Mi 01.02.2017
Auf unserem Treffen am 7.2. um 19:00 in der alten Welt (https://www.facebook.com/events/214678962330977/) wollen wir über Perspektiven für die antifaschistische Bewegung diskutieren. Hier ein Beitrag zu dieser Diskussion.
Antifaschismus bringt regelmäßig tausende Menschen auf die Strasse. Gleichzeitig wachsen Rechtsextremismus und rassistische Bedrohung in wesentlich höherem Tempo. Dies hat unserer Einschätzung zufolge zwei Hauptgründe. An einem dieser Gründe kann man unmittelbar nichts ändern. Man muss ihn zuerst verstehen: Es ist die Tatsache, dass der Kapitalismus in einer grundlegenden Krise steckt. Diese Krise einer brutalen Gesellschaftsordnung wird nicht durch oberflächliche Korrekturen oder „kleinere Übel“ beherrschbar. Der zweite Grund ergibt sich aus der Breite der antifaschistischen Bewegung und der sie derzeit dominierenden Strömungen. Antifaschismus kann alles mögliche bedeuten. Er erstreckt sich über viele Meinungen, politische Lager, Organisationen und selbst etablierte Parteien. In diesen Parteien – SPÖ, ÖVP, Grüne – existieren gleichzeitig Fraktionen, die sich immer stärker den Standpunkten der rechtsextremen FPÖ annähern oder zumindest für jene Sozialabbau-Politik verantwortlich sind, die das Wachstum der FPÖ fördert. Das erzeugt eine widersprüchliche und verrückte Situation.
Derzeit bereiten sich sowohl ÖVP als auch SPÖ hinter den Kulissen darauf vor, Juniorpartner eines künftigen FPÖ-Kanzlers zu werden. Welche Glaubwürdigkeit werden dann AktivistInnen haben, die bislang Jahr für Jahr dazu aufgerufen haben, doch SPÖ als „kleineres Übel“ zu wählen, um „die FPÖ zu verhindern“? Jene SPÖ, die bereits seit langem für staatlichen Abschiebe-Rassismus steht. Mehr noch: was tun Gruppen, die von einer Partei finanziert werden, die eine bundesweite Koalition mit Strache, Hofer, Kickl und deutschnationalen Burschis eingehen könnte oder gar wird?
Die Chefin der SPÖ-OÖ sprach kürzlich offen von einer Arbeitsgruppe, die die „Bedingungen für eine Koalition mit der FPÖ“ ausarbeitet. Wer glaubt ernsthaft, dass dies ein antirassistisches und soziales Programm sein wird? Viel Zeit bleibt vielleicht nicht mehr, bis aus einer vagen Möglichkeit eine schockierende Tatsache wird. Das mag eine unangenehme Wahrheit sein. Doch gerade solche Dinge müssen offen ausgesprochen werden.
Die Entwicklungen scheinen hauptsächlich unerfreulich und machen vielen (zu recht) Angst. Die Lösung heißt: weder verzweifeln noch „weiter wie bisher“. Ein kritisches Hinterfragen alter Gewohnheiten und eine Neuausrichtung sind nötig. Die antifaschistische Bewegung darf nicht der verlängerte Arm bürgerlicher Parteien oder gar des Staates sein. Mehr noch sollte sie sich selbst zum Bestandteil und Beitrag zur Entstehung einer echten Alternative gegen Rassismus, Gewalt, Sozialabbau und den Kapitalismus als Ganzes weiterentwickeln.
Eine weitere Bruchlinie sehen wir in der oft anzutreffenden Überheblichkeit gegenüber jenem Teil von FPÖ-WählerInnen, die keineswegs vorrangig rassistisch, frauenverachtend und bewusst deutschnational sind. Diesen Menschen die Schuld am Rechtsextremismus zuzuschieben, ist falsch und gefährlich. Dass Menschen Illusionen haben, unter der FPÖ werde eine "sozialere Politik" stattfinden, mag uns allen absurd erscheinen. Doch es ist schlicht ein Ergebnis jahrzehntelanger SPÖ- und ÖVP-Politik, der Schwäche der "Linken", der Dominanz bürgerlicher Massenmedien und Alternativlosigkeit. Interessanterweise hört man solche Vorurteile oft von jenen, die nun Rechtfertigungen für künftige Koalitionen mit der FPÖ als Partei und ihrer Führung (!) suchen.
