Di 26.03.2002
Sie alle waren gekommen, um gegen die Aufweichung des Kündigungsschutzes und gegen die Regierung Berlusconi zu protestieren. Das bedeutet vor allem eines: Sie erlauben der Regierung nicht, zu tun was sie will.
Massenbewegung statt Terror
Berlusconi hatte in den letzten Tagen versucht, den am 19. März begangenen Mord am Regierungsberater Marco Biagi gegen die Mobilisierung zu instrumentalisieren.
Der terroristische Anschlag, bei dem Biagi, Berater sowohl der früheren Mitte-“Links”-Regierung “Ulivo” als auch der Berlusconi-Regierung, erschossen wurde, gibt der Regierung einen Vorwand diese Reformvorschläge sozusagen als sein Erbe und somit über jeden Zweifel erhaben darzustellen. Tatsächlich gilt es in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit einer rechtsextremen Provokation als Möglichkeit zu erwähnen. Die Gewerkschaften ließen sich von Berlusconi bisher nicht einschüchtern. Sie hielten die Demonstration am Samstag - mit erwähnten Erfolg - als die alternative und effiziente Methode zum Kampf gegen die Regierung ab und fixierten das Datum für den ersten achtstündigen Generalstreik seit 20 Jahren: 16. April 2002.
Generalstreik steht vor der Tür
Sogar die konservativen Gewerkschaften CISL und UIL sind unter dem Druck der Basis neben der stärksten Gewerkschaft CGIL dazu gezwungen, diesen Streiktermin zu unterstützen. Die Pläne zur Abschaffung des Artikel 18 des sogenannten “Arbeiterstatuts” (“Statuto dei Lavoratori”), der gewissen Kündigungsschutz für ArbeiterInnen in Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten bietet, ist der Punkt, an dem die italienischen Gewerkschaften ihren Widerstand starten. Die Regierung hätte noch weiter Pläne in Petto: Das sogenannte “Weißbuch”, das seit der Ermordung seines Autors Biagi von der Regierung wie eine Bibel behandelt wird, umfasst Vorschläge von der Reduktion der Löhne im Süden über Dezentralisierung der Kollektivvertragsverhandlung bis zur Einschränkung des Streikrechts. Es ist somit dem Regierungsprogramm der österreichischen Regierung nicht ganz unähnlich: Nur die erste Forderung ist in Ermangelung eines entsprechenden Nord-Süd-Gefälles in der Koalitionserklärung von ÖVP und FPÖ nicht enthalten, die beiden anderen lesen sich dort ganz ähnlich.
Gewerkschaften werden kriminalisiert
Berlusconi verglich die Demonstration mit den Pistolenschüssen, ein Minister zweifelte ob eine derart große Demonstration “verfassungskonform” sei. Daneben versucht sie die konservativen Gewerkschaften mit Verhandlungsangeboten abzukoppeln. Der kommende Generalstreik könnte die Nagelprobe für die italienische Rechtsregierung werden: Bereits die erste Regierung Berlusconi hatte unter dem Druck einer Massenbewegung ihre populistischen Teile und damit die Mehrheit verloren. Die Schwäche der Linken liegt in ihrer Alternativlosigkeit: Sergio Cofferati, Sekretär der CGIL und großer Star der Demonstration am 23. März gilt als Kandidat für die Führung des Mitte-“Links”-Bündnisses “Ulivo”, das in seiner Regierungsperiode Ende der Neunziger Jahre einen scharfen neoliberalen Kurs gefahren ist und somit die Frustration gesät hat, die zum neuerlichen Aufstieg Berlusconis geführt hat. Für viele ArbeiterInnen und Jugendliche, vor allem für viele in der Rifondazione Comunista (RC - Partei der Kommunistischen Neugründung) ist das keine Alternative. Trotzdem strebt der Sekretär der RC, Fausto Bertinotti für die kommenden Regionalwahlen eine Bündniskandidatur mit dem Ulivo an.
Vor der Entscheidung
KommunistInnen und SozialistInnen in Italien, speziell ein Partei mit 100.000 Mitgliedern wie die Rifondazione, müssen jetzt eine echte Alternative anbieten. Durch eine klare sozialistische Perspektive, könnte eine Mehrheit von der Notwendigkeit einer Alternative zum Kapitalismus überzeugt werden. Die drei Millionen, die am 23. März in Rom warfen, und die, die am 16 April in den Generalstreik involviert sein werden, sind schon jetzt ein Beispiel für Menschen, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Wenn sie diesen Weg weiter beschreiten, haben sie die Möglichkeit, auch ein Beispiel für einen Sieg der ArbeiterInnen über neoliberale Politik zu werden.