Di 01.06.2004
Während in Frankreich ein Verbot von religiösen Symbolen in öffentlichen Schulen eingeführt wird, wird in Österreich über “angemessene Kleidung” in Schulen diskutiert. Der Vorschlag der Schuluniformen wird auch immer öfter vor allem von konservativen PolitikerInnen verbreitet, während sich SchülerInnen in vielen Fällen gegen die aufgezwungenen Kleiderordnungen wehren.
Reaktionäre Sprüche eines Direktors
In der aktuellen Diskussion um die Hauptschule in Ohlsdorf (Bez. Gmunden) erklärte Schulleiter Walter Zehetner, er habe es “satt, dass viele Schülerinnen und Schüler quasi halb nackt in den Unterricht schlurfen” und tief sitzende Hosen könnten zu einem Verletzungsrisiko werden. Auf der anderen Seite fallen allerdings auch viele scheinbar fortschrittliche Argumente für Kleidervorschriften oder sogar Schuluniformen. Die Kleiderverordnung in der Ohlsdorfer Hauptschule wird von manchen auch gerechtfertigt, indem sie behaupten, manches hätte “in der Schule nichts verloren”. Tatsächlich leiden manche SchülerInnen (vor allem Schülerinnen) stark unter dem sexistischen Druck, sich dem angeblichen Ideal anzupassen und unter der Propaganda die Frauen als Ware darstellt. Kleidung kann diese Probleme und den Schönheitswahn verstärken. Von DirektorInnen kamen allerdings bis jetzt immer nur Verbote, die die Freiheit der SchülerInnen einschränken. Auf sexistische Werbung* wird gänzlich “vergessen”. Solange nicht ernsthaft versucht wird das Problem des Schönheitswahn in unserer Gesellschaft zu bekämpfen, solange wird es auch sicher nicht möglich sein, Jugendliche in ihrer Erziehung vor etwaigen negativen Einflüssen zu “beschützen”.
Mit Schuluniformen gegen den Kapitalismus?
Nicht nur in Österreich wird auch häufig argumentiert, Schuluniformen könnten den Markenzwang bekämpfen und damit auch die soziale Ausgrenzung von SchülerInnen, die sich Markenware nicht leisten können und/oder wollen. Aber praktische Beispiele zeigen, dass Ausgrenzung noch immer durch “alternative” Statussymbole wie Brillen, Uhren etc. stattfindet. Selbst wenn erreicht werden kann, dass auch solche Accessoires nicht die Ausgrenzung und den Markenzwang fördern (weil z. B. Brillen von der Krankenkassa zur Gänze bezahlt werden), dann wird es noch immer soziale Unterschiede geben. Dementsprechend müsste man/frau dann auch den Haarschnitt vereinheitlichen, den Wohnort oder sogar die politische Meinung, die aufgrund der sozialen Herkunft naturgemäß auch anders sein wird. Wer tatsächlich etwas am Problem der sozialen Ausgrenzung verändern will, muss für die Beseitigung der sozialen Unterschiede kämpfen, anstatt die Probleme verdecken zu versuchen. Für eine andere Verteilung von Eigentum und Vermögen, für eine Gesellschaft ohne Profitstreben – den Sozialismus! Einen anderen Charakter haben Schuluniformen, wenn sie von den SchülerInnen selbst demokratisch beschlossen werden - als Zeichen gegen den Markenzwang, die soziale Ungerechtigkeit und das Establishment. Aber beispielsweise die zehnte Klasse der Wiesbadener Albrecht-Dürer-Realschule in Deutschland, die freiwillig entschieden hat auf Schuluniformen umzusteigen, brach nach etwa neun Wochen das Projekt ab.
Führt einheitliche Kleidung zu Solidarität?
Kollektives Bewusstsein und Solidarität wird nicht durch äußerliche “Gleichschaltung”, sondern durch das Erkämpfen von gleichen Chancen, politischen und sozialen Rechten umgesetzt werden. Individuelle Bedürfnisse, Stärken und Schwächen - das alles steht nicht im Widerspruch zum „Erlernen” von Solidarität. Zur Zeit finden viele Jugendliche in ihrer Kleidung eine Möglichkeit des Protests, die durch Schuluniformen unterdrückt werden würde. In genau diese Richtung zielen auch die Vorschläge des Herrn Direktors aus Ohlsdorf. Es ist kein Zufall, dass gleichzeitig mit dem stattfindenen Bildungs- und Sozialabbau auch die Rechte von SchülerInnen eingeschränkt werden. Bürgerliche PolitkerInnen versuchen sich gegen die Proteste für ein besseres Bildungssystem zu wehren und versuchen Ausdrucksmöglichkeiten der SchülerInnen zu unterbinden.
* Zur Zeit gibt es nur wenige öffentliche Schulen in Österreich, die durch abermalige Budgetkürzungen finanziell die Möglichkeit haben, den Schulbetrieb aufrecht zu erhalten, ohne große Werbeflächen in der Schule zu vermieten (und es teilweise Firmen auch zu gestatten während dem Unterricht zu werben).