Mi 01.01.2014
Peter Taaffe, Generalsekretär der Socialist Party (CWI England and Wales) untersucht die Entwicklungen und Ereignisse 2013 in Britannien und weltweit, und diskutiert die kommenden Kämpfe 2014 und die Entwicklungen der ArbeiterInnenbewegung.
„Aber wo bleibt der Aufstand von links? Diese Weltfinanzkrise begann an der Wall Street, sie wurde möglich, weil die Kontrolle der Finanzmärkte systematisch abgeschafft wurde - wie es rechte US-Ideologen stets gefordert hatten. Sie hat einfache Leute ungeheuer schwer getroffen, während reiche Mitarbeiter des Finanzsektors dank Staatshilfe zu Krisengewinnlern wurden. Wenn das nicht zu einem Aufstand der Linken führt, was dann? Ich hatte eine Art linke Tea Party erwartet.“ (Interview mit Francis Fukuyama, Spiegel Online, 30.1.2012)
Dies war die selbstgefällige Schlussfolgerung des Propheten der Idee dass der neoliberale Kapitalismus das "Ende der Geschichte" darstellen würde, jenes perfekten Modells des Kapitalismus, das den Klassenkampf und Sozialismus auf den Müllhaufen der Geschichte verbannt hatte.
Er erhielt seine theoretische Antwort auf den Seiten von „The Socialist“ (Magazin der Socialist Party, Anm.) und socialistworld.net (Homepage des CWI, Anm.) aber noch viel wichtiger in den seither stattgefundenen Ereignissen mit dem Ausbruch von kolossalen Massenbewegungen der ArbeiterInnenklasse und der Armen. 2013 hat die ArbeiterInnenklasse unter der Führung der BergarbeiterInnen und in Folge der größten Streikwelle der Welt den Kapitalismus in Südafrika herausgefordert. Dasselbe haben die brasilianischen ArbeiterInnen getan und die türkischen und ägyptischen Massen, nicht zu vergessen die nicht endende Welle von Kämpfen die Europa erschüttern. Allein Griechenland hat seit 2009 31 Generalstreiks erlebt.
Und das war kein Phänomen das nur auf die mehr "entwickelten" Länder und Kontinente beschränkt gewesen wäre, Nigeria hat ebenfalls acht Generalstreiks seit 2000 gesehen! Argentinien wird einmal mehr von sozialen Unruhen erschüttert, mit einem Polizeistreik im Dezember, was zu einer „Flut von Plünderungen" führte. Das Land erlebt auch einen großen Durchbruch bei den letzten Wahlen als ein Bündnis von TrotzkistInnen 1,4 Millionen Stimmen bei der Wahl erhielt!
Dann gibt es das politische Erdbeben repräsentiert dadurch, dass zum ersten Mal seit 100 Jahren in Seattle (USA) eine Sozialistin, Kshama Sawant, eine Sympathisantin des CWI, gewählt wurde. Dies spiegelt auch die enorme Wut gegen den Kapitalismus in den USA wieder, die sich auch darin ausdrückt, dass der radikale Demokrat Bill de Blasio mit 73% der Stimmen zum Bürgermeister von New York City gewählt wurde. In Lorain County, Ohio, wurden 24 „unabhängige Labor“ KandidatInnen, die von den Gewerkschaften unterstützt wurden, gewählt. Dies alles deutet zweifellos eine Bewegung hin zu einer radikalen dritten Partei in den USA auf nationaler Ebene zu einem bestimmten Zeitpunkt an – wofür sich in Meinungsumfragen bereits 2/3 aussprechen.
Diese und viele andere Beispiele lassen sich bringen um die zerstörerische und demoralisierende Idee zu widerlegen, dass die ArbeiterInnenklasse sich mit dem kapitalistischen System ausgesöhnt hätte, und das noch dazu zu einem Zeitpunkt, als dieses System durch eine der verheerendsten Wirtschaftskrisen, vielleicht die schlimmste in der Geschichte, unter Beschuss gerät. Doch auch diese Tatsachen haben nicht verhindert das andere wie die „Financial Times“, Fukuyamas These aufgreifen und höhnisch fragen: "Wann haben die IrInnen ihr Schicksal so akzeptiert?" "Irisch" gilt stellvertretend für die gesamte ArbeiterInnenklasse, nicht nur in Irland. Der Mythos wird befeuert, dass die arbeitenden Menschen still halten, während der Moloch des Kapitalismus über sie hinweg rollt.