FPÖ und extreme Rechte bergen eine enorme Bedrohung für Leib und Leben vieler Menschen – von Angehörigen sogenannter „Randgruppen“ und Minderheiten bis hin zu gewerkschaftlichen sowie politischen AktivistInnen. Das große ABER: Die FPÖ wird auf lange Sicht von sozialen Widersprüchen und Interessen gegensätzlicher Klassen (Superreiche & Konzerne gegen Arbeitende, Jugendliche & Arbeitslose) zerrissen werden. Die Krise des Kapitalismus wird auch für einen Kanzler Strache oder Hofer oder Haimbuchner keine großen Spielräume zulassen. Die weitere Zuspitzung sozialer Probleme wird die Chance eröffnen, in konkreten Kämpfen und Bewegungen zu zeigen, dass Rassismus und Nazisprüche keine Jobs schaffen, sondern uns allen schaden. Die FPÖ kann durch offensive Kampagnen von unten als das enttarnt werden, was sie eigentlich ist: ein besonders ekelerregender Rammbock eines überkommenen und ungerechten Systems, des Kapitalismus. Im Gegenzug kann wieder echte Solidarität zwischen den "sozial Schwachen", den "ArbeiterInnen" und den "Minderheiten" entstehen. Ein solcher Antirassismus könnte allen Betroffenen die Erkenntnis bringen, dass wir zusammen alles andere als eine Minderheit darstellen.
Die Bewegung benötigt ausdrücklicher als bisher ein klares anti-kapitalistisches Image. Dies bedeutet nicht, dass AntifaschistInnen, die weiter an der Hoffnung auf einen friedlichen und gerechten Kapitalismus festhalten möchten, nicht Teil der Bewegung sein können. Bisher ist es jedoch oft so, dass man sich als unabhängige SozialististIn für die Infragestellung der beschränkten bürgerlichen Demokratie und seiner staatlichen Einrichtungen rechtfertigen muss. Radikalität würde "abschrecken" - so ein Quatsch!
Ein solches anti-kapitalistisches Image darf sich unserer Ansicht nach nicht in bloßen Bekenntnissen und Verkündigungen erschöpfen. Entscheidend werden Moblisierungen von all jenen Menschen sein, die durch Sozialabbau, Arbeitslosigkeit und Armut betroffen sind. Dies umfasst Menschen unterschiedlicher Herkunft, Erstsprachen und Hautfarben genauso wie auch jene, die mangels Alternativen, aus Angst vor sozialem Abstieg und beeinflusst vom allgemeinen politischen Strom und dem Gift des vorherrschenden Rassismus derzeit FPÖ wählen.
Der Antifaschismus muss auf alle betroffenen „Schichten“ und „Gruppen“ (oder wie man es nennen mag) hinarbeiten. Er darf sich nicht überheblich als bloße moralische Vorgabe präsentieren. Oder gar als Stütze der gegenwärtigen „Ordnung“. Denn dieses etablierte System, die Arroganz der Superreichen & Herrschenden sowie ihre Parteien-Landschaft werden immer stärker hinterfragt und abgelehnt. Gerade hier punktet die radikale und populistische Rechte mit scheinbarem „Anti-Establishment“ und falschem, meist blank antisemitischem „Anti-Kapitalismus“. Selbst Milliardär Donald Trump konnte mit dem Slogan „Trockenlegen des Sumpfes“ in Washington und der Wall Street triumphieren. Dabei ist er ein führendes kapitalistisches Sumpf-Monster.
Wir sind davon überzeugt, dass eine offen geführte Diskussion unter AntifaschistInnen unterschiedlicher Zugänge über Fehler, Ziele, Forderungen, Methoden und Taktik keineswegs „schädlich“ oder „schwächend“ ist. Im Gegenteil. Falls du/Sie daran Interesse hast/haben, laden wir herzlich dazu ein, dies mit uns anzugehen! Das sollte aber bald sein. Neuwahlen sind jederzeit möglich.
Komm vorbei und diskutiere mit uns gemeinsam.