt die Tradition der StellvertreterInnenpolitik, die von SPÖ und ÖGB (aber auch der KPÖ) jahrzehntelang gefahren wurde. Das führte zu einer traditionellen Schwäche linker Strukturen und unabhängiger gewerkschaftlicher und betrieblicher Organisierung. Als Folge haben große Teile der ArbeiterInnenklasse keine Erfahrung mit Klassenkämpfen und eigener, aktiver Beteiligung haben. Die ersten Erfahrungen haben viele 2003 gemacht, weitere werden in den kommenden Kämpfen gemacht werden.
41. Ein wichtiger Beitrag der SLP zum Neuformierungsprozess in Österreich ist unsere Arbeit in der Plattform für kämpferische und demokratische Gewerkschaften. Sie ist ein Angebot an ArbeitnehmerInnen und GewerkschafterInnen die für einen kämpferischeren Kurs des ÖGB eintreten. Und genau eine solche klassen-kämpferische Politik ist eine wichtige Voraussetzung für den Aufbau einer neuen Partei von ArbeiterInnen und Jugendlichen. Zur Zeit ist die Plattform noch eine relativ schwache Kraft. Das liegt neben subjektiven Schwächen der SLP (Ressourcenmangel) v.a. auch an der objektiven Situation. Mit einer kommenden SPÖ-Regierungsbeteiligung wird die Debatte innerhalb des ÖGB offener aufbrechen, und die Bürokratie zwischen einer Burgriedenpolitik mit der SPÖ und dem Druck der Basis gegen den Sozialabbau vorzugehen hin und hergerissen werden. Die Aufgabe der SLP bzw. der Plattform ist es, für die Unabhängigkeit des ÖGB von der SPÖ einzutreten und die Forderung nach einer neuen Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche in die Gewerkschaft zu tragen.
42. Die SLP tritt seit vielen Jahren für den Aufbau einer neuen Partei der ArbeiterInnen und der Jugendlichen ein. Wir haben uns an Bewegungen und Bündnissen beteiligt – und diese auch bilanziert. Wir müssen aber auch sehen, dass es zur Zeit in Österreich keine wirklichen Ansätze für eine solche neue Kraft gibt.
43. Die größte (auch wegen ihrer immer noch umfangreichen Finanzmittel) Organisation auf der Linken ist die KPÖ. In ihr gibt es verschiedene Strömungen und Tendenzen, wobei insbesondere die Arbeit der KPÖ-Steiermark gesondert betrachtet werden muss. Die Führung der Bundes-KPÖ versucht immer wieder auf unterschiedlichen Ebenen „neue“ linke Projekte zu gründen, die aber letztlich immer wieder von ihnen dominiert werden. Sie macht unserer Ansicht nach dabei so ziemlich alle Fehler, die in diesem Prozess zu machen sind: eine Partei dominiert, die Strukturen sind undemokratisch bzw. pseudodemokratisch, auf ein sozialistisches Programm wird verzichtet, statt auf die ArbeiterInnenklasse wird auf die „Zivilgesellschaft“ (wer auch immer das sein mag) orientiert, und an realen Bewegungen gehen die Projekte zielstrebig vorbei (so befand sich z.B. auf der KandidatInnenliste der „LINKE“n für die EU-Wahlen 2004 kein einziger Aktivist aus der Streikbewegung 2003!) Die Erfolg der steirischen KP, sind nicht auf dem „Mist“ der Bundes-KP gewachsen (werden von dieser aber fleißig benützt). Sie sind das Ergebnis einer langen Arbeit vor Ort, die oft starke sozialarbeiterische Elemente hat. Ein wesentlicher Faktor ist in der Steiermark aber auch Ernest Kaltenegger, der das symphatische Gegenteil eines abgehobenen, korrupten, überbezahlten Politikers darstellt. Innerhalb der KPÖ gibt es viele Linke, die für den Aufbau einer neuen Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche eintreten. Die Führung der Bundes-KPÖ aber ist mit ihrem Alleinvertretungsanspruch in diesem Prozesse eher ein verkomplizierender Faktor.
44. In den 1980er und 1990er Jahren waren die Grünen für viele Linke eine Hoffnung für eine neue Kraft. Sie präsentierten sich undogmatisch (im Gegensatz zu stalinistischen Strukturen) und demokratisch (im Gegensatz zu der Bürokratie in SPÖ und ÖGB). Viele hofften eine neue politische Heimat gefunden zu haben. Diese Hoffnungen wurden allerdings rasch enttäuscht. Heute sind die Grünen eine normale, bürgerliche Partei die sich an Sachzwängen orientiert und deren Mitglieder all zu oft aus den Medien über Entscheidungen der Führung erfahren. Unter jenen, die mit dem grünen Projekt die Hoffnung nach einer alternativen politischen Kraft verbanden, werden sich auch solche finden, die an einer neuen Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche mitarbeiten.
