Die andauernde Krise des globalen Kapitalismus

Politische, soziale und ökologische Folgen und Aufgaben für die Arbeiterbewegung

Stellungnahme des internationalen Vorstands vom Committee for a Workers’ International (Komitee für eine Arbeiterinternationale, CWI)

Die folgende Erklärung des CWI wurde auf dem letzten Treffen des Internationalen Exekutivkomitees (IEK) in Belgien vom 2.-8. Dezember 2009 verabschiedet. Dieses sehr erfolgreiche Treffen brachte über 70 VertreterInnen aus Europa, Russland, Asien, Zentralasien, Latein- und Nordamerika und Afrika zusammen.Nach wie vor sind die arbeitenden und verarmten Massen von der andauernden Wirtschaftskrise des Weltkapitalismus betroffen. Für den Kapitalismus gibt es keinen schnellen oder einfachen Weg aus der größten Krise seit den 1930ern. Die Folgen der kolossalen Finanzblase, oder den Finanzblasen, die den Kapitalismus in die ökonomische Stratosphäre zu befördern schienen – vom „Paradigmenwechsel“ war die Rede - stellen jetzt ein massives Hemmnis für eine nachhaltige ökonomische Wiederbelebung dar. Die „Erholung” wird sehr schwach sein und könnte nur kurz andauern. Das CWI stellte auf der letzten IEK-Sitzung fest, dass die Kapitalistenklassen aus den Erfahrungen der Großen Depression gelernt haben und Himmel und Hölle in Bewegung setzen werden, um ein ähnliches Ergebnis in der heutigen Zeit zu verhindern. Diese Einschätzung wurde bestätigt. Die Rettungspakete für das Finanzsystem, die sich weltweit auf 14 Billionen US-Dollar belaufen – beinahe so viel, wie das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der wichtigsten und mächtigsten Volkswirtschaft weltweit, den USA – verbunden mit „quantitativen Lockerungen” und den „Abwrackprämien” hatten einen gewissen abfedernden Effekt auf den Abschwung, haben aber die grundlegenden Probleme nicht gelöst.

Die Weltwirtschaftskrise hat eine neue Ära für den Kapitalismus, die Arbeiterklasse und die Kräfte des CWI eröffnet. Bedeutsame Kämpfe der Arbeiterklasse und der Jugend fanden in einer Reihe europäischer Länder statt. In Großbritannien stellten die Streiks und Besetzungen bei Lindsey, Linamar, Visteon, Vestas und bei der Post eine wichtige Veränderung dar. In Irland illustrierten Streiks der Elektrizitätsarbeiter, im öffentlichen Dienst, bei Coca Cola, bei den Häfen und in anderen Bereichen, wie explosiv die Situation werden kann. In Frankreich zeigten das „Bossnapping”, die Betriebsbesetzungen und zwei nationale Streiks, welche Stimmung unter der Oberfläche existiert. In Griechenland spiegelten die Generalstreiks und eine Jugendbewegung das wider. Zusammen mit den Jugendbewegungen in Deutschland und Österreich illustrieren diese und andere Proteste die Bereitschaft der Arbeiterklasse und der Jugend zu kämpfen, wenn sie mit Angriffen der herrschenden Klasse konfrontiert werden.

Aber das Fehlen einer klaren sozialistischen Alternative für die Massen und die konservative und feige Rolle der Gewerkschaftsbürokratie haben die Entwicklung dieser Kämpfe in der jetzigen Phase, zumindest für eine Weile, beschränkt. Doch die Lage, vor der der Kapitalismus steht, wird dafür sorgen, dass neue Phasen der Kämpfe der Lohnabhängigen und der Jugend gegen die Auswirkungen der Krise größere Möglichkeiten für die Arbeiterklasse und das CWI bieten werden.
Die historische Analyse des CWI, dass der Kapitalismus bereits seit fast 30 Jahren mit den Merkmalen einer Depression behaftet ist, wird nun von einigen Ökonomen anerkannt. Mit der - durch den niedrig gehaltenen Anteil der Arbeiterklasse am Reichtum - geschwächten Nachfrage, der besonders in der Industrie sinkenden Rentabilität und den dadurch eingeschränkten profitablen Investitionsfeldern, wurde als Ausweg der Finanzmarkt und mit ihm der Kreditsektor massiv aufgebläht. Die neoliberalen Maßnahmen der Deregulierung der Finanzmärkte und der Privatisierung beförderten diesen Prozess. Eine zusätzliche Beschleunigung erfuhr diese Entwicklung durch den Zusammenbruch des Stalinismus und dem Ende der geplanten Ökonomien, was neue Investitionsfelder und Absatzmärkte eröffnete – obwohl das sehr begrenzt war und nicht an das heranreichte, was zur Zeit des Falls der Berliner Mauer erwartet wurde. Dies verstärkte den Anschein einer bemerkenswerten Expansion des Kapitalismus. Aber die wirklich neue Werte schaffenden Wirtschaftszweige der entwickelten Industrieländer schrumpften und wurden in die ex-stalinistischen Länder und die neokoloniale Welt verlagert.
Dies führte nicht zu einer substantiellen Expansion des Kapitalismus, schon gar nicht auf dem Niveau des strukturellen Aufschwungs von 1950-75. In der Tat diente der Zusammenbruch des einzigen Rivalen des Weltkapitalismus im Kampf um die Hegemonie – des Stalinismus, besonders in Russland – dazu, die grundlegenden Probleme der Stagnation zu verschleiern. Nicht die Industrie, sondern der Finanzsektor erfuhr eine Stärkung. Zum Beispiel ist die Zahl der Arbeitsplätze in der Industrie in den USA während dieser Krise von der bereits geringen Zahl von 17 Millionen auf katastrophale 12 Millionen gesunken. Als Ergebnis wurden die bereits ausgeprägten protektionistischen Maßnahmen in den USA weiter verstärkt, nachdem Gewerkschaften in der Automobil- und Stahlindustrie Zölle für Produkte aus dem Ausland, besonders Asien, forderten. Ähnliche protektionistische Stimmungen sind auch in Europa bezüglich der negativen Folgen der Probleme von General Motors sichtbar. Folglich fand in den entwickelten Industrieländern eine Deindustrialisierung statt. Die Ironie ist, dass die jetzige Weltwirtschaftskrise die grundlegenden Schwächen, die der Kapitalismus über eine lange Zeit entwickelte, offenbart – ebenso, wie die Krise, die in den stalinistischen Staaten und besonders in der DDR existierte, bis zum Zusammenbruch verborgen blieb.
Der Finanzsektor als „Rettungsleine“ für den Weltkapitalismus hat in dieser Krise fast einen Todesstoß erlitten, obwohl die Existenz des Kapitalismus ohne ein entwickeltes Kreditsystem unvorstellbar ist. Aber dieser Sektor wird jetzt im Gegensatz zur momentan favorisierten Industrie als „sozial nutzlos” betrachtet, wie es Adair Turner, ein britischer Wirtschaftsboss ausdrückte. In Wirklichkeit wird der Kapitalismus als ganzes von seinen Opfern, der Arbeiterklasse und besonders den Erwerbslosen und Armen, zunehmend als „sozial nutzlos” angesehen. Die zwei Ökonomen Barry Eikengreen und Kevin O'Rourke haben die Große Depression der 30er mit der „Großen Rezession” heute verglichen und sind zum Schluss gekommen, dass die momentane wirtschaftliche Situation bisher in weiten Teilen den Ereignissen von 1929-1933 entspricht.
In der US-Wirtschaft wurden in den letzten zwei Jahren acht Millionen Jobs abgebaut. Obamas Konjunkturprogramme, die bereits zur Hälfte umgesetzt sind, haben einen moderaten Aufwärtsknick von einer Million geschaffener Jobs zur Folge. In Großbritannien beträgt das Volumen der „quantitativen Lockerungen” der Brown-Regierung bereits 200 Milliarden Pfund - trotzdem ist ein Teil der herrschenden Klasse in Panik aufgrund der bisherigen Ineffektivität und drängt dazu, weitere 25 Milliarden Pfund auszugeben, um die britische Wirtschaft aus dem „Bermuda-Dreieck” herauszubringen. Dies wird aber gemeinhin als das „Limit”, die „Letzte Option”, der letzte mögliche Versuch, die britische Ökonomie zu retten, angesehen. Es ist nicht sicher, ob es tatsächlich Erfolg hätte. Die Alternative der „Regierung in Wartestellung“ (Camerons Tories) – nämlich die Axt an die öffentlichen Ausgaben zu legen und das Haushaltsdefizit zusammenzustreichen – würde nicht nur jede Chance auf Erholung ersticken, es würde auch die größten sozialen Kämpfe in Großbritannien seit der Periode vor dem Generalstreik 1926 hervorrufen.
Unter dem Strich hat der Weltkapitalismus die riesigen Schulden des privaten Sektors, der Banken und der Finanz“plutonomie” auf die Schultern des Staats verlagert. Dies hat riesige Klassenopposition und die Forderung nach einer Bestrafung der „Bankster” [=Bank-Gangster] aufgeheizt. Ihre Lasterhaftigkeit und Schwelgerei haben die gegenwärtige Wirtschaftskrise verschärft, die das Leben von Millionen Angehörigen der Arbeiterklasse erschwert hat. Aber anders als in der Sparkassenkrise in den USA in den 1980ern, als über tausend Banker vor Gericht gezerrt und eingesperrt wurden, wurden kürzlich selbst die beiden Chefs von Bear Stearns, die wegen Finanzvergehen vor Gericht standen, freigesprochen. Die Lage wird noch weiter dadurch verschärft, dass die seitens der Regierungen den Banken freigebig zur Verfügung gestellten Mittel nicht zur Ausweitung von Kreditlinien an Not leidenden Branchen, (also nicht an die „kleinen Fische“ von Kleinunternehmen und Banken gingen), genutzt wurden. Über hundert kleine Banken sind allein in den USA Pleite gegangen. Stattdessen haben die „Bankster” die Regierungsgelder zur Sanierung ihrer Banken fokussiert, riesige Bonusse gezahlt (nur 117 Banker sind von Obamas Forderung nach einer Beschränkung der Boni betroffen) und eine neue Orgie von Spekulation und Finanzseifenblasen in der neuen heftigen Devisenspekulation losgetreten. In der Situation nach dem Crash führte das zu einer Rückkehr der „Risikobereitschaft” – derselben Suche nach höheren „Erträgen” - was zu der finanziellen Kernschmelze führte.