Und die Wahrheit ist, dass es auch innerhalb der ArbeiterInnenbewegung einige ArbeiterInnen gibt, die von ähnlichen Argumenten verführt werden könnten. Aber erstens, die Menschen in Irland und insbesondere die ArbeiterInnenklasse haben ihr „Schicksal“ keineswegs fügsam akzeptiert. Das drückt sich in der Massenkampagne zur Nichtbezahlung der Haussteuer aus, wo 80% sich zunächst weigerten zu zahlen und wo die Socialist Party in Irland (CWI-Sektion, Anm.) eine führende und herausragende Rolle spielte. Es gab jede Aussicht auf Erfolg in diesem Kampf, aber die irische Regierung tat alles um die Massenbewegung zu Fall zu bringen indem die Steuer direkt eingezogen wurde. Das durch eine Regierung, in der die sogenannten Labour Party („ArbeiterInnenpartei“) ein wichtiger Bestandteil ist, eine Partei die heute eine völlig pro-kapitalistischen Kraft ist.
In diesem Sinne hat die irische Regierung von den Kämpfen gegen die Poll Tax in Britannien (in den 1990er Jahren eine Massenbewegung gegen die unsoziale Kopfsteuer, eingeführt unter Thatcher, Anm.) gelernt, eine Bewegung die Thatcher geschlagen hatte, die aber im wesentlichen nicht mit ähnlichen Aktionen durch die lokalen Behörden und die Regierung konfrontiert war.
Da sie auf dieser Ebene überprüft hat, wird sich die irische ArbeiterInnenklasse den bevorstehenden Wahlen zuwenden um die Verantwortlichen - insbesondere die Labour Party - für diese Strafmaßnahme zu bestrafen.
“Europa in einer vorrevolutionären Situation”
Es zunehmend auch den IdeologInnen des Kapitalismus aufgefallen, dass dieses System immer mehr und mehr mit dem Rücken zur Wand steht: "Der Westen verliert den Glaube in die eigene Zukunft", sinniert Gideon Rachman in der „Financial Times“ (der "Westen" ist hier ein Synonym für Kapitalismus).
Er weist darauf hin, dass eine aktuelle Pew-Umfrage, die in 39 Ländern durchgeführt wurde, zeigte, dass in Amerika: "Nur 33% … glauben, dass ihre Kinder ... besser leben würden, während 62% sagten, dass sie schlechter leben würden." Einige andere Umfragen in den USA haben gezeigt, dass dieser Pessimismus über die Zukunft sogar bei 80% liegt. EuropäerInnen waren noch düsterer. Nur 28% der Deutschen, 17% der BritInnen, 14% der ItalienerInnen und 9% der FranzösInnen meinen, dass es ihre Kinder besser haben werden, als frühere Generationen!
Die objektive Grundlage für eine Veränderung in der Gesellschaft - vom Kapitalismus zum Sozialismus – zeigt sich in dieser Statistik. Die Revolution klopft an die Tür der Geschichte, sogar in den fortgeschrittensten kapitalistischen Gesellschaft wie den USA selbst. Anders als in Europa und anderswo belastet das unheilvolle Erbe der diskreditierte Sozialdemokratie und der sogenannten "kommunistischen" Parteien, mit ihrer Geschichte von Verrat die US-ArbeiterInnenklasse nicht. Sie kommen unbelastet und frisch zu sozialistischen Ideen.
Die Bestätigung der fatalen Situation des Kapitalismus kommt aus den unwahrscheinlichsten Quellen. Der britische populistische und demagogische - und weitgehend rechte - Kommentator Nick Cohen von der Zeitung „Observer“, verurteilte den Comedian Russell Brand für dessen Aufruf zur "Revolution". Allerdings haben sich Brands Ansichten als enorm populär erwiesen, besonders unter jungen Menschen, wie die große Zahl von YouTube Zugriffen enthüllt. Aber in der Mitte seiner Tirade gegen Russell Brand gibt Cohen fast beiläufig zu: "Die heutige Krise hat Europa in eine vorrevolutionären Situation gebracht"!
Um eine sozialistische Veränderung durch zu führen müssen die objektiven Faktoren vorhanden sein. Die Welt ist geradezu überreif für einen Wandel. Dies ist offensichtlich im Bereich der Wirtschaft, bei der wachsenden politischen Krise der KapitalistInnen und ihrer Parteien, dem Rückgang der Wahlbeteiligung, sowie in der massive Umweltkrise. Die britische Zeitung „Guardian“ hat 90 riesige multinationale Konzerne aufgelistet, davon einige im "öffentlichen" Sektor, die die Schuld an den meisten der schrecklichen Schäden und daraus resultierenden Gefahren für die Menschheit tragen, durch die von ihnen verursachte Verschmutzung die zur globalen Erwärmung, dem Schmelzen der Polkappen, etc. führen.
Doch für einen sozialistischen Wandel - die größte Aufgabe in der Menschheitsgeschichte – müssen sich die ArbeiterInnenklasse und ihre Verbündeten, die Armen in den Städten, sowie die armen BäuerInnen, in ihrer Mehrheit voll dessen bewusst werden, was notwendig ist. Das überwältigende Verhältnis der Klassenkräfte ist zu ihren Gunsten. Über 70% der Weltbevölkerung ist heute in städtischen Gebieten konzentriert, was der ArbeiterInnenklasse mehr Potenzial, ein größeres spezifisches Gewicht um Veränderungen zu erwirken, als zu jeder anderen Zeit gibt. Der Kapitalismus wird nicht automatisch von der Bühne der Geschichte verschwinden, sondern braucht Unterstützung um die Bühne zu räumen, wie auch die ehemalige rechte Labour-Koryphäe George Brown in den 1970er Jahren sagte: "Keine privilegierte Gruppe verschwindet von der Bühne der Geschichte ohne Kampf, und das ist in der Regel ohne Tabus."
Doch das Bewusstsein der Masse der ArbeiterInnenklasse bezüglich der Realitäten des Kapitalismus in der Krise und darüber, was getan werden muss und was die wirkliche Alternative ist, ist noch nicht voll ausgereift. Bewusstsein ist nicht nur durch die aktuellen Ereignisse sondern auch von der vorhergegangenen Zeit geprägt. Die Periode von 1990 bis mindestens bis zum Beginn der Wirtschaftskrise in den Jahren 2007-08 war geprägt von den Auswirkungen des Zusammenbruchs des Stalinismus.
Das Rad der Geschichte zurückdrehen
Dieser Zusammenbruch führte nicht nur zur begrüßenswerten Zerschlagung des bürokratischen Apparates des Stalinismus sondern unglücklicherweise auch zu jener der geplanten Wirtschaft. Obwohl bürokratisch kontrolliert, stellte diese einen Referenzpunkt für die internationale ArbeiterInnenklasse dar. Sie war ein Indikator dafür, was mit einer geplanten Wirtschaft erreicht werden kann wenn sie auf einer anderen, als stalinistischen Basis organisiert wäre, durch ArbeiterInnenkontrolle und -verwaltung.
Der Zusammenbruch des Stalinismus bedeutete auch, dass das Rad der Geschichte ein riesiges Stück zurück gedreht wurde. Revolution ist, wie Marx es festgestellt hatte, die Lokomotive der Geschichte. Konterrevolution, die sich manchmal, aber nicht immer, in einer Diktatur ausdrückt, stellt eine gigantische Bremse dar. Vor 20 Jahren fand v.a. eine ideologischen Konterrevolution statt wo die KapitalistInnen und ihre SprecherInnen die Segnungen des Kapitalismus priesen. Fidel Castro hat sogar angemerkt, dass das Verschwinden der „Sowjetunion“ so wäre, als wenn „die Sonne plötzlich verschwunden wäre“. Sozialismus wurde an den Rand gedrängt. Marxismus entsprechend „diskreditiert“.
In Wahrheit ist der Klassenkampf ebenso weiter gegangen wie Sozialismus und Marxismus. Aber die Massenparteien der ArbeiterInnen brachen unter der Lawine der pro-kapitalistischen Propaganda zusammen und gingen nach rechts. Die Mehrheit der Gewerkschaftsführungen tat dasselbe.
Als dann die Krise von 2007-08 ausbrach war die ArbeiterInnenklasse im wesentlichen politisch vollständig unvorbereitet. Ein Teil der arbeitenden Massen war betäubt und hoffte, dass der Sturm rasch vorbei wäre. Sie sind immer noch in dieser ambivalenten Situation. Andere Teile haben sich, als die volle Härte der Krise sich auf diese legte, in den Kampf geworfen, wie in den enormen Kraftanstrengungen der ArbeiterInnenklasse in Griechenland, Spanien, Portugal, Italien etc. deutlich geworden ist als diese sich gegen die Versuche wehrten, die Kosten der Krise auf ihren Schultern abzuladen.
Doch die Perspektive der rechten Führungen dieser Parteien und Gewerkschaften war und ist in der Vergangenheit gefangen. Sie hofften auf eine rasche Rückkehr dieser Rahmenbedingungen was es ihnen erlauben würde, auf ihrer ruhigen Insel zu bleiben. Vergeblich! Der Kapitalismus in der Krise war gezwungen, die ArbeiterInnenklasse und alle in der Vergangenheit erreichten Errungenschaften zu attackieren, was wiederum diese Führungen zwang zu versuchen, sich an der Spitze von Massenbewegungen zu stellen um diese besser abschwächen zu können.
Die Konsequenz davon war, dass die KapitalistInnen im wesentlichen die erste und auch die zweite Runde des Kampfes gewonnen haben. Doch molekulare Veränderungen im Bewusstsein der ArbeiterInnen haben begonnen.
Es stimmt, dass das Bewusstsein noch nicht das Niveau erreicht hat, dass in den 1980er Jahren existierte, als Sozialismus in weiten Teilen als echte Alternative wahrgenommen wurde. Auch ist die ArbeiterInnenklasse, abgesehen von einer schmalen entwickelten Schicht, sich nicht voll darüber im Klaren, was in der gegenwärtigen Situation nötig ist. Dafür brauchen sie weitere Erfahrungen durch die Formierung von unverkennbaren Massenparteien unter der Begleitung der Stärkung des Marxismus und einer weitsichtigen Führung.
Dieser Prozess hat schon vor dem Aufbrechen der aktuellen Wirtschaftskrise begonnen und indem linke Parteien entstanden sind. Doch die Führung dieser Parteien war zögerlich und war nicht darauf vorbereitet, die ArbeiterInnenklasse im Kampf zu führen um die brutalen Pläne der KapitalistInnen zurück zu schlagen.
Um diesen Kampf bis zum Ende zu führen braucht es ein kämpferisches, sozialistisches Programm um den verrotteten Kapitalismus heraus zu fordern. Ohne dieses sind Rückschläge und Niederlagen wahrscheinlich. Vor den riesigen Ereignissen in Griechenland, Spanien, Portugal und sogar Britannien, als es massive Demonstration und Streiks gab, war es möglich, wenn auch inkorrekt, zu argumentieren, dass die ArbeiterInnen nicht kämpfen würden weil sie durch den Kapitalismus verdorben wären. Aber heute kann niemand die Bereitschaft der ArbeiterInnen in Frage stellen, sich in den Kampf zu werfen. Die Ereignisse haben ihren Stempel auf der Sichtweise der ArbeiterInnenklasse gelassen und insbesondere bei den entwickeltsten Schichten.
Die brutale, gegen die ArbeiterInnenklasse gerichtete Politik wird Massenaufstände provozieren
Es ist ohne Zweifel dass, wenn der Kapitalismus seinen aktuellen Kurs weiterführt, und das wird er, in dem er immer brutaler und brutaler gegen die ArbeiterInnenklasse gerichtete Politik auf türmt, Massenaufstände wie in Griechenland auf europäischer und sogar weltweiter Ebene auf der Tagesordnung stehen. Die Menschen in Griechenland haben keine Verschnaufpause von den brutalen und grausamen Kürzungen: „Sparpolitik ohne Ende“, eine geplante Armut für mindestens weitere fünf Jahre und in Wahrheit für noch viel länger!
George Osborne, der britische Schatzkanzler will mit dem Sparprogramm seiner Regierung die öffentlichen Ausgaben auf das Niveau von 1948 hinab drücken. Deshalb kann massenhafter Widerstand, können Massenaufstände – auch wenn die vermeintliche Führung der ArbeiterInnenklasse dagegen sind – stattfinden die die Grundlagen des Kapitalismus selbst gefährden. Schauen wir uns nur die Welle von „Heugabel“ Aufständen an, die Italien vor Weihnachten erschüttert haben. Auch wenn Berlusconi versucht hat, diese Bewegung zu vereinnahmen und auch wenn einige an der Führung dieser Bewegung eindeutig reaktionäre Stellungnahmen abgegeben haben – dennoch war diese Bewegung eindeutig eine linke, wenn auch unfertige Bewegung der Opposition und Verzweiflung über die Sackgasse des italienischen Kapitalismus. Die Existenz der Bewegung ist auch eine deutliche Kritik an den Fehlern und der Unfähigkeit der Gewerkschaftsführungen die ArbeiterInnenklasse im Widerstand gegen Angriffe des italienischen Kapitalismus zu organisieren. Überall haben sich ähnliche Bewegungen entwickelt wo die Linke interveniert, im besonderen durch die Kräfte rund um ControCorrente (die Sektion des CWI in Italien) in Genua, die eine erfolgreiche Streikwelle angeführt hat die Privatisierungen verhindert hat und auch einige Zugeständnisse erreicht hat.
Das macht einmal mehr die schreiende Notwendigkeit für neue Formationen der ArbeiterInnenklasse deutlich, die das Vakuum, dass durch die Kapitulation der Führungen der ehemaligen Organisationen der ArbeiterInnenklasse entstanden ist, füllen können.
Der Kapitalismus wird immer einen Ausweg aus seinen Krisen finden solange bis die ArbeiterInnenklasse eine Bewegung anführt, die alle ausgebeuteten und unterdrückten Schichten der Gesellschaft im Kampf um die Macht hinter sich gruppiert. Weil heute eine solche Kraft nicht existiert bedeutet das, dass sich ein langwieriger Kampf entwickeln wird der Siege und Niederlagen sehen wird und der die Basis für die Entstehung von wirklich kämpferischen Parteien und Führungen legen wird.
Diese Notwendigkeit für eine neue Massenpartei der ArbeiterInnen zeigt sich auf allen Kontinenten. Die Stimmung, dass die alten Parteien diskreditiert sind und dass „etwas Neues“ gebraucht wird ist fast allgegenwärtig. Das wurde jüngst z.B. sehr dramatisch offenbart in Chile, wo nur 42% bei der letzten Runde der Präsidentschaftswahlen gewählt haben! Sogar in Britannien mit seiner langen demokratischen Tradition erklären mehr und mehr ArbeiterInnen, dass sie keinen von „denen da oben“ wollen. Bei einer Umfrage erklärten jüngst 41% der britischen WählerInnen, dass sie nicht vor hätten, bei den bundesweiten Wahlen ihre Stimme abzugeben. Das ist nicht, wegen einer „unpolitischen“ Stimmung oder weil es Zustimmung zum Status quo gäbe – im Gegenteil es gibt kochende Wut. Aber keine der pro-kapitalistischen Parteien, inklusive Labour, stellen eine wirkliche Alternative dar. Nur die Trade Union and Socialist Coalition (Koalition von GewerkschafterInnen und SozialistInnen, TUSC – ein Bündnis zwischen der Socialist Party in England und Wales und der Gewerkschaft der EisenbahnarbeiterInnen RMT und anderen) bietet eine Alternative die sozialistisch ist und für die ArbeiterInnenklasse. TUSC wird bei den kommenden Wahlen im Mai 2014 umfassend antreten.
Zuma wird ausgepfiffen
Diese grundsätzliche Stimmung hat sich auch sehr dramatisch in Südafrika gezeigt bei der Gedenkveranstaltung für Nelson Mandela im Stadion. Der südafrikanische Präsident Jacob Zuma wurde rundherum ausgepfiffen, was in den weltweiten TV-Übertragungen auch deutlich zu sehen war. Es ist bezeichnend, dass das südafrikanische Fernsehen diesen Ausdruck von Massenopposition zu Zuma nicht gezeigt hat. Gegen die offene Korruption der verrotteten ANC Regierung die symbolisiert ist durch den Bau von Zumas palastähnlichem Amtssitz mit geschätzten Kosten von 12 Millionen Pfund, braut sich ein Aufstand zusammen.
Die Bewegung in Richtung einer neuen Massenpartei der ArbeiterInnen ist unaufhaltsam. Die GenossInnen des CWI in Südafrika haben eine entscheidende Rolle dabei gespielt, die Basis für den Ausdruck einer mächtigen Bewegung in diese Richtung zu legen und zwar durch die Gründung der Workers and Socialist Party (WASP). Das hat seinerseits wieder dazu beigetragen, dass die Gewerkschaft der MetallarbeiterInnen (NUMSA) erklärt hat, dass sie für eine neue Massenpartei der ArbeiterInnen eintritt die sich auf die Gewerkschaften stützt. Aber in der Politik ist Timing zentral: „Der Strom der menschlichen Geschäfte wechselt; nimmt man die Flut war, führet sie zum Glück.“ (aus „Julius Cäsar“ von William Shakespeare)
Peter Hain, der britische Abgeordneter der Labour Party und früher ein unerschütterlicher Unterstützer des ANC hat im britischen „Sunday Telegraph“ gewarnt: „Die Wirtschaft bringt nur 9% der Bevölkerung etwas...“ (In Wirklichkeit ist es ein noch viel kleinerer Teil der Bevölkerung die davon profitiert)... „Die Herrscher des ANC werden sich einer Revolution von wachsenden Erwartungen und Frustration gegenüber sehen.“ Es ist von zentraler Bedeutung dass bei den heurigen Wahlen in Südafrika eine Herausforderung auf der Wahlebene existiert. Wenn die MetallabeiterInnengewerkschaft NUMSA nicht die Initiative ergreift um 2014 zu kandidieren, sollte WASP antreten um eine Alternative zum verrotteten, korrupten ANC anzubieten.
In Thailand hat sich jüngst der bemerkenswerteste und bizarrste Ausdruck von politischer Verwirrung gezeigt wenn eine klare Alternative von ArbeiterInnen und SozialistInnen fehlt. Die aktuelle Regierung die von der milliardenschweren Familie von Thaksin dominiert wird hat ihre Basis vor allem in den ländlichen Gegenden. Die Kräfte der Opposition auf der anderen Seite sind v.a. in den städtischen Gebieten konzentriert und ihre Führung unterstützt die Monarchie.
Die thailändischen ArbeiterInnen und BäuerInnen hängen also an den Rockschössen von unterschiedlichen Teilen der AusbeuterInnen, der KapitalistInnen und GrossgrundbesitzerInnen. Die Opposition wird angeheizt durch die Armut und die zügellose Korruption die ihre Narben im Land hinterlassen hat. Weil sie in der Minderheit sind, sind sie gegen Neuwahlen weil sie davon ausgehen, dass sie diese verlieren würden: „Den DemonstrantInnen ist nicht daran gelegen, der diktatorischen Mehrheit zustimmen ... Um die Menschen zu verraten, um das Gleichgewicht der demokratischen Macht zu zerstören.“ (Financial Times)
Die Regierung hat Tausende ihrer UnterstützerInnen aus ihren ländlichen Kerngebieten in Bussen angekarrt um die Massendemonstrationen in Bangkok zu kontern. Es sieht so aus, als ob die völlig verfahrene Lage nur gelöst werden wird durch einen „sanften Putsch“, wenn die Generäle die Macht ergreifen. Eine echte Partei der Massen würde einen anderen Weg einschlagen und zu Wahlen für eine revolutionäre verfassunggebende Versammlung aufrufen, Seite an Seite mit demokratisch gewählten Komitees, mit Wahlen und dem Recht der Abwahl in den Städten und am Land. Sie könnte ein Programm aufstellen dass bei den täglichen Lebensbedingungen der arbeitenden Menschen und der BäuerInnen ansetzt und von dem sie vorschlägt, dass es von einer „Regierung der ArbeiterInnen und kleinen BäuerInnen“ umgesetzt wird. Das könnte die verfahren Lage aufbrechen und eine demokratische und sozialistische Zukunft für die Menschen in Thailand vorbereiten. In der Ukraine herrscht eine ähnliche Patt-Situation.
Organische Krise des Kapitalismus
Die Idee einer neuen Massenpartei der ArbeiterInnen ist nichts vorübergehendes und wird nicht von der politischen Karte verschwinden. Sie wird angefeuert durch die organische Krise des Kapitalismus und das Versagen von all jenen Parteien, die sich an ein sterbendes System binden. Die Hoffnungen der kapitalistischen WirtschaftsexpertInnen, dass die Weltwirtschaft 2013 Fluchtgeschwindigkeit erleben würde wurden zerschlagen.
Im April 2013 hat der Internationale Währungsfonds beschrieben, dass die Welt sich mit drei unterschiedlichen Geschwindigkeiten bewegt. Die sogenannten Schwellenländer – Brasilien, China, Indien etc. in der neokolonialen Welt – würden Wachstum erfahren, die USA würde sich weiterhin von der Krise „erholen“ und nur Europa würde noch in der wirtschaftlichen Flaute stecken. Nun müssen sie ihre Prognose revidieren und müssen anerkennen, dass das Wachstum in China, Indien und Brasilien zurückgegangen ist. Europa bleibt verdorben. Das Wachstum in den Schwellenländern wurde angefeuert durch die spekulativen Fonds die durch die quantitative geldpolitische Lockerung („quantitative easing“) in Europa und Amerika entstanden sind. Schon die bloße Ankündigung dass der Zugang von der Notenbank der USA eingeschränkt wird hat zu einem massiven Kapitalfluss aus diesen Ländern geführt was im Gegenzug dazu führte, dass deren Wachstumsperspektiven reduziert wurden.
Unter den entwickelten Industriestaaten haben sich nur die USA und Deutschland von der Krise von 2007-08 in dem Sinn „erholt“, dass das Produktionslevel von vor der Krise wieder übertroffen wurde. Dennoch ist die Erholung eine weitgehend freud- und joblose, auch in den USA und in Deutschland aber insbesondere im Rest der kapitalistischen Welt. Trotz allem Täuschen und dick Auftragen von Osborne findet die einzige Erholung in Britannien und anderswo in den Taschen der Bosse selbst statt. Sie haben fantastische Berge von Reichtum angehäuft. Einige der KapitalistInnen und ihrer RepäsentantInnen, wie Obama als er bei der Gedenkveranstaltung für Mandela sprach, und jüngst auch der Papst, verurteilen zunehmend die wachsende Ungleichheit die allerdings integraler Bestandteil der kapitalistischen Gesellschaft ist. Die Ungleichheit hat in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen.
Moderne Sklaverei
Wie wenig die ärmsten Massen den Demütigungen und der Ausbeutung der Klassengesellschaft entkommen sind wurde durch eine neue Untersuchung in Bezug auf „moderne Sklaverei“ illustriert. Der „Guardian“ hat berichtet, dass „laut des von Kevin Bales, dem führenden Experten, im Rahmen der Walk Free Foundation im letzten Monat veröffentlichten Index' für die weltweite Sklaverei der Preis für einen Sklaven (durchschnittlich 90 Dollar bzw. 55 Pfund) auf einem historischen Tiefstand liegt.“ Bales definiert moderne Sklaverei folgendermaßen: wenn eine Person eine andere völlig kontrolliert, unter Zuhilfenahme von Gewalt um die Kontrolle aufrecht zu halten, um diese Person wirtschaftlich auszubeuten. Obwohl Sklaverei überall illegal ist, stellt Bales fest, dass 29,8 Millionen Menschen heute in der Sklaverei gefangen sind – in Schuldknechtschaft, Sklavenarbeit, Menschenhandel mit dem Ziel der sexuellen Ausbeutung, erzwungene Arbeit oder als HaussklavInnen. Erstaunlicherweise ist das in nackten Zahlen sogar schlimmer als bei der ursprünglichen Sklaverei: „Das steht im Verhältnis zu geschätzten 12,5 Millionen die über den Atlantik nach Amerika und in die Karibik geschickt wurden.“
Selbst der Papst, wie auch Obama, wurde vom neoliberalen Radiomoderator, der für seine provokative Art bekannt ist ("Shock Jock") Rush Limbaugh denunziert, vermeintlich den „reinen Marxismus“ umarmt zu haben. Der Papst revanchierte sich indem er darauf bestand, dass er kein Marxist sei, aber "das es das Versprechen gäbe, dass, sobald das Glas voll wäre, es überlaufen würde und auch die Armen profitieren würden. Aber was passiert, ist, ist, dass, wenn das Glas Randvoll ist, es wie von Zauberhand wächst und damit niemals etwas für die Armen herauskommt."
In Japan haben die Banken Reserven im Umfang von fast 50% des BIPs angehäuft – doch ohne rentable Absatzmöglichkeiten stagniert Japan weiter. Der verzweifelte Versuch der japanischen KapitalistInnen, sich davon durch eine große Injektion von „Liquidität“ aus dieser Lage zu befreien wird aufgrund der Krise im Rest der Welt nicht erfolgreich sein. In der Tat dämmert es auch den kapitalistischen ÖkonomInnen, dass die sie vor einem längerem Zeitraum von, im besten Fall, "trägem Wachstum" stehen. Sie befürchten, dass die japanische Erfahrung mit Deflation sich in der gesamten kapitalistischen Welt wiederholt.
Der ehemalige US-Finanzminister Larry Summers hat "literweise eiskaltes Wasser über die verbliebenen OptimistInnen" ausgegossen indem er darauf hinwies, dass der Kapitalismus vor einer Zeit der "lang anhaltenden Stagnation" steht. Schwaches Wachstum ist in einigen Ländern und Regionen der Welt möglich und sogar wahrscheinlich. Aber es wird nicht nach dem Muster der Vergangenheit ablaufen, wo ein substantielles Wachstum auf breiter Basis, die „großzügige Grundlage“ für einen steigenden Lebensstandards bildete. Es ist ein Versuch von den KapitalistInnen, die ArbeiterInnenklasse an eine neue "Normalität" von Stagnation und sinkendem Lebensstandard, struktureller Massenarbeitslosigkeit und Armut heran zu führen.
MarxistInnen haben immer anerkannt, dass, wenn nicht die ArbeiterInnenklasse und ihre Organisationen die Hebeln der Macht ergreifen und beginnen, die Gesellschaft in eine sozialistische Richtung zu verändern, der Kapitalismus auch aus einer Position der schweren Krise heraus in der Lage ist, mit etwas Zeit letztlich eine gewisse Form von Erholung zu schaffen. Tatsächlich kann eine wirtschaftliche Erholung, auch eine Begrenzte wie sie in den USA stattgefunden hat, günstig auf die Kämpfe der ArbeiterInnenklasse wirken. Dies wurde im vergangenen Jahr deutlich bei den Streiks der Fast-Food-ArbeiterInnen in den USA, die sich im Jahr 2014 auf einer höheren Ebene wiederholen können. Die Forderung nach einem Mindestlohn von 15 Dollar pro Stunde wurde von Kshama im Wahlkampf verfochten und kann von ArbeiterInnen, und auch von Gewerkschaften, im neuen Jahr aufgegriffen werden.
Kann Technologie den Kapitalismus aus der Krise ziehen?
Ist es also möglich, dass es zu einem neuen Boom kommt der den Kapitalismus in die Lage versetzt sich selbst aus den gegenwärtigen Schwierigkeiten zu retten? Kapitalistische WirtschaftswissenschaftlerInnen haben sich der Idee zugewandt, dass grüne Technologie ein Instrument wäre um das System aus der Krise zu ziehen. Die weitreichenden Entwicklungen bei der Schieferöl und -gasförderung könnte der USA zu einem späteren Zeitpunkt Autarkie geben.
Daher hoffen sie, dass diese neue Wirtschaftskraft der USA, im Bündnis mit einer neuen grünen Technologien den Hebel für eine neue wirtschaftliche Renaissance bringen könnte. Doch selbst wenn sich das in vollem Umfang entwickeln würde ist es unwahrscheinlich, dass das der USA die Macht geben würde, Lokomotive für die gesamte Welt zu werden, um einen Ausweg für den Kapitalismus zu schaffen. Wie schon in den 1930er Jahren sind die KapitalistInnen auch heute nicht in der Lage, diese Technologie vollständig zu nutzen, um einen neuen wirtschaftlichen Aufschwung zu schaffen.
Der Kapitalismus selbst hat die historische Aufgabe geschafft, Technik auf ein höheres Niveau zu stellen als jede vorherige Gesellschaft. Er hat somit die Voraussetzungen für die vollständige Nutzung aller Ressourcen des Planeten geschaffen. Allerdings sind die KapitalistInnen aktuell nicht in der Lage, diese dringende Aufgabe zu einem Abschluss zu bringen.
Die Produktivkräfte - die Wissenschaft , die Organisierung von Arbeit und Technik – sind den engen Grenzen des Nationalstaates längst entwachsen. In der Vergangenheit waren Kriege ein Ausdruck dafür, dass die Produktivkräfte an die Staatsgrenzen stießen. In der modernen Zeit mit Massenvernichtungswaffen, einschließlich Atomwaffen ist es unmöglich einen Krieg entlang der Linien des Ersten und Zweiten Weltkrieges zu führen, da dieser zur atomaren Vernichtung der Menschheit als Ganzes führen würde.
Das bedeutet aber nicht, dass nicht in Folge eines "zufälligen" mit Kernwaffen geführten Konfliktes, zum Beispiel im Nahen Osten, dieser Alptraum wahr werden könnte. Ein Wirtschafts"krieg" oder verheerende Krisen können durch die Zerstörung von Produktivkräften die selben Aufgaben für den Kapitalismus erfüllen. Dies wiederum könnte, wenn es nicht von der ArbeiterInnenklasse genutzt wird, um zu beginnen, die Gesellschaft zu verändern, Werte zerstören, neue Investitionsfelder und einen "neuen Boom" eröffnen.
Dies würde jedoch bedeuten, dass es den KapitalistInnen gelingt die Bedingungen von z.B. Griechenland, auf ganz Europa auszudehnen. Es ist unvorstellbar, dass die ArbeiterInnenklasse auf diesen "Krieg" nicht mit - dass haben die griechischen ArbeiterInnen ja gezeigt – Generalstreiks reagieren würden. In Folge wird der massenhafte Widerstand die Grundlage für die Schaffung von neuen Organisationen legen; sowohl von Parteien als auch Gewerkschaften, um die ArbeiterInnenklasse politisch für den Sieg auszurüsten. Der verrottete Kapitalismus droht die gesamte Menschheit in den Abgrund der Barbarei zu ziehen.
Die ArbeiterInnenklasse und die armen Massen der gesamten Welt können diese Katastrophe verhindern indem sie ihre volle Macht durch Kämpfe um eine neue sozialistische Welt zu gestalten, entfalten.