45. Zu Zeiten der Widerstandsbewegung gegen blau-schwarz gab es eine Aufbruchstimmung, die den Aufbau einer neuen Partei hätte begünstigen können. Aber die Ablehnung politischer Parteien von Teilen der Bewegung und die Ablehnung von Klassenkämpfen als Kampfmittel von u.a. auch der KPÖ haben diese Chance vertan. Die SLP hat das Thema schon damals in die Bewegung getragen, war aber zu schwach, um konkrete, erfolgreiche Schritte zu setzen. Unser Beitrag zum Aufbau dieser neuen Kraft war damals die Gründung der SLP.
46. In den Streiks 2003 hat sich gezeigt, dass die österreichische ArbeiterInnenklasse – im Gegensatz zu allen Behauptungen – sehr wohl in der Lage ist zu kämpfen. Das es aus dieser Bewegung keine Ansätze für eine solche neue Partei gegeben hat, hat im wesentlichen zwei Gründe: V.a. in der Gewerkschaftsbürokratie, die eine sehr dominierende Rolle hat, gibt es noch Illusionen in eine SPÖ-Regierungsbeteiligung bzw. wird keine Alternative zu Zugeständnissen an die Interessen der Unternehmen gesehen. Die Bürokratie schürt diese Illusionen in eine SPÖ Regierungsbeteiligung auch ganz bewusst, um ihre eigene Kampfunwilligkeit zu überdecken. (Dies geht leichter, solange die SPÖ in der Opposition ist). An der Gewerkschaftsbasis sind diese Illusionen – v.a. auch Aufgrund der konkreten Erfahrungen mit dem von der SPÖ durchgeführten Sozialabbau – weit geringer. Hier fehlt aber die Erfahrung mit eigenständiger Organisierung. Die StellvertreterInnenpolitik hat hier ihre negativen Auswirkungen deutlich gezeigt.
47. Es ist eher nicht zu erwarten, dass sich vor den nächsten Nationalratswahlen ernsthafte Ansätze für den Aufbau einer neuen Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche entwickeln werden. Weder die KPÖ (die angekündigt hat, als KP bzw. als KP+ andere anzutreten) noch die „LINKE“ (an der die KPÖ auch beteiligt ist und die ebenfalls angekündigt hat anzutreten, dies aber nicht gegen die KP tun wird) können zum momentanen Zeitpunkt als Ansatzpunkte dafür gesehen werden (wir werden den Prozess weiter beobachten, befürchten aber, dass sich an dieser Einschätzung nichts ändern wird). Es ist möglich, dassass die Regierung wegen EU-Präsidentschaft und Neuwahlen im Herbst weniger aggressiv agieren wird, um keine Streiks zu provozieren. Wie das Beispiel Postprivatisierung gezeigt hat, heißt das aber nicht automatisch, dass es in diesen sechs Monaten nicht dennoch zu Klassenkämpfen kommen kann..
48. Nach Neuwahlen aber wird jede neue Regierung rasch mit Angriffen starten müssen, um die Forderungen der Wirtschaft umzusetzen – im Brennpunkt werden Kündigungsschutz, Ausweitung der Arbeitszeiten, Steuererleichterungen für die Unternehmen etc. stehen. Wenn die SPÖ in dieser kommenden Regierung ist – was wahrscheinlich ist – wird sie sich aktiv und führend daran beteiligen. Selbst wenn das eine oder andere Wahlversprechen durchgeführt wird (z.B. Abschaffung der Studiengebühren) so wird doch mit der anderen Hand viel mehr genommen werden. Eine Regierung mit SPÖ-Beteiligung wird den neoliberalen Kurs der jetzigen Regierung fortsetzen. Dieses Szenario ist für einen Teil der Wirtschaft durchaus von Vorteil, wenn die SPÖ in der Regierung sitzt und ihren Einfluss nützt um die Gwerkschaften still zu halten. Eine Funktion, die sie aber nur mehr vorübergehend ausüben kann.
49. Es gibt immer mehr Menschen in Österreich, die sich diese Politik nicht mehr leisten können. Arbeitslosigkeit, Armut, fehlender Versicherungsschutz – die Notwendigkeiten für Widerstand nehmen zu. Wir müssen daher mit einer Zunahme von Klassenkämpfen relativ bald nach den Wahlen rechnen, auch wenn es hier keinen Automatismus gibt. Schon jetzt gibt es – nicht offiziell aber doch – Debatten unter GewerkschaftsfunktionärInnen über die sklavische Bindung der Gewerkschaft an die SPÖ. Diese Debatte wird mit einer SPÖ-Regierungsbeteiligung und dem folgenden weiteren Angriffen auf den Lebensstandard der ArbeiterInnenklasse zunehmen. Die SLP fordert eine tatsächliche Unabhängigkeit des ÖGB von der SPÖ, GewerkschafterInnen müssen sich für die Interessen der ArbeiterInnenklasse einsetzen – wenn nötig auch gegen die SPÖ. Aus diesen kommenden Diskussionen innerhalb des ÖGB können sich Initiativen entwickeln, die in Verbindung mit kommenden Klassenkämpfen die Grundlage für eine solche, neue Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche legen können.
Die bisherigen Projekte in Österreich stellen keine neue Qualität dar. Dies hat seine Ursachen v.a. in den nach wie vor wenigen offen Klassenkämpfen und mit den negativen Folgen der jahrzehntelangen StellvertreterInnenpolitik.
Schlussfolgerung
50. Die SLP versteht den Wunsch nach „linker Einheit“. Wir haben uns an diversen Bündnisprojekten beteiligt: in verschiedensten Bündnissen für Demonstrationen, bei Euromarsch, der Arbeitsloseninitative AMSand, in Plattformen z.B. für das passive Betriebsratswahlrecht für MigrantInnen, wir arbeiten seit Jahren im Rahmen des GLB und waren bei der UG (Unabhängige GewerkschafterInnen)-Gründung dabei und haben bis zur grünen Dominanz auch in der UG mitgearbeitet und wir haben auch gemeinsam mit der KPÖ 1996 kandidiert (dabei aber auch sehr schlechte Erfahrungen mit der Bündnisunfähigkeit der KPÖ gemacht). Wir sehen aber auch, dass eine solche Einheit nicht künstlich hergestellt werden kann um den Preis einer völligen Verwässerung des Programms. D.h. ein Bündnis, das letztlich nur für „das Gute, Wahre und Schöne“ ist, aber nicht genau sagt, was das eigentlich genau heißt und v.a. wie man/frau das erreichen kann, bringt uns auf dem Weg, soziale Verbesserungen zu erreichen, um keinen Schritt weiter. Eine solche neue Partei braucht demokratische Strukturen, eine kämpferische Politik und ein sozialistisches Programm. Wir werden auch künftig echte Bündnisprojekte unterstützen und uns daran beteiligen, werden aber die Notwendigkeit eines sozialistischen Programms betonen und darauf hinweisen, dass eine neue Kraft nicht unabhängig von objektiven Entwicklungen entstehen kann.
51. Das Scheitern bzw. Fehlen einer solchen neuen Partei hat negative Auswirkungen. Das Scheitern verzögert den Prozess, dass weitere Versuche stets mit den früheren verglichen werden. Das Fehlen einer Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche führt aber nicht nur dazu, dass die KapitalistInnen ihre Pläne leichter durchsetzen können, sondern auch, dass rechte und rechtsextreme Parteien durch populistische Rhetorik dieses Vakuum zumindest zum Teil füllen können. Die FPÖ ist hierbei ein verkomplizierender Faktor. Im Gegenteil zu anderen, die nach der FPÖ-Spaltung lauthals ihr Ende verkündeten haben wir schon damals gewarnt, dass eine neue, noch rechtere FPÖ das Ergebnis sein könne. Mit einer rassistischen Kampfrethorik und einziger, größerer Anti-EU-Kraft gelingt es der FPÖ-Neu von ihrer eigenen Verantwortung für Sozialabbau in den letzten Jahren abzulenken und sich als Protestpartei zu profilieren. Gelingt es ihnen, sich weiter aufzubauen und zu festigen, verschlechtert das die Ausgangsbedingungen für eine solche neue Partei auch deshalb, weil rechtsextreme und rassistische Inhalte breitere Verbreitung in der ArbeiterInnenklasse finden.
52. Trotz der objektiven Notwendigkeit einer neuen Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche gibt es bis jetzt für die kommenden Wahlen keine ernstzunehmenden linken Projekte. Wir werden diese Notwendigkeit bzw. diesen Mangel in der nächsten Periode hervorstreichen und auf die Folgen hinweisen.. Obwohl die Wiener Wahlen gezeigt haben, das die KPÖ nicht in der Lage ist, wirklich von der Bekanntheit und Arbeit der steirischen KP zu profitieren, ist nicht auszuschließen, dass der KPÖ ein gewisser Achtungserfolg gelingt. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass sie einen solchen in konkrete politische Arbeit ummünzen würde oder als Ansatzpunkt für den Aufbau einer echten neuen Kraft nutzen würde. Sollte es doch zu ernsthafteren Entwicklungen kommen – dies könnte z.B. eine breitere Kandidatur unter einem Spitzenkandidaten Kaltenegger sein, ist eine Beteiligung der SLP daran möglich.
53. Bei den kommenden Wahlen werden wir aber auch Viele sehen, die, aus dem Wunsch heraus der Regierung Schüssel endlich ein Ende zu bereiten, SPÖ oder Grün als „kleineres Übel mit Chance auf Regierungsbeteiligung“ wählen werden. Wir sind davon überzeugt, dass diese Hoffnungen rasch nach dem Regierungseintritt von SPÖ bzw. Grünen enttäuscht werden und bieten daher auch diesen Menschen gemeinsame politische Arbeit, konkret im Kampf gegen Sozialabbau und Privatisierung vor und nach einer Nationalratswahl an. Andereseits könnte eine dritte Amtsperiode Schüssel – die nicht ausgeschlossen werden kann – den Prozess der Neuformierung verzögern.
54. Der Aufbau der Sozialistischen LinksPartei (SLP) ist für uns aufgrund des Fehlens konkreter Ansätze zur Zeit die vorrangigste Aufgabe und damit auch die beste Vorrausetzung für künftige Projekte, deren Chancen steigen, je stärker die revolutionären Kräfte in einem solchen sind.