„Doppeltes Eintauchen”

Diese Akkumulation „riskanter Vermögenswerte” könnte, wie Nouriel Roubini warnte, zu einer noch größeren Finanzkrise führen als der, die dem wirtschaftlichen Zusammenbruch voraus ging. Daher stimmen jetzt ernsthaftere Teile der bürgerlichen Ökonomen mit dem CWI überein, dass ein doppeltes Eintauchen auf die eine oder andere Art – in „L“-, „W“- oder „Saxofon“-Form – wahrscheinlicher ist. Manche haben jetzt die Lage mit dem „Bungee-Springen” verglichen: „Die Wirtschaft fällt eine Klippe herunter. Die Tätigkeit fällt tief. Dann gibt es eine Erholung. Eine Weile lang sieht die Erholung sehr gut aus und es fällt den Ökonomen leicht genug, bei ihrem einfachen Denken zu bleiben. Aber die Wirtschaft kehrt nie zur Normalität zurück; stattdessen baumelt sie weiterhin an einem Faden.” Das aus der vorigen Periode ererbte „grüne Unkraut” und nicht das unmittelbare Sprießen „grüner Triebe” werden vorherrschen und einen wirklichen Aufschwung behindern. Obwohl die Regierungen der Welt den Finanzsektor in eine „Unfall-Notaufnahme“ bringen, ist der Patient weit von einer wirklichen „Erholung” entfernt. Zum Beispiel gibt es eine massive Akkumulation von Kreditausfallversicherungen (Credit Default Swaps, CDS) in den Büchern der Banken. Gleichzeitig haben die amerikanischen Verbraucher – der Markt des „letzten Auswegs“ und immer noch der größte der Welt – Ersparnisse von durchschnittlich 4% des BIP aufgebaut, werden aber verleitet, in diese „riskanten Vermögenswerte” zu investieren, die eine neue Blase schaffen und zu einer weiteren Vertiefung der verheerenden sozialen Auswirkungen der Krise auf die amerikanische Bevölkerung führen.
Im Moment scheinen die US- und europäischen Ökonomien technisch aus der Rezession zu kommen. Aber es „fühlt sich immer noch wie eine tiefe Krise an”, wie es die Financial Times ausdrückt. Die Aktienkurse haben zugelegt, ebenso der Ölpreis. Es gibt einen Ansturm auf Sicherheit und „Qualität” durch Investitionen in Gold und Rohstoffen. Es gibt eine gewisse Wiederbelebung in den „BRIC”-Wirtschaften [Brasilien, Russland, Indien, China] – besonders Brasilien und China, die beträchtliche Wachstumsraten erlebt haben. Ein Anstieg der brasilianischen Währung, dem Real, hat dazu geführt, dass die Lula-Regierung Maßnahmen zur Besteuerung des Zuflusses von spekulativem Kapital ergriffen hat. Das chinesische Regime – mit seinem großen Staatssektor – konnte die erfolgreichsten Konjunkturmaßnahmen durchführen, die zu einem scheinbar erheblichen Wachstum führten. Obendrein hat Peking eher auf eine Stärkung des Staatssektors gedrängt, während die Privatwirtschaft in diesem Wachstum eine beschränkte Rolle gespielt hat. Gleichzeitig bläht sich eine chinesische Finanzblase auf, die jeder Zeit platzen könnte, was auf die „Realwirtschaft” zurückwirken würde.
In jedem Fall wird der Versuch, die Weltwirtschaft „wieder ins Gleichgewicht zu bringen“, eine Totgeburt sein. China, Indien und andere „Wachstums”länder können die Lücke nicht füllen, die aus dem Schrumpfen des US-Konsums und seines kolossalen Schuldenüberhangs resultiert. Gleichzeitig ist die vom Internationalen Währungsfonds lancierte Idee, dass die chinesische Währung, der Renminbi, den Dollar als eine Weltreservewährung entweder ersetzen könne oder parallel zu ihm fungieren könne, ein Rohrkrepierer. Der Renminbi könnte als Tauschmittel zwischen China und Ländern in Afrika, Lateinamerika und Asien dienen, die es in einen Handelsblock zu ziehen versucht. Sonderziehungsrechte (Special Drawing Rights) werden auch als eine Alternative lanciert. Aber die US-Wirtschaft bleibt die bei weitem vorherrschende und stärkste Wirtschaft des Weltkapitalismus und – trotz aller Gefahren und Komplikationen – wird der Dollar immer noch gezwungen sein, als Währung der Welt zu fungieren. Er ist im Oktober 2009 auf ein 14-Monate-Tief gefallen. Dies hat die Konkurrenzfähigkeit der US-Industrie, aber auch von China erhöht, weil der Renminbi an den Dollar gekoppelt ist. Dies geht auf Kosten des Rests der Welt. Der Dollar könnte zwar nicht jetzt durch eine einzige konkurrierende Währung ersetzt werden, aber es ist möglich, dass ein Währungskorb, in dem der Euro und der Renminbi wesentliche Rollen in den Devisenreserven der nationalen Regierungen spielen würden, neben ihm arbeitet. Aber es ist unwahrscheinlich, dass die Wirtschaft „wieder in ein Gleichgewicht“ kommt, das die am stärksten exponierten Länder und Regionen von den fortwirkenden chronischen Wirkungen der Krise retten könnte.
Dies ist besonders der Fall in Mittel- und Osteuropa, wo der Unterschied zwischen einer „Rezession” und einer „Depression” akademisch ist. Laut der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung wird der Durchschnitt im Fall des BIP von „Übergangsländern” 2009 6,2% sein. Aber der Rückgang unterscheidet sich stark, der tiefste Fall ist 18,4% in Litauen, 16% in Lettland, 14% in der Ukraine und 13,2% in Estland, die von Martin Wolf von der Financial Times als „Depressionszahlen” bezeichnet werden. Slowenien wird um 6,5% schrumpfen, die Slowakei um 6% und die Tschechische Republik um 4,3%. Ungarn liegt auch am Boden: nicht nur die Arbeiterklasse, sondern auch die Mittelschicht ist in Verelendung gestürzt. „Es ist eine Katastrophe. Alles ist unter einem Froscharsch”, beschwerte sich ein ungarischer Bauarbeiter gegenüber dem „Guardian” und wollte damit sagen, dass es nicht schlimmer werden könne. Russland wird nach den „glorreichen Zeiten” der empor schnellenden Ölpreise in die dunklen Tage der unmittelbaren nach-stalinistischen Periode der frühen 1990er Jahre gestürzt. Ganze Städte wie Togliatti – „Mono-Städte”, die von der Herstellung eines Produkts abhängig sind – sind von der „Schließung” und der Entlassung von Zehntausenden bedroht. Das bonapartistische Regime von Medwedjew und Putin – mit einem dünnen „Überzug“ von „Demokratie” – wird in der nächsten Periode von Krisen kaputt gehen.
Wo sind die wirtschaftlich produktiven Auswege für den Weltkapitalismus in dieser chronischen lang gezogenen Krise? Tatsächlich haben kapitalistische Regierungen angesichts von durchschnittlich 10% Defiziten in den Staatshaushalten zur Axt gegriffen und Arbeitsplätze und Dienstleistungen gestrichen. Die Hälfte der Krankenhäuser in Lettland wurde schon geschlossen. Dies ist die nicht zu ferne Zukunftsmusik für viele andere Länder, selbst in der „reichen” Welt. Wenn man noch die riesige Einkommensungleichheit hinzunimmt – eine Polarisierung zwischen den Klassen – und das Problem der Nachfrage, das von den kapitalistischen Ökonomen allgemein beklagt wird, wird sich all das verschärfen.
Aber die Kriterien für die Kapitalisten und, letztlich, für ihre „Exekutivkomitees” – ihre Regierungen – sind nicht soziale Bedürfnisse zu befriedigen, sondern Rentabilität zu verteidigen und zu steigern. Daher wird diese Periode, wie wir bemerkt haben, nicht nur durch eine Krise, sondern durch eine Reihe von Krisen charakterisiert sein, die sich über Jahre erstrecken. Dies wird durch eine grundlegende Stagnation der Produktivkräfte mit gelegentlich schwachen „Erholungen” gekennzeichnet sein, aber möglicherweise in einer gewissen Phase mit der Rückkehr von Inflation, Währungskrisen und riesigen Defiziten in Staatshaushalten. Diese können nur durch gewaltige Angriffe auf den Lebensstandard der Arbeiterklasse ausgeglichen werden.
Die Bürgerlichen wurden vom Beginn der Krise an erschüttert, von der sie zu Unrecht behaupten, sie habe nur das vergangene Jahr gedauert. Aber sie begann früher, 2007, und im US-Immobiliensektor schon davor und führte dazu, dass ganze Volkswirtschaften und Branchen „über eine Klippe fallen“. Sie fürchteten nicht nur um die wirtschaftliche Zukunft ihres Systems und die riesige Kernschmelze, die drohte, aber auch vor den sozialen Folgen und politische Rückwirkungen in einer Massenrevolte gegen ihr System. Sie können nicht argumentieren, dass der Kapitalismus in der Lage sei, seine Versprechungen zu erfüllen, ihr „moralischer Kompass” ist zerschlagen, Millionen zahlen für die Folgen des Versagens ihres Systems, und jetzt fallen sie auf ausgelutschte Argumente zurück. Ihr früherer Tory-Premierminister Winston Churchill wurde aus der Abstellkammer der Geschichte gezerrt, um ihr System zu rechtfertigen. Der Kapitalismus stellt nicht mehr das „Ende der Geschichte” dar, aber habe „sich wieder als das schlimmstmögliche System des Wirtschaftsmanagement erwiesen – außer dass es keine Alternativen gibt.” Sie können das in dieser Phase machen, weil das Modell des Stalinismus gescheitert ist und ein alternativer, demokratisch-sozialistischer Anziehungspol fehlt.
Zu dieser verheerenden Wirtschaftskrise muss die Krise hinzugefügt werden, die sich in der Umwelt entfaltet. Die Klimakrise ist eng mit der Wirtschaftskrise verbunden. Das IPCC hat argumentiert, dass die globale Durchschnitts-Temperatur um 0,8 Grad seit Mitte der 19. Jahrhunderts gestiegen sei. Bereits ausgestoßene Emissionen werden die Temperaturen um weitere 0,9 Grad erhöhen – was zusammen einen Anstieg um 1,7 Grad bedeutet. Die Folgen des von Wissenschaftlern und Politikern bei einer Zunahme um 2 Grad Celsius festgelegten Obergrenze sind wohlbekannt: Schmelzen des Nordpols und der Gletscher, ein Anstieg der Ozeanspiegel, Ausbreitung von Wüsten, Trockenheiten und Wasserknappheit etc. Am schlimmsten betroffen sind die ArbeiterInnen und die „kleinen Leute“ weltweit, besonders in armen Ländern. Der UN-Klimagipfel in Kopenhagen im Dezember wird keine Lösungen bringen. Nationale und kapitalistische Interessen sind unvereinbar mit den notwendigen weltweiten Maßnahmen und mit Planung.
Der Kampf zur Rettung von Arbeitsplätzen und Lebensstandards widerspricht nicht einer Lösung der Klimabedrohung. Im Gegenteil ist in beiden Fällen das grundlegende Hindernis das kapitalistische System – symbolisiert durch die Macht von Öl- und Energiegiganten ebenso wie der Auto- und Flugzeugindustrien etc. Nur die Arbeiterklasse kann die Gesellschaft umgestalten, um eine demokratisch-sozialistisch geplante Wirtschaft zu schaffen, einschließlich der Konversion der verschmutzenden Industrien in wirklich „grüne“. Die heutigen zwischenimperialistischen Widersprüche wegen dem Klima können nur überwunden werden, wenn eine wahrhaft internationalistische und sozialistische Arbeiterbewegung das Klima rettet.
Heftige Unzufriedenheit, wachsende antikapitalistische Stimmung
Es gibt eine durchdringende Unzufriedenheit, eine wachsende antikapitalistische Stimmung, unter den Massen. Der BBC-World-Service stellte in einer Sonderumfrage fest, dass „Desillusionierung mit dem Kapitalismus des freien Marktes grassiert”. Der Zusammenbruch der Sowjetunion wird heute anders gesehen als 1989: „Mehrheiten in Ägypten, Russland und der Ukraine sagen, dass der Zerfall [der Sowjetunion] eine schlechte Sache war.” Mehr noch: „Man kann Brasilien, Indonesien und Frankreich hinzufügen, wenn es um die Ansicht geht, dass die Regierungen die Hauptwirtschaftszweige besitzen oder kontrollieren sollen.” Es liegt an einer Reihe von Faktoren, dass sich dies bisher noch nicht zu einer geänderten politischen Haltung auf Seiten der Massen mit einer Wiederbelebung sozialistischer Ideen verfestigt hat. Auf der einen Seite hofften die Massen zu Beginn dieser Krise wider besseres Wissen, dass sie vorübergehend sei, dass ein nachhaltiger Aufschwung folgen werde und die Lage vor der Krise wieder hergestellt werde. Gleichzeitig gab es keinen Massenanziehungspunkt in Form von Massenparteien und Führungen, die für „Sozialismus” in einem breiten Sinne eintraten, auch nur in der Weise, in der das die geschicktesten Führer der Sozialdemokratie in ihren Glanzzeiten tun konnten – entweder im Vorfeld des Ersten Weltkriegs oder in der Periode wirklicher Reformen während dem Aufschwung 1950-75.
Selbst die direkten politischen Folgen der 1930er Jahre waren anders als das, was wir in den vergangenen achtzehn Monaten oder zwei Jahren erlebt haben. Die Krise von 1929 betäubte die Arbeiterklasse auf der betrieblich-gewerkschaftlichen Ebene, besonders in den USA. Aber selbst da gab es eine politische Radikalisierung, die sich im Wachstum linker Parteien wie der Kommunistischen Partei, sowohl unmittelbar nach dem Börsenkrach von 1929 als auch während der 1930er Jahre widerspiegelte. Die 1930er waren eine Periode von Revolution und Konterrevolution, anders als das Bild, das manche Kommentatoren heute zeichnen. Es gab eine Radikalisierung, tatsächlich einen revolutionären Aufschwung, der in Spanien 1931 begann und zu den Ereignissen von 1936-37 führte, und in Frankreich, wo die Auswirkungen der wirtschaftlichen Einbruchs etwas verzögert waren. Dass die Faschisten in Deutschland und Spanien (Italien war zwar der Prototyp für faschistische Regime) an die Macht kommen konnten, war nur möglich, nachdem die Arbeiterklasse und besonders ihre fehlerhafte Führung nicht die Macht übernehmen konnten.

Neue linke Parteien und Bündnisse

Bisher hat sich noch keine breite sozialistische Schicht in den fortgeschrittenen kapitalistischen Ländern oder in der unterentwickelten Welt herauskristallisiert - ganz zu schweigen von den ex-stalinistischen Staaten Osteuropas und der früheren Sowjetunion. Selbst die neuen linken Organisation – DIE LINKE in Deutschland, SYRIZA in Griechenland und das früher viel versprechende Experiment der P-SOL in Brasilien – haben sich nicht in eine konsequent linke Richtung entwickelt. Ihre Führer haben keine klare Vorstellung einer künftigen Gesellschaft des Sozialismus. Selbst die NPA in Frankreich – initiiert von Trotzkistlnnen oder Ex-TrotzkistInnen der Mandel-Strömung – hat kein klar antikapitalistisches Programm entwickelt, ganz zu schweigen von der Verbindung der gegenwärtigen explosiven Kämpfe in Frankreich mit der Idee einer demokratisch-sozialistischen Umwälzung. In der Tat wird sich in diesen Parteien die Idee des Regierungsbündnisses mit bürgerlichen Parteien – die ein sehr unentwickeltes Stadium im Bewusstsein der Massen und Mitglieder, die diesen Formationen anhängen, widerspiegelt – zweifellos ändern. Die Peitsche der Ereignisse und die konsequente Arbeit unserer Kräfte können zu einer Polarisierung in diesen Parteien führen, wenn wir versuchen, sie nach links zu stoßen.
In manchen Ländern, wie Großbritannien und Griechenland, gibt es die Vorstellung des „kleineren Übels” unter bedeutsamen Teilen der Massen. In Großbritannien drängt die Furcht vor einer Rückkehr der Tories ArbeiterInnen mit der Hilfe der rechten Gewerkschaftsführer zu der Idee, eine Cameron-Regierung um jeden Preis zu verhindern, die offen als „Torygeddon” (Tory-Armageddon) bezeichnet wird. Im Fall von Griechenland war es die heftige Ablehnung von Nea Demokratia gemischt mit gewissen Erwartungen, dass PASOK „besser” wäre. Das war so trotz der bitteren Enttäuschung mit früheren PASOK-Regierungen. Die Hoffnungen einer Schicht von ArbeiterInnen, dass eine PASOK-Regierung „besser” wäre, ist nicht vergleichbar mit den Illusionen, die es in den 1970er und 1980er Jahren in PASOK gab und den sozialen Wurzeln, die es damals hatte. SYRIZA ist trotz seiner politischen Schwäche eine wichtige Kraft, an der sich ernsthafte marxistische Kräfte beteiligen sollten. Gleichzeitig müssen wir flexibel arbeiten und auch auf andere Möglichkeiten in der Arbeiterklasse und Jugend reagieren.
Aber diese Formationen brauchen nicht das letzte Wort zu sein und manche können sogar verschwinden. Dies ist zum Beispiel eine Möglichkeit im Fall von P-SOL, die als die linkeste Formation begann, in die eine breite fortgeschrittene Schicht große Hoffnungen setzte, dass sie als linker revolutionärer Sammelpunkt dienen könne. Aber unter dem Einfluss der Strömung einer ex-trotzkistischen Moreno-Tendenz in Verbindung mit Ex-PTlern wird diese Partei vielleicht nicht einmal einen Kandidaten in den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen aufstellen, sondern einen grünen Kandidaten „kritisch” unterstützen! Aber selbst wenn diese Formationen stagnieren oder verschwinden (ob Rifondazione Comunista in Italien oder P-SOL) kann das viele der fortgeschritteneren Schichten der Arbeiterklasse enttäuschen. Trotzdem wird das nicht die Notwendigkeit von linken Massenformationen beseitigen, die Bestandteil dieser Periode sind. Daher macht das CWI aus keiner politischen Formation einen Fetisch. Wir versuchen, flexibel zu arbeiten und aktiv zu sein, aber wir müssen da sein, wo die politisch offensten Schichten der ArbeiterInnen und Jugend aktiv sind oder sich orientieren. Wir werden diese Organisationen nicht aufgeben, bis sich gezeigt, dass sie nicht länger „ihrem Zweck dienen” oder eine fortschrittliche Rolle spielen können.
Marx betonte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, dass eine wirkliche Bewegung der Arbeiterklasse so viel Wert sei wie ein Dutzend Programme. Wir müssen in dieser Periode dieselbe grundlegende Herangehensweise an die Aufgaben der Arbeiterbewegung und besonders ihre fortgeschrittensten Teile einnehmen. Selbst wenn diese Parteien ein Schattendasein fristen und nur eine kleine aktive Schicht haben, können trotzdem unter dem Druck der Ereignisse neue frische Schichten von ArbeiterInnen, Jugendlichen etc. dazustoßen. Sie können „Reserven“ haben, die sich in relativ ruhigen Perioden nicht voll offenbaren. Dies gilt noch viel stärker für die Gewerkschaften, die in vielen Ländern durch Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit etc. an Zahl und Einfluss geschwächt wurden, aber durch große Ereignisse, die bevorstehen, aufblühen können.
Der Entwicklung einer marxistischen Massenpartei werden unausweichlich „Zwischenstationen” in der Form von breiteren Formationen vorausgehen, in denen MarxistInnen mit anderen zusammenarbeiten werden, die noch kein klares sozialistisches, marxistisches Erscheinungsbild haben. Selbst wo der Prozess stecken geblieben oder zurückgegangen zu sein scheint, werden wir auf ihre Entwicklung als Mittel der Sammlung der Kräfte auf der Linken und der entschlossensten Kampfelemente der Arbeiterklasse drängen. Die Erfahrung breiter Schichten der ArbeiterInnen in solch einer Formation ist unschätzbar, sogar notwendig, für die Schaffung eines breiten sozialistischen Bewusstseins, bei der sowohl diese Art von Parteien als auch die Erfahrungen der Massen im Kampf helfen können. Gleichzeitig muss diese Aufgabe verbunden werden mit dem Aufbau und der Festigung einer klaren marxistischen Kraft auf der Grundlage des Programms und der Ideen des CWI. Die Gelegenheiten sind jetzt für den unverfälschten Marxismus günstiger als zu irgendeiner anderen Zeit seit Mitte oder Ende der 1980er.
Die Krise wird ganz Europa treffen
In Europa gibt es nicht ein Land, das den Auswirkungen der Krise entkommen ist. In der stärksten Ökonomie Europas, in Deutschland, ist die grundlegende wirtschaftliche Lage explosiv. Die Industrie in Deutschland hat den höchsten Anteil am BIP unter allen großen entwickelten Wirtschaften. Mit 24% des BIP ist es fast doppelt so hoch wie die industrielle Basis Großbritanniens mit 13%. Aber dieses Jahr drohen Deutschlands Maschinenbau- und Elektroindustrie zum ersten Mal nach 1945 große Verluste. Sie konnten sich bis jetzt weitgehend auf dem Weltmarkt und besonders durch Verkäufe nach China halten. Es wird geschätzt, dass sich das Aufpäppeln der Industrie durch die Regierung auf 1% des BIP beläuft. Dazu gehört, „nicht benötigte” ArbeiterInnen in ihren Arbeitsplätzen zu halten (Financial Times), indem die Regierung die Löhne der Arbeiter aufstockt, die in Kurzarbeit sind. Dies bedeutet wiederum, dass das Bundeshaushaltsdefizit auf etwa 100 Milliarden Euro nächstes Jahr empor schnellen wird, auf das Zweieinhalbfache des bisherigen Spitzenwerts von 40 Milliarden Euro, der 1996 erreicht wurde, als das Land mit den Kosten der Wiedervereinigung unter der CDU-Regierung von Kohl 1996 zu tun hatte.
Merkels Versprechen, die Steuern zu senken, während sie vor großen Kürzungen in öffentlichen Ausgaben zurückschreckt, führte zu Unbehagen in der neuen CDU/CSU/FDP-Koalition. Der Vorbote künftiger Schwierigkeiten, Spannungen und selbst die Möglichkeit einer frühen Niederlage dieser Koalition zeigte sich, als nicht alle Koalitionsabgeordneten im Bundestag für die Regierung stimmten und Merkel nur eine Mehrheit von gerade mal 11 Stimmen hatte. Die allgemeine Position des deutschen Kapitalismus erfordert ebenso wie die seiner Pendants im Rest von Europa eine Konfrontation mit der Arbeiterklasse, um die hart erkämpften Errungenschaften der Vergangenheit wieder einzukassieren. Der unausweichliche Angriff auf Renten, auf Löhne – wo es den Versuch gibt, die Löhne von Berufsanfängern zu senken – der Anstieg der Massenarbeitslosigkeit, die die Tendenz hat, zur Dauererscheinung zu werden, garantiert enorme Klassenpolarisation und Verschärfung des Kampfes zwischen den Klassen.
Ebenso wie Kriege, sind Klassenkämpfe intensiver, wenn es um die Verteilung eines kleineren „Kuchens” geht. Es gibt jetzt nicht ein Land in Europa, das nicht im Verlauf der Monate und Jahre eine Verschärfung im Klassenkonflikt erfahren wird. Dies wird symbolisiert durch eine Welle von Besetzungen in Irland, Britannien und Frankreich, einschließlich des „Bossnappings” und sogar der Drohung, eine Fabrik in Frankreich mit Dynamit zu sprechen. Dies wird sich in anderen Ländern wiederholen, wo Fabriken durch die Bosse einfach geschlossen werden. Diese Besetzungen fordern implizit die bisher „heiligen Rechte” des Managements zum Managen heraus, die jetzt so etwas wie eine Diktatur des Kapitals sind, wie selbst Sarkozy im Europawahlkampf sagte. In dieser Lage in Europa und in jedem Land sind nicht nur große Konflikte, sondern auch Generalstreiks angelegt – wahrscheinlich zuerst im öffentlichen Dienst, aber in der kommenden Periode wird das auch Beschäftigte im Privatsektor erfassen. Und dies findet vor dem Hintergrund einer Schwächung, zumindest zahlenmäßig, der Gewerkschaften in vielen Ländern statt; in Frankreich ist die Mitgliedschaft auf 8% gefallen. In Großbritannien, Spanien, Portugal und wahrscheinlich selbst Italien wurden die Gewerkschaften geschwächt.
In Großbritannien verspricht der Konflikt intensiv zu werden, denn unter der Leitung von New Labour wurde das Land von einem „Stern” am neoliberalen Himmel zu einem Problemfall, der offiziell hinter Berlusconis Italien gefallen ist! In Griechenland droht ein riesiger Zusammenstoß trotz der mächtigen Gegenwehr gegen die heftige Kürzungspolitik von Nea Demokratia und dem folgenden Sieg der vorher diskreditierten PASOK. Die Staatsschulden sind jetzt über 100% des BIP, die Ratingagenturen stufen die Ratings der Schulden des Landes zurück – wie sie es Großbritannien auch angedroht haben – was es schwierig machen wird, die Anleihenmärkte zu überreden, weiter Staatsanleihen zu kaufen. Bankrott droht nicht nur Branchen, sondern ganzen Ländern, wie das Beispiel von Argentinien gezeigt hat. Ein Land „unter Treuhandschaft” zu stellen, ist eine Sache, gleich eine ganze Reihe von Ländern darunter zu stellen, eine ganz andere. Das passierte in den 1930ern und eine ähnliche Lage droht heute für eine Reihe von Ländern in Osteuropa und auch der neokolonialen Welt.
Im kontinentalen Maßstab konnten die europäischen Kapitalisten trotz der fortbestehenden Stärke des Euro gegenüber dem Dollar keinen konkurrierenden integrierten Block gegen den der USA festigen. Der Euro kann dem Dollar aus seiner gegenwärtigen Stärke heraus die Stirn bieten. Aber er wirkt auch als eisernes Korsett, das das Leben aus ohnehin wirtschaftlich geschwächten Ländern wie Irland und Italien herauspresst, die an der Abwertung ihrer Währungen– wie sie jetzt bei den USA der Fall ist – und dadurch an der Suche nach etwas Erleichterung gehindert werden. Eine der Absichten der kapitalistischen Klassen in Europa, wegen denen sie in der Europäischen Union zusammen gekommen sind, war eine Vereinbarung, Abwertungswettläufe durch die Einführung des Euro auszuschließen, um sich selbst die Einführung „innerer Abwertungen” (Lohnsenkungen, Kürzungen bei Sozialabgaben etc.) aufzuzwingen. Wenn sich diese Krise vertieft und ihre Schwierigkeiten wachsen, könnten ein oder zwei Länder aus dem Euro aussteigen. Dies wird natürlich keinen Ausweg aus der kapitalistischen Krise bieten, kann aber der einen oder anderen nationalen Gruppe von Kapitalisten vorübergehend etwas Erleichterung verschaffen, während es auch letztlich die innereuropäischen und internationalen Spannungen verschärfen würde.
Kapitalistische Kommentatoren wie Philip Stephens von der „Financial Times” bezeichnen Europa offen und abfällig als „Museum”, das nicht erfolgreich gegen die USA konkurrieren kann. Die Bestätigung des Lissabon-Vertrags durch das zweite Referendum in Irland und die Unterschrift des tschechischen Präsidenten scheinen ein unaufhaltsamer Triumph für den europäischen Zug zu sein. Aber gerade in diesem Augenblick enthüllt sich die Schwäche des kapitalistischen europäischen Projekts und es könnte auseinander fallen. Die EU-Verfassung will wie der frühere Vertrag von Rom den Kapitalismus „für immer” als das ultimative Wirtschaftsmodell „gesetzlich” festlegen. Die Verfassung schreibt den neoliberalen Kapitalismus fest, indem sie staatliche Subventionen für Not leidende Branchen und Verstaatlichung ausschließt, während sie Privatisierung etc. unterstützt. Der Charakter dieses Dokuments und der Europäischen Kommission zeigt sich an der „Anweisung” an die Brown-Regierung in Britannien, profitable Teile des verstaatlichten Bankensektors im Interesse des „Wettbewerbs” zu verkaufen. Eine ähnliche arbeiterfeindliche Herangehensweise ist in verschiedenen europäischen Direktiven festgelegt.

Internationalistische Herangehensweise

Aber die Verfassung bleibt wie alle kapitalistischen Gesetze ein Stück Papier, sobald sich die Arbeiterklasse bewegt, um Lösungen für ihre Probleme durchzusetzen. Das zeigte sich in dem Lindsey-Arbeitskampf in Großbritannien, der kein Streik für „britische Jobs für britische Arbeiter” war, wie ultralinke Gruppen wie die britische SWP andeuteten. Wegen der Intervention von bewussten SozialistInnen, besonders der Socialist Party, konnte dem Element von Nationalismus, das es in allen Konflikten geben kann, die als ein „Kampf um Arbeitsplätze” erscheinen (wie der Kampf um General Motors gezeigt hat), durch eine klare Klassen- und internationalistische Herangehensweise entgegentreten werden. MarxistInnen lehnen den Trick der Bosse völlig ab, mit den Europäischen Direktiven die „Spirale nach unten” bei Löhnen unter der Überschrift der „freien Bewegung der Arbeitskräfte” zu verstärken. Wir kämpfen für eine Klassen- und gemeinsame Herangehensweise, deren zentrale Forderung Tariflöhne sind. Wir lehnen völlig den Versuch der Bosse ab, bei dem manche Gewerkschaftsführer helfen, einen Teil der Arbeiterklasse gegen den anderen auszuspielen, egal ob ArbeiterInnen in der Privatwirtschaft gegen die im öffentlichen Dienst gestellt werden, ob die Jungen gegen die Alten, weil die „Arbeitsplätze blockieren würden“ oder die ArbeiterInnen von einem Land Europas gegen die in einem anderen verwendet werden.
Die Realität der kapitalistischen Versuche zu einer „Einigung Europas” ist, dass vor Ort die Bosse Nationalismus, ethnischen Konflikt und Rassismus in der uralten Politik des „Teile und Herrsche” hoch peitschen, damit sie ihrer Herrschaft und der Verteidigung ihrer Profite und Privilegien dienen. Die Integration der Produktivkräfte weltweit und besonders in Europa erfordern eine internationalistische Herangehensweise an die Schlüsselkämpfe, die Verteidigung vergangener Errungenschaften wie Renten und Sozialleistungen, und den Kampf gegen die wachsende Bedrohung durch die extreme Rechte. Die jüngsten Erfolge der extremen Rechten – besonders die Wahl von Griffin von der British National Party – in den Eurowahlen spiegeln direkt die Verschiebung der Führer der ehemaligen Arbeiterorganisationen und Gewerkschaften zu einer rechten prokapitalistischen Position wider. Ein Vakuum wurde geschaffen und hat sich kürzlich sogar noch verbreitert, weil in vielen Ländern keine lebendige linke Alternative geschaffen wurde. Die „Schere” – die Kluft zwischen der grundlegenden wirtschaftlichen Lage und den Massenbewusstsein – war nie breiter. Der Erfolg der LINKEN in Deutschland, zumindest auf Wahlebene, hat es bisher geschafft, deutliche Wahlerfolge für die extrem rechten und neofaschistischen Kräfte auf Bundesebene zu verhindern. Aber die Gefahr ist nicht verschwunden und tatsächlich war die extreme Rechte im Allgemeinen der erste Nutznießer der Ablehnung der Krise durch die Massen in Europa.
Zuwanderung ist eine Schlüsselfrage für die Linke und die Arbeiterbewegung in Europa. Es darf keine Zugeständnisse an Rassismus oder Diskriminierung auf der Grundlage von ethnischer Herkunft oder Glaubenszugehörigkeit geben. Aber auf der anderen Seite ist in einer Lage von Massenarbeitslosigkeit – fast 20% in Spanien zum Beispiel bei einer beträchtlichen Immigrantenbevölkerung – die bloße Beschwörung der Opposition gegen Rassismus etc. nicht genug. Es ist wichtiger denn je, dass Antirassismus mit Klassenforderungen nach Arbeitsplätzen, Wohnungen, Bildung, Gesundheitsversorgung und der Notwendigkeit von gemeinsamen vereinigten Kämpfen verbunden wird. Die kapitalistischen Regierungen bereiten ein hartes Durchgreifen vor, die Deckelung der Zuwanderung. Wir lehnen die Idee ab, dass irgendwelche derartigen Maßnahmen eine Lösung für die Probleme bieten können, die mit Zuwanderung verbunden sind, und den ArbeiterInnen von Europa nützen. Es gibt keine kapitalistische Maßnahme, die die Hungrigen und Armen – besonders in einer Ära der Massenkommunikation – abhalten wird, zu versuchen, aus einer sich verschlimmernden Armutsfalle in der neokolonialen Welt und auch vor Verfolgung und Unterdrückung zu entkommen und ein „besseres Leben” anderswo zu erreichen. Zuwanderung an sich wird die Probleme der Armen und Unterdrückten nicht lösen – relativ wenige haben die Ressourcen, um die Reise in die fortgeschrittene industrielle Welt zu machen. Wir müssen auf eine allgemeine sozialistische Lösung drängen, um die Probleme weltweit zu lösen. Dies ist unvereinbar mit der Aufrechterhaltung von Großgrundbesitz und Kapitalismus in der neokolonialen Welt.

Obama verliert an Glanz

In den USA hat die Obama-Regierung unvermeidlich teilweise an Glanz verloren, weil die verheerende Wirtschaftskrise weitergeht. Das ist verbunden mit dem nicht gewinnbaren Krieg in Afghanistan und auch der Sackgasse und daher der Verschlimmerung der Lage im Nahen Osten, wo auch im Irak erneut die Aussicht auf einen sektiererischen Bürgerkrieg droht. Die Zustimmungsraten für Obama, die kurz nach der Wahl bei über 70% standen, stehen jetzt bei knapp über 50%. Die Wirtschaftskrise hat die ganze USA betroffen, aber in manchen Schlüsselstaaten und Städten Ausmaße einer Depression angenommen. Die Dialektik der Geschichte ist so, dass Staaten, die in der Vergangenheit wirtschaftlich in der ersten Reihe standen, von der Krise am stärksten betroffen sind mit verringerten Steuereinnahmen etc. Kalifornien – der frühere „goldene Bundesstaat” – ist heute von Arbeitslosigkeit, Kürzungen bei den Arbeitsplätzen der öffentlichen Angestellten und bei den Sozialleistungen gekennzeichnet. Tausende Obdachlose leben auf den Straßen, in Autos etc. Bis zu 100.000 Menschen schlafen jede Nacht auf den Straßen von Los Angeles. Aber das ist nicht der einzige betroffene Bundesstaat. Ganze zehn Staaten – mit einem Drittel der US-Bevölkerung – teilen ein ähnliches Schicksal. Mehr Bundesstaaten könnten im nächsten Jahr in die gleiche Lage kommen.
Detroit ist typisch für die Krise in den Städten. In den 1950er Jahren prahlte „Motown” mit dem höchsten Durchschnittseinkommen und der höchsten Rate von Wohnungseigentum unter allen größeren amerikanischen Städten. Jahrzehnte des Zusammenbruchs ihrer industriellen Basis, besonders ihrer weltberühmten Autoindustrie, haben die Stadt in die Knie gebracht. Vor fünfzig Jahren wurde es das „Arsenal der Demokratie” genannt und prahlte mit fast zwei Millionen Bürgern, die es zur viertgrößten Stadt in Amerika machten. Jetzt ist die Bevölkerung auf 900.000 geschrumpft, ein Drittel von Detroit wurde faktisch hohem Gras, Gebüsch und städtischen Farmen überlassen. Selbst in der Innenstadt von Detroit wachsen auf dem Dach eines ruinierten Wolkenkratzers ein paar Bäume! Die Stadt hat eine schockierende Arbeitslosenquote von 29%; obendrein hat die Krise große Teile der Mittelschicht getroffen, sowohl in Detroit als auch in anderen Städten. Kalifornien wäre, wenn es ein eigenes Land wäre, immer noch das achtreichste auf der Welt, aber es ist wirtschaftlich ein „gescheiterter Staat”.
Selbst Menschen mit Arbeit waren in den USA gezwungen, um kostenlose Lebensmittelgutscheine der Regierung zu bitten und die durchschnittliche Wochenarbeitszeit liegt jetzt bei 33 Stunden, die niedrigste bisher gemessene, während die Zahl der Leute, die zu Teilzeitarbeit gezwungen sind, weil sie keine Vollzeitarbeit finden können, um mehr als 50% im vergangenen Jahr auf die Rekordzahl von 8,8 Millionen gestiegen ist. Löhne und Sozialleistungen sind zurückgegangen; die Arbeitslosigkeit steht bei 10%, aber wenn die Teilzeitarbeit mitgezählt wird, liegt sie wahrscheinlich bei etwa 15%. Die „Financial Times“ berichtete, dass die 40% der Familien, die Lebensmittelgutscheine der Regierung erhalten, die „Erwerbseinkommen“ beziehen, eine Zunahme von 25% im Vergleich zu vor zwei Jahren sind, eine atemberaubende Zunahme. Zusätzlich haben wir die heftigen Gegenangriffe der republikanischen Rechten und ihrer Verbündeten gegen die sehr milden von Obama unterstützten Krankenversicherungsprogramme gesehen, die die Mehrheit der Bevölkerung, weit über 90%, abdecken sollen.
Diese Bedingungen haben gerade Obamas Basis unter Druck gesetzt. Etwa jeder Fünfte der jungen Leute und mehr als ein Siebtel der AfroamerikanerInnen und der Leute ohne High-School-Abschluss haben keinen Job. Fast ein Drittel aller jungen schwarzen Männer hat keine Arbeit. Sieben der zehn Staaten mit der höchsten Arbeitslosigkeit wählten bei den Präsidentschaftswahlen demokratisch. Bei einem Wahltest in Virginia wurden die Demokraten von den Republikanern geschlagen. Aber das kündigt nicht notwendig eine Niederlage für Obama bei den Wahlen 2012 an. Roosevelt wurde 1936 wiedergewählt, obwohl es nach seinem ersten Wahlsieg 1932 ständig Massenarbeitslosigkeit von über 15% gab. Aber der Erfolg der Obama-Regierung in der Zukunft hängt von ihrer Fähigkeit ab, die Forderung nach Arbeitskräften wenigstens teilweise zu befriedigen. Er hat eine massive Steigerung von staatlich geförderten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen „mit Hacke und Schaufel“ wie im New Deal vorgeschlagen. Aber das hängt davon ab, seine Vorschläge durch den Kongress zu bringen, was problematisch ist.
Wie in anderen Ländern besteht die dringende Notwendigkeit einer neuen radikalen Massenpartei. Ein Arbeiter in Detroit, der über die Ruinen seiner Stadt nachdachte und was mit ihnen gemacht werden sollte, erklärte: „Arme haben einfach nicht den politischen Einfluss, um Lobbyarbeit zu machen und zu kriegen, was sie brauchen, so wie es Wall Street macht.” Das zeigt im Kleinen das Dilemma, vor dem die amerikanische Arbeiterklasse steht. Die Aussichten für die Kräfte des CWI in den USA waren nie besser, wenn wir die Möglichkeiten unter der Jugend, den Hispanics, den AfroamerikanerInnen, etc. nutzen.

Irak und „Afpak“

Nach Obamas Machtantritt und dem Abtritt des verhassten Bush-Regimes sind die Weltbeziehungen auch im Fluss. Die unipolare Position von Bush ist vorbei, was Obama schon vor seiner Wahl anerkennen musste. Die USA bleiben wirtschaftlich die vorherrschende Macht auf dem Erdball und behalten auch die Fähigkeit, auf der ganzen Welt zu intervenieren, besonders militärisch. Aber den USA wurden schnell die Grenzen dieser Macht bewusst gemacht - in der Verwicklung in „Afpak“ (Afghanistan und Pakistan). Die Regierung traf die Entscheidung, amerikanische Truppen aus den Städten des Irak abzuziehen, aber dies hat keine Periode von Frieden und Freundschaft für das irakische Volk gebracht. Im Gegenteil hat es den Schauplatz für einen neuen sektiererischen Bürgerkrieg bereitet, weil die sunnitische Elite aus der Maliki-Regierung ausgeschlossen ist und daher wahrscheinlich weitere Angriffe auf die schiitische Mehrheit billigen wird. Obendrein könnten Kirkuk und weitere Städte durch den neuen sektiererischen Konflikt und einen Kampf um die Kontrolle des Öls der Region zerrissen werden. Dieses Regime wird von Stromausfällen, Massenarbeitslosigkeit und einer massiven Zunahme der Inflation heimgesucht und wird auch von den SchiitInnen abgelehnt. US-Streitkräfte können leicht wieder in einen Konflikt gezogen werden, in dem es keinen leichten Ausweg aus dem Morast gibt.
Um Afghanistan steht es womöglich noch schlimmer. US-Truppen sind dort in den letzten acht Jahren verwickelt, doppelt so lange wie die amerikanische Beteiligung am Zweiten Weltkrieg. Der gegenwärtige britische Militärchef erklärte, dass britische Truppen in Afghanistan für weitere 30 bis 40 Jahre beteiligt sein könnten. Dies ist völlig inakzeptabel für die Mehrheit der britischen Bevölkerung, die in Meinungsumfragen entschieden zu einem Abzug der Truppen aus Afghanistan umgeschwenkt ist, während die Särge von sehr jungen britischen Soldaten täglich nach Großbritannien überführt werden. Ein beträchtliches Wachstum der Antikriegsstimmung ist auch in den USA offenkundig. Die Zahl der US-Opfer hat zwar nicht das Ausmaß von Vietnam, und es handelt sich jetzt um eine Berufs- und nicht um eine Wehrpflichtigenarmee. Aber Obama steht in der Tat vor einem „Vietnam-Moment” bezüglich des Einsatzes von weiteren US-Truppen in Afghanistan. Er steht vor dem selben Dilemma, vor dem John F. Kennedy in den frühen 1960er Jahren unmittelbar vor seiner Ermordung und Lyndon Johnson später in Bezug auf Vietnam standen: weiter hineingehen oder abziehen. Obendrein ist der Umstand, dass diese Lage besteht, ein weiterer Beleg, wie wir seinerzeit vertraten, dass Bush nach dem 11. September es nicht schaffen würde, das „Vietnam-Syndrom“ aus der Psychologie der amerikanischen Bevölkerung zu entfernen.
Die Forderung nach 40.000 weiteren Soldaten durch den US-Kommandeur General McChrystal droht den Konflikt auf das Niveau von Vietnam zu eskalieren. Auch wenn Obama sich nur für eine „McChrystal light“-Version mit dem Einsatz von vielleicht 30.000 oder weniger Soldaten entscheiden würde, würde das auf heftigen Widerstand sowohl in der Region als auch den USA selbst stoßen. Obendrein wird es wahrscheinlich nicht die Gewalt aufhalten, die außer Kontrolle geraten ist und sich jetzt auf Pakistan ausgeweitet hat. Das Drängen der Obama-Regierung gegenüber dem Zardari-Regime in Pakistan, sich mit den Taliban zu befassen, ist auf taube Ohren gestoßen. Hillary Clinton sagte bei einem Besuch im Land, die Regierung solle die Taliban ausmerzen und al-Kaida beseitigen. Aber der ISI, Pakistans Militärgeheimdienst, hat, wie Clinton herausplatzte, seit einiger Zeit gewusst, wo sich Osama bin Laden in Wasiristan versteckte. Sie hätten ihn wahrscheinlich innerhalb eines Tages hochgehen lassen können. Aber sie werden das nicht machen, so lange Pakistan in einem Konflikt mit Indien feststeckt. Traditionell wurde Afghanistan vom Militär als ein Hinterland von Pakistan, eine Pufferzone gegen Indien gesehen und besonders in dem sich fortsetzenden Konflikt um Kaschmir, bei dem eine Million indischer Soldaten im indischen Sektor von Kaschmir stationiert sind. Der US-Imperialismus und die Obama-Regierung sind in einer unmöglichen Lage.
Der afghanische Konflikt führte zur „Talibanisierung“ von Teilen von Pakistan. Ein amerikanischer Abzug aus der Region würde diesen Prozess enorm beschleunigen, mit der Aussicht, dass islamische Fundamentalisten schließlich sogar Kontrolle über Pakistans Atomwaffen kriegen könnten. Selbst ein „Obristenputsch“ steht zwar nicht unmittelbar auf der Tagesordnung, ist aber auf einer gewissen Stufe möglich angesichts der „zivilen“ Regierung von Zardari und jeder anderen Regierung bei der Kontrolle der Lage. Der fortgesetzte Einsatz von Drohnen für die Bombardierung paschtunischer Gebiete wird nur die Feindseligkeit gegen den US-Imperialismus zu verschärfen. Vor lauter Verzweiflung wurde Anfang November lanciert, dass das US-Militär sogar erwäge, mit Erlaubnis der Regierung US-Truppen in Pakistan zu stationieren, um seine Atomanlagen zu bewachen!
Die jüngsten Wahlen in Afghanistan zeigten die begrenzte soziale Basis des Karsai-Regimes, das seine Basis in erster Linie in der paschtunischen Bevölkerung hat, die 40% der Bevölkerung ausmacht. Die Taliban können nie völlige Kontrolle über Afghanistan oder Pakistan ausüben wegen der Stammes- und ethnischen Spaltungen. Keine ausländische Militärmacht konnte das Land effektiv besetzen. Es war auch ein „Vietnam-Moment“ für die russischen Streitkräfte, als sie gezwungen wurden, sich aus Afghanistan zurückzuziehen. Die USA und Großbritannien stehen nicht Nationalismus als solchem gegenüber – es gibt nur ein begrenztes Nationalbewusstsein in Afghanistan. Es ist mehr „Lokalismus“ und, wie ein Kommentator kürzlich sagte, „Tal-ismus“, die die vorherrschenden Merkmale von Afghanistan sind. Mit anderen Worten hat der Stamm oder das Tal Vorrang gegenüber „nationalen Projekten“. Einfach die gegenwärtige US- und britische Präsenz beizubehalten, würde bedeuten, das Land zu verwüsten und ein „Rückkoppelungsschleife“ zu haben, die sich auf Pakistan auswirkt. Auf der anderen Seite würde ein Abzug die ganze Region ins Chaos stürzen und wäre ein enormer Schlag für das Prestige der US-Autorität, besonders militärisch. Dies ist der Hintergrund für die Diskussion unter den US- und britischen Regierungen über den Versuch, wenigstens ein paar der aufständischen Führer zu gewinnen in der Hoffnung, dadurch ihre Intervention herunterfahren zu können.
Dasselbe gilt für die Lage in Israel-Palästina. Die verheerende Intervention von Hillary Clinton, die sich weigerte zu kritisieren, dass es keinen Stopp des israelischen Siedlungsbaus gebe und es faktisch akzeptierte, trug zur Krise in der Abbas-Regierung und der explosiven Lage bei, die daraus entspringen könnte. Das Nettoergebnis war die Stärkung von Hamas und der Kräfte der rechten fundamentalistischen Kräfte des politischen Islam in den palästinensischen Gebieten mit dem zunehmenden Infragestellung der „Zwei-Staaten“-Lösung. Hamas hat formell die Idee eines palästinensischen Staats „vom Fluss [Jordan] bis zum Meer“ wieder angenommen und betont sie stärker. Gleichzeitig diskutieren Teile ihrer Führung weiter eine „Zweistaatenlösung“ als einen Schritt hin zu einem Staat. Die israelische Bevölkerung wird die Idee nicht akzeptieren, dass ein einziger palästinensischer Staat die gegenwärtige Lage ersetzt. Auf der anderen Seite wird eine Weigerung, dem palästinensischen Bürgertum auch nur an eine amputierte Zweistaatenlösung zuzugestehen, jetzt die Bühne bereiten für eine Entwicklung vom Typ „Südafrika“: Eine Kampagne könnte sich entwickeln für „eine Person – eine Stimme”.
PalästinenserInnen können überlegen, dass es keine Möglichkeit gebe, dass der israelische Staat ihre „Nationalität“ garantiert und daher müsse der Kampf um gleiche Rechte innerhalb Israels gehen. Dies wird die israelische herrschende Klasse nicht akzeptieren. Wenn die „israelischen Araber“ (in Israel lebende PalästinenserInnen) für diese Forderung mobilisieren, könnte es die Bühne für eine Massenvertreibung der PalästinenserInnen bereiten. Dies könnte zu massivem Blutvergießen in einem Maß führen, das die beiden Intifadas winzig erscheinen lassen würde. Obendrein würde es in der ganzen Region Widerhall finden und wahrscheinlich zu einem neuen Nahostkrieg führen mit all den blutigen Folgen, die daraus entspringen könnten, einschließlich des Einsatzes von Atomwaffen durch Israel oder der Drohung damit, wenn es sich militärisch belagert fühlen würde. Es könnte auch zu einem neuen Ölembargo führen, das wirtschaftlich Chaos und Verwüstung anrichten würde. Die einzige Alternative zu diesem Albtraum ist die unserer israelischen und arabischen GenossInnen: einer sozialistischen Föderation, in der die nationalen Rechte sowohl von PalästinenserInnen als auch Israelis garantiert wären. Der Kapitalismus bietet absolut keinen Ausweg aus dieser blutigen Falle.
Gleichzeitig haben Unruhen Lateinamerika erschüttert, wo der Kampf der Massen, besonders im „Andenvulkan”, der Venezuela, Bolivien, Ecuador und El Salvador umfasst, in der Frontlinie des Klassenkampfs stand. Der Machtantritt von Hugo Chávez in Venezuela und Evo Morales in Bolivien stellte eine wichtige Entwicklung dar. Diese Regierungen spiegelten die Revolte der Massen gegen den Neoliberalismus wider und waren gezwungen, eine Reihe von populären Reformen einzuführen und vergrößerten die Staatseingriffe. Besonders Chávez hat die Frage des „Sozialismus” zurück auf die politische Tagesordnung gebracht, was einen wichtigen Schritt vorwärts darstellt. Aber eine kritische Phase hat jetzt sowohl in Venezuela als auch Bolivien begonnen. Die bürokratischen Methoden von oben nach unten von Chávez’ Regime, und seine Unfähigkeit, den Kapitalismus zu stürzen, haben zu einer Sackgasse in Venezuela geführt, wie das CWI in anderem Material erklärt hat. Diese Methoden können auch die Ideen des Sozialismus diskreditieren. In Bolivien wird die Wiederwahl von Morales durch einen Erdrutsch bei den letzten Wahlen sicher eine neue Phase des Kampfes dort eröffnen, da die Massen mehr als die begrenzten Reformen erwarten, die bisher von der Regierung eingeführt wurden. Jetzt haben Morales und die MAS keine Entschuldigung mehr, die Bewegung zurückzuhalten. Die Forderung der Massen, den revolutionären Prozess voranzutreiben, wird auf die reformistische Politik und Methoden der MAS-Führung treffen, die eine explosive Lage eröffnen, die eine Auswirkung in Venezuela und dem Rest von Lateinamerika haben kann.
Brasilien, die Regionalmacht, hat es bisher zusammen mit Chile geschafft, die volle Auswirkung der Krise zu vermeiden. Dies führte zu einem relativ niedrigen Pegel des Kampfs in diesem und manchen anderen Ländern. Als Ergebnis konnte Lula in Brasilien in den Umfragen hohe Zustimmung behalten. Aber dies wird nicht unbegrenzt dauern und der Eintritt der extrem mächtigen Arbeiterklassen von Brasilien, Argentinien, Chile und Mexiko – mit starken revolutionären Traditionen – in den Kampf wird eine größere Auswirkung auf die Kämpfe und revolutionäre Prozesse auf dem ganzen Kontinent haben. Der Putsch in Honduras ist eine Warnung an die Arbeiterklasse und die Armen auf dem ganzen Kontinent, dass unabhängige Organisationen der Arbeiterklasse mit einem revolutionären sozialistischen Programm für den Sieg gegen Kapitalismus und Großgrundbesitz notwendig sind. Das Fehlen solcher unabhängigen Organisationen und Parteien der Arbeiterklasse spiegelt sich im Wachstum radikaler populistischer Kräfte in vielen Ländern wider. Diese Bewegungen sind eine Phase der Bewegung, die durch den Aufbau unabhängiger Organisationen und Parteien der Arbeiterklasse überwunden werden muss.
In Afrika bieten sich große Möglichkeiten für den Aufbau des CWI und für unsere Verankerung. Arbeitende Menschen und die Armen auf dem ganzen Kontinent gewannen in den letzten Jahren kaum oder gar nicht. Weltwirtschaftliches Wachstum bietet jetzt, in dieser neuen Rezessionsperiode, keine Aussicht auf eine wesentliche Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse. Dies wird die Kleptomanie der örtlichen herrschenden Eliten nur verstärken, die alle Vermögenswerte, die sie in ihre Hände bekommen, zu stehlen versuchen. Dies ist einer der Gründe hinter den fortgesetzten Konflikten in Mittel- und Ostafrika. Aber in den letzten Jahren gab es erneute Proteste gegen Preisanstiege bei Nahrung und Treibstoff.
In Südafrika erzeugte die Entfernung von Mbeki und seine Ersetzung als Präsident durch Zuma die Zunahme von Erwartungen und öffnete die Tür für eine neue Kampfperiode. In Nigeria gibt es eine neue Grundströmung zugunsten von Aktionen gegen die wiederholten Angriffe der Regierung auf den Lebensstandard und die Plünderung des Reichtums des Landes, aber nach vielen Massenprotesten, einschließlich sechs Generalstreiks seit 2000, gibt es ein wachsendes Verständnis, dass ein „Regimewechsel” notwendig ist. Die Herausforderung ist der Aufbau einer unabhängigen Bewegung der Arbeiterklasse und Armen, die die Macht übernehmen kann. Die Entwicklungen in Guinea seit dem Militärputsch im Dezember 2008 zeigen die Gefahren, wenn man sich auf das Militär verlässt. Nur Massenaktion unter Führung der Arbeiterklasse kann beginnen, Korruption auszumerzen, demokratische Rechte verteidigen und durch den Bruch mit Kapitalismus und Imperialismus einen Beginn mit der sozialistischen Umgestaltung der Gesellschaft zu machen.

Entscheidende Periode

Für das CWI ist dies eine neue entscheidende Periode. Wir haben begonnen, neue Kräfte zu sammeln. In Irland, das besonders hart von der Wirtschaftskrise getroffen ist, sahen wir den spektakulären Erfolg mit der Wahl von Joe Higgins ins Europäische Parlament und seine Rolle in der „Nein“-Kampagne gegen den Lissabon-Vertrag. Das Profil und die Rolle der SP und Joes zeigen sich in der Veröffentlichung von vier neuen Büchern in Irland über die Krise des „Keltischen Tigers“, die alle unseren MEP und die Partei zitieren.
Viele der neuen CWI-Mitglieder werden als KämpferInnen gewonnen, die meisten, aber nicht alle, haben ein hauptsächlich antikapitalistisches Bewusstsein. Dies ist eine Folge des kolossalen ideologischen Sperrfeuers gegen den „Sozialismus”, die vom Kapitalismus und seinen Agenturen nach dem Kollaps des Stalinismus und, mit ihm, der bürokratischen Planwirtschaften mit Staatseigentum begonnen wurde. Diese Wirkung wurde durch den internationalen Aufschwung der 1990er Jahre und des ersten Teils dieses Jahrhunderts verstärkt. Die überwältigende Mehrheit der offiziellen Führer der Arbeiterbewegung gaben das sozialistische Projekt auf, ebenso die meisten linken Intellektuellen, einschließlich mancher „MarxistInnen” und „Trotzkistlnnen”. Das CWI kämpfte hartnäckig für die Verteidigung der Ideen des Sozialismus, besonders mit dem historischen Ziel ihrer Rehabilitierung in den Programmen der neuen Arbeiterparteien. Gleichzeitig versuchten wir die hinter dem CWI gesammelten revolutionären Kräfte zu verteidigen und zu verstärken. Wir müssen immer noch für diese Ideen eintreten. Aber gleichzeitig gewinnen wir angesichts des zurückgeworfenen politischen Bewusstseins, das aus den schon beschriebenen Faktoren entspringt, viele, die KämpferInnen gegen das System sind, von denen manche ein sozialistisches Verständnis haben, aber noch keine ausgebildeten MarxistInnen sind. Wir müssen anstreben, unsere Kräfte und besonders unseren Einfluss in der Arbeiterbewegung international zu verstärken, aber gleichzeitig müssen wir denen, die dem CWI beitreten, eine umfassende marxistische Schulung geben.
Unsere Aufgabe ist weitgehend dieselbe – nur auf einem höheren Niveau – vor der die Arbeiterparteien vor dem Ersten Weltkrieg standen. Auf einem fast unbearbeiteten Gelände waren sie gezwungen, aus der rohen Masse Parteien aufzubauen. Viele, die den sozialdemokratischen Massenparteien in Frankreich, Deutschland etc. – die sich selbst als „marxistische“ Organisationen verstanden – beitraten, wurden in den Reihen dieser Parteien zu MarxistInnen und SozialistInnen geformt und entwickelt. Das umfasste wesentlich die Schaffung von Kadern, was nicht nur eine Sache der Schulung, sondern auch mit Ereignissen verbunden ist. Die Bolschewiki wären nicht die Kraft zur Veränderung der Gesellschaft geworden ohne die heroischen Beispiele der früheren Generationen im Kampf – die Narodniki, die Gruppe Befreiung der Arbeit in den 1890ern in Russland, die Revolution 1905, 1917 und die internationalen Folgen der Revolution etc. Aber die Ereignisse werden sich schnell entwickeln und die Möglichkeit für das CWI bieten, eine ähnliche Aufgabe zu erfüllen, anfangs in kleinerem Maßstab, aber mit der Hoffnung zehntausende AnhängerInnen und Millionen in einem späteren Stadium zu erreichen. Das CWI muss sich diesen Herausforderungen stellen, damit wir uns für die bevorstehenden turbulenten Ereignisse vorbereiten.

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