Di 16.09.2008
"Feindliche Übernahme: Die SAV tritt jetzt auch in Berlin und Ostdeutschland in Die Linke ein. Ein Gespräch mit Lucy Redler
Lucy Redler ist Bundesleitungsmitglied der trotzkistischen Sozialistischen Alternative (SAV). Sie war bei den Abgeordnetenhauswahlen in Berlin im Herbst 2006 Spitzenkandidatin der damals in Konkurrenz zur Linkspartei angetretenen Berliner WASG
Sie sind am Mittwoch in die Partei Die Linke eingetreten und rufen Ihre SAV-Mitstreiter dazu auf, es Ihnen gleichzutun. Was hat ausgerechnet Sie zu diesem Schritt bewogen?
Mein Aufruf richtet sich auch an die Mitstreiter der ehemaligen Berliner WASG ebenso wie an Gewerkschafter und Aktivisten der außerparlamentarischen Bewegung. Die Linke ist heute ein Bezugspunkt für Millionen Menschen in Deutschland. Sie wird als bundesweit einzige Partei wahrgenommen, die Hartz IV, Rente mit 67 und den deutschen Kriegseinsatz in Afghanistan ablehnt. Ich trete in Die Linke ein, um eine starke antikapitalistische Partei aufzubauen, die ihren Schwerpunkt auf außerparlamentarische Bewegungen legt und für die der Kampf für Sozialismus keine Utopie, sondern Maßstab ihrer täglichen politischen Arbeit ist.
Vor zwei Jahren haben Sie die Berliner Linkspartei im Wahlkampf noch mit harten Bandagen bekämpft. Warum dieser Sinneswandel?
An meiner inhaltlichen Kritik an der Berliner Linkspartei und deren Regierungspolitik halte ich nach wie vor fest. Diese Politik steht im Widerspruch zu den von der Bundespartei vertretenen Positionen. Während Die Linke im Bund für höhere Löhne eintritt, verweigert die Berliner Linke den Landesbediensteten seit Jahren substantielle Lohnerhöhungen. Während im Juni Tausende Schülerinnen und Schüler gegen die Bildungspolitik des rot-roten Senats gestreikt haben, macht auch die Bundespartei Front gegen Bildungsabbau und setzt sich für mehr Bildungsinvestitionen ein. Mit derlei Widersprüchen zwischen Anspruch und Wirklichkeit beschädigt die Berliner Linke die Glaubwürdigkeit der Linken insgesamt.
Nun sind Sie aber dem Berliner Landesverband beigetreten, dessen Politik Ihnen so zuwider ist wie eh und je. Tut so ein Spagat nicht weh?
Es geht nicht nur um Berlin. Mit den programmatischen Eckpunkten der Bundespartei kann ich mich identifizieren: mit dem klaren Nein zu Sozialabbau, Hartz IV und Privatisierungen und mit der Forderung nach Überführung der Schlüsselindustrien in Gemeineigentum. Die Berliner Linke macht nur leider keine Anstalten, diesen Weg einzuschlagen. Auch anderswo klaffen sozialistischer Anspruch und Praxis auseinander. In Berlin und bundesweit stellt sich die Frage: Wird Die Linke eine kämpferische Kraft im Interesse von Millionen oder wird sie auch in anderen Bundesländern oder sogar auf Bundesebene Regierungskoalitionen mit der SPD eingehen?
Etwa in Hessen, wo eine Regierungszusammenarbeit mit SPD und Grünen immer wahrscheinlicher wird?
Es ist richtig, in Hessen den verhaßten Roland Koch abzuwählen und deshalb für Ypsilanti zu stimmen. Danach sollte Die Linke aber im Landtag von Fall zu Fall entscheiden, ob eine Maßnahme im Interesse oder zuungunsten der arbeitenden und erwerbslosen Bevölkerung ist. Deshalb darf Die Linke keinen Tolerierungsvertrag mit der SPD unterschreiben. Sonst würde sie sich in die Verantwortung für Sozialabbau einbinden lassen. Auch die hessische SPD wird keine Politik im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung betreiben. Um Verbesserungen zu erkämpfen, sollte sich Die Linke auf den Aufbau des außerparlamentarischen Widerstands konzentrieren, wie sie es im Kampf gegen die Studiengebühren getan hat.
In Westdeutschland ist die SAV bereits in Die Linke eingetreten. Signalisiert Ihr Vorgehen das Ende der Sozialistischen Alternative?
Nein. Die SAV steht auch weiterhin für alle offen, die sich einer marxistischen internationalen Organisation anschließen wollen. Wir haben mit großer Mehrheit entschieden, auch in Ostdeutschland und Berlin in Die Linke einzutreten. Wir wollen als Marxisten mit anderen unseren Beitrag dazu leisten, einen starken sozialistischen Flügel in der Linken aufzubauen, der Regierungsbeteiligungen wie in Berlin ablehnt.
Für die Berliner Linkspartei dürfte das wie der Versuch einer feindlichen Übernahme wirken.
Diejenigen, die wie ich für eine kämpferische Linke eintreten, freuen sich gewiß über unseren Schritt. Daß sich die Freude bei Harald Wolf und Klaus Lederer in Grenzen hält, davon gehe ich aus."