Fr 12.02.2016
Zum elften Mal kam im Januar der Weltkongress des Komitees für eine Arbeiterinternationale (CWI – die internationale Organisation, der die SAV angeschlossen ist) zusammen. Über 130 TeilnehmerInnen aus allen Teilen der Welt diskutierten eine Woche lang über die Weltlage und die sich daraus ergebenden Aufgaben für SozialistInnen und die Arbeiterbewegung. Einstimmig wurden drei Resolutionen verabschiedet: zur internationalen Lage, zur Situation in Afrika und zum Kampf gegen die Diskriminierung von Frauen.
Die Delegierten kamen aus Südafrika und Schweden, Brasilien und Pakistan, Québec und Griechenland, Australien und Russland und vielen weiteren Ländern. Unter ihnen waren junge Aktive aus antirassistischen Bewegungen, gestandene GewerkschafterInnen, sozialistische FeministInnen, Abgeordnete und langjähriger Führungsfiguren der sozialistischen Bewegung in ihren Ländern.
Darunter waren Kshama Sawant, die als „zweitbekannteste Sozialistin in den USA“ geltende Stadträtin aus Seattle; die sozialistischen Abgeordneten aus dem irischen Parlament, Joe Higgins und Paul Murphy; der Präsidentschaftskandidat der sri lankischen Vereinigten Sozialistischen Partei, Siritunga Jayasuriya; das Vorstandsmitglied der brasilianischen PSOL (Partei für Sozialismus und Freiheit), Jane Barros und Mametlewe Sebei, einer der Koordinatoren der Bergarbeiterstreiks in Südafrika von 2013 und Vertreter der Workers and Socialist Party.
Die Tagesordnung umfasste Debatten zur allgemeinen Weltlage, dem Präsidentschaftswahlkampf in den USA, der Situation in Europa, Afrika, Lateinamerika, Südasien, zur Frauenunterdrückung, dem Aufbau des CWI und Wahlen zu den Gremien der Internationale.
Weltlage
Peter Taaffe vom Internationalen Sekretariat des CWI leitete die Debatte zur Weltlage ein. Er und viele andere RednerInnen betonten, wie sehr und wie rasant sich die Situation seit dem letzten Weltkongress im Jahr 2010 verändert hat. Krisen, Kriege, zunehmende Instabilität, aber auch die Zunahme von Massenprotesten sind diesbezüglich die entscheidenden Stichworte. Oder wie es Per Olsson aus Schweden ausdrückte: „Die Welt ist ein instabiler und gefährlicherer Ort geworden!“
Die ökonomische Erholung seit der so genannten „Großen Rezession“ von 2007 bis 2009 ist die schwächste in der Geschichte des Kapitalismus. Wie die Debatten der Wirtschaftseliten beim Weltwirtschaftsforum in Davos zum Ausdruck brachten, gibt es keine Aussicht darauf, dass die Weltwirtschaft an Fahrt aufnimmt. Im Gegenteil, deutet viel darauf hin, dass die nächste Krise schon wieder an die Türe klopft. Dafür spricht vor allem, dass der Abschwung in China der Weltwirtschaft seiner Lokomotive beraubt. Die Folgen dieser Entwicklung sind jetzt schon in den so genannten Schwellenländern wie Brasilien und Südafrika zu spüren, deren Wachstumsraten vor allem von Export nach China abhingen, der nun zum Teil dramatisch einbricht bzw. aufgrund des drastischen Verfalls der Rohstoffpreise deutlich weniger Einnahmen generiert, was unmittelbar zu Arbeitsplatzvernichtung und Sozialkürzungen führt. Aber auch der Einbruch des Ölpreises wirkt wie ein krisenverschärfender Schock für die Weltwirtschaft.
Damit ist die Entwicklungsrichtung der Weltökonomie ziemlich eindeutig, wenn auch exakte Vorhersagen, insbesondere über zeitliche Verläufe unmöglich sind. Einig waren sich die TeilnehmerInnen weitgehend, dass man zwar nicht ausschließen kann, dass gewisse staatliche Maßnahmen den Krisenverlauf weiter verzögern können, dass der Weltkapitalismus aber weitaus weniger Pfeile im Köcher hat, als noch vor acht Jahren. Tatsächlich haben die finanzpolitischen Maßnahmen, wie die Niedrigzinspolitik und die „Quantitative Lockerung“ nicht zu nachhaltigem Wachstum, sondern zum Aufbau neuer Spekulationsblasen geführt, deren Platzen die nächste Krise vertiefen können. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass der aktuelle Verlauf krisenhafter Entwicklungen sich von dem Verlauf der „Großen Rezession“ unterscheidet. Während damals eine durch den Crash beim us-amerikanischen Finanzhaus Lehmann Bros. ausgelöste Finanzkrise auf die so genannte Realwirtschaft übergriff, steht diese – angesichts von zunehmender Überproduktion und Überkapazitäten – nun schon zu Beginn der kommenden Krise im Fokus.
MarxistInnen vertreten kein simples Ursache-Wirkung-Schema, wenn es um das Verhältnis ökonomischer und politischer Entwicklungen geht. Sie erkennen an, dass eine Wechselbeziehung zwischen Beidem besteht, verstehen aber die Wirtschaftsentwicklung als die letztliche Basis auf der sich politische und gesellschaftliche Ereignisse vollziehen. Die wirtschaftliche Krise und Schwäche des weltweiten Kapitalismus hat zu einer Kette gesellschaftlicher Krisen und Katastrophen geführt, insbesondere der drohenden Klimakatastrophe, der Zunahme von Kriegen und militärischen Auseinandersetzungen und der deutlichen Steigerung der Zahl Flüchtender. Diese ist von 11.000 zum Verlassen ihrer Heimat gezwungener Menschen pro Tag im Jahr 2010 auf 42.500 im vergangenen Jahr gestiegen. All diese Aspekte spielten eine wichtige Rolle in den Debatten auf dem Kongress und es wurde der Zusammenhang zur kapitalistischen Wirtschaftsweise und der Notwendigkeit, diese durch eine sozialistische Demokratie zu erstezen, um diese Katastrophen zu überwinden, betont.
Ein weltweites Phänomen ist eine große Legitimationskrise von pro-kapitalistischen Parteien und bürgerlichen Institutionen, eine massive Anti-Establishment-Stimmung, die sich oftmals in einer gesellschaftlichen Polarisierung nach links und rechts ausdrückt und Raum für neue politische Phänomene und Formationen schafft. Dies kann man zur Zeit in den USA beobachten, wo das politische System im Rahmen des Präsidentschaftswahlkampfs erschüttert wird und die Kapitalisten Gefahr laufen, die Kontrolle zu verlieren, weil sowohl bei den Demokraten als auch bei den Republikanern mit Bernie Sanders und Donald Trump bzw. Ted Cruz, Kandidaten siegen könnten, die nicht zum Establishment dieser beiden konzernfreundlichen Parteien gehören.
USA
Dem Präsidentschaftswahlkampf in den USA und der Frage, wie SozialistInnen mit der erfolgreichen Kampagne von Bernie Sanders umgehen sollen, wurde auf dem Kongress viel Zeit und eine eigene Plenumsdiskussion gewidmet. Das allein drückt aus, welche internationale Bedeutung diese Entwicklungen im Herzen der Bestie haben. Lucy Redler, eine der TeilnehmerInnen der SAV aus Deutschland, brachte das in Anlehnung an ein Frank Sinatra-Zitats zum Ausdruck: Ein Erfolg von Sanders würde weltweit die Stimmung „If we can make it here, we can make it anywhere!“ auslösen.
Die durch Bernie Sanders’ Kandidatur ausgelöste gesellschaftliche Dynamik war von niemandem vorher gesehen worden. Sanders ist ein unabhängiger Senator aus Vermont, der mit radikalen Reformforderungen und dem Aufruf für eine „politische Revolution gegen die Milliardärsklasse“ die Stimmung von Millionen us-amerikanischen ArbeiterInnen und Jugendlichen trifft. Seine Kandidatur zum US-Präsidenten hat Hunderttausende zu Kundgebungen mobilisiert. Er nimmt keine Spenden von Konzernen, hat aber schneller als jemals zuvor ein Kandidat schon über eine Million KleinspenderInnen mobilisieren können. Er betont, dass Veränderungen nur durch Massenbewegungen erreicht werden können und versteht sich als „demokratischer Sozialist“, was ein enormes Interesse an Sozialismus ausgelöst hat. So war der Begriff „Sozialismus“ das am meisten nachgeschlagene Wort bei dem US-amerikanischen Onine-Lexikon Merriam-Webster. Auch wenn der „Sozialismus“ von Bernie Sanders eher Modellen der früheren europäischen Sozialdemokratie entsprechen und er in einigen außenpolitischen Fragen (wie seiner Unterstützung für den Staat Israel und den Afghanistan-Einsatz) sehr falsche Positionen vertritt, so repräsentiert er doch eine enorme Herausforderung für den US-Kapitalismus und hat seine Kandidatur die Verbreitung von linken und sozialistischen Ideen enorm verstärkt
Das Problem ist, dass er im Rahmen der Vorwahlen der Demokratischen Partei kandidiert, die eine der beiden politischen Säulen des US-Kapitalismus ist und für all das steht, was Sanders vorgibt, bekämpfen zu wollen. Mitglieder von Socialist Alternative wiesen in der Kongressdebatte darauf hin, dass dies ein Widerspruch in sich ist, der den Erfolg der Kampagne gefährdet. Das vor allem, wenn Sanders bei seiner Haltung bleibt, im Falle einer Niederlage bei den Vorwahlen den Sieger bzw. die Siegerin aus den Reihen der Demokraten zu unterstützen, wahrscheinlich Hillary Clinton.
Weil sie die Gefahr erkennen, dass die Sanders-Kampagne die Radikalisierung von Jugendlichen und ArbeiterInnen, die sie selbst befördert, in den „ruhigen Hafen“ der Demokratischen Partei zu kanalisieren, sprechen sich einige Linke in den USA gegen eine Unterstützung für Sanders aus. Auch innerhalb von Socialist Alternative gibt es unter einer Minderheit von Mitgliedern die Sorge, dass eine Unterstützung für Sanders einer Unterstützung für die Demokraten gleich kommt. Ein Vertreter dieser Meinung konnte sich an den Kongress wenden, fand aber keine Unterstützung. Es bestand kein Zweifel daran, dass die Unterstützung für Bernie Sanders, wie sie von Socialist Alternative konzipiert wurde (die unter anderem darin besteht, registrierte WählerInnen zur Wahl von Sanders aufzurufen und eine unabhängige Bewegung unter dem Namen #MovementForBernie ins Leben zu rufen), weder einer Unterstützung für die Demokraten gleich kommt, noch ein Hindernis für die Propagierung eines sozialistischen Programms bzw. der Idee einer neuen „Partei der 99 Prozent“ darstellt. Entscheidend für SozialistInnen ist es aber in der gegenwärtigen Situation, in den Dialog mit den vielen tausend Sanders-UnterstützerInnen zu treten und sich in eine Position zu bringen, möglichst viele von ihnen für eine von den Demokraten unabhängige Organisierung zu gewinnen, sollte Sanders die Vorwahlen verlieren und tatsächlich zur Wahl von Clinton aufrufen.
Polarisierungen
Eine Frage, die in den Diskussionen eine Rolle spielte, war die nach der grundlegenden Entwicklungsrichtung der Ereignisse – nach links oder nach rechts? Das ist jedoch nicht einfach mit entweder-oder zu beantworten. Tatsächlich erleben wir eine weltweite Polarisierung, die Ausschläge nach links und nach rechts beinhaltet, welche zu unterschiedlichen Zeitpunkten und in verschiedenen Ländern jeweils dominant sein können.
Wie Cédric Gerome betonte, der für das CWI in den letzten Jahren viel Zeit in Tunesien verbracht hat, dürfen MarxistInnen die Lage nicht beschönigen. Das gilt nicht zuletzt für die Entwicklungen in Nordafrika und dem Nahen Osten, wo der als „Arabischer Frühling“ bezeichnete revolutionäre Prozess vorübergehend in eine Konterrevolution umgeschlagen ist, die zu diktatorischen Regimes (Ägypten), dem Auseinanderbrechen von Staaten (Libyen) und Bürgerkrieg (Syrien) geführt hat. Die Massenproteste vom Januar in Tunesien, die den Slogan „Ohne Jobs gibt es eine zweite Revolution“ hervorbrachten, zeigen, dass neue soziale Kämpfe möglich sind, die die Arbeiterklasse wieder in die Offensive bringen können
Auch in Europa gibt es eine Polarisierung nach links und nach rechts. Die Flüchtlingsfrage konnte in einer Reihe von Ländern von nationalistischen, rechtspopulistischen und neofaschistischen Kräften genutzt werden. Das gilt zweifellos für Deutschland, Österreich und einige skandinavische und osteuropäische Länder. Hier findet die Polarisierung nach rechts zur Zeit einen deutlicheren Ausdruck, wobei Teile der Arbeiterklasse und der Jugend weiterhin auf der Suche nach Antworten auf der Linken sind, wie sich in großen antirassistischen Mobilisierungen, der anhaltenden Welle von Hilfsbereitschaft für die Geflüchteten oder auch in der Anti-TTIP-Demo im Oktober 2015 in Berlin zeigte. Wie Hannah Sell aus Großbritannein sagte, kann sich die Dominanz dieses Themas in solchen Ländern wieder ändern, wenn es, nicht zuletzt im Gefolge von krisenbedingten Angriffen auf die Arbeiterklasse, wieder zu mehr Klassenkämpfen kommt. Sie betonte auch, dass ArbeiterInnen und Jugendliche sich dort eher nach links wenden, wo es eine ernstzunehmende linke Alternative gibt.
In den Ländern der europäischen Peripherie, die besonders von der Euro-Krise betroffen sind (also Griechenland, Spanien, Portugal, Irland), aber auch in Großbritannien findet die Polarisierung und die Ablehnung des kapitalistischen Establishments zur Zeit einen stärkeren Ausdruck nach links, was nicht zuletzt Folge der großen Klassenkämpfe, Streiks und sozialen Bewegungen der letzten Jahre ist. Vertreter der CWI-Sektionen in Spanien und Portugal berichteten von den Linksentwicklungen im Zusammenhang mit den jeweiligen Wahlen, während die VertreterInnen der Socialist Party (SP) aus Südirland berichten konnten, dass der Wahlkampf begonnen hat und dass das Bündnis aus der Anti-Austerity-Alliance (AAA, an der die SP beteiligt ist) und der Gruppe „People Before Profit“ Chancen hat, ihre Vertretung im Parlament zu erhöhen.
Vor allem aber die Wahl von Jeremy Corbyn zum Vorsitzenden der Labour Party zeigt, wie groß das Bedürfnis nach Antworten auf und Widerstand gegen die Austeritätspolitik ist – und dass dieses Bedürfnis unerwartete Wege finden kann, um zum Ausdruck zu kommen. Wie britische TeilnehmerInnen berichteten, hatte niemand mit dem Erfolg Corbyns gerechnet – am wenigsten er selbst. Nur weil es für jeden und jede, der bzw. die drei Pfund zahlte, möglich war, an der Wahl teilzunehmen, war die Eintrittswelle in die Labour Party möglich, die zum Sieg des Sozialisten Corbyn führte. Das hat zu einer völlig neuen Situation in der britischen Gesellschaft geführt, die von einer großen Politisierung geprägt ist, und die Labour Party in eine tiefe Krise gestürzt hat. Faktisch existieren nun zwei Parteien in einer: der prokapitalistische und neoliberale Parteiapparat und die Corbyn-Partei. Die Socialist Party tritt dafür ein, dass Corbyn und seine UnterstützerInnen ein breites Bündnis mit allen wirklich linken und gegen Austeritätspolitik eingestellten Kräften innerhalb und außerhalb von Labour bilden und die Chance zur Schaffung einer wirklichen sozialistischen Arbeiterpartei mit Massenbasis zu nutzen.
Krise der EU
Vordergründig hatte die Krise des Euros und der EU im letzten Jahr nachgelassen. Dabei ist sie alles andere als gelöst und kann jederzeit wieder Fahrt aufnehmen, vor allem im Falle einer weltweiten Wirtschaftsrezession. Zur Instabilität von Wirtschaft und Bankensystem ist mit der Flüchtlingsfrage eine politische Instabilität hinzugekommen, die die zentrifugalen Kräfte innerhalb der EU stärkt. So ist es nicht ausgeschlossen, dass sich ein Ausscheiden Griechenlands aus der EU nicht an der Frage der Schuldenrückzahlung, sondern der Flüchtlingssituation entscheidet. Das Schengen-Abkommen ist faktisch außer Kraft gesetzt, was großen Teilen der europäischen Kapitalisten enorme Sorgen macht, weil sie negative Folgen für den Warenverkehr, sprich: ihre Profite, fürchten. Doch die Kapitalisten haben die Situation nicht wirklich unter Kontrolle und sind immer häufiger mit Regierungen konfrontiert, die nicht eins zu eins die Kapitalinteressen vertreten, sondern aus Parteiegoismen und unter dem Druck rechtspopulistischer Kräfte agieren. Auch wenn ein unmittelbarer Zusammenbruch der EU nicht wahrscheinlich ist, stehen Fragen wie die Bildung eines Mini-Schengen-Raums oder einer kleinen Euro-Zone im Raum und nehmen die nationalen Antagonismen zu. Damit einher geht auch eine wachsende Ablehnung der EU in Teilen der Arbeiterklasse. Das wiederum macht eine klar sozialistische und internationalistische Anti-EU-Position umso wichtiger, wie sie beispielsweise von der britischen Socialist Party im Zusammenhang mit dem dort bevorstehenden Referendum formuliert wird.
Die neokoloniale Welt
Der Kongress beschäftigte sich ausführlich mit den Entwicklungen in Lateinamerika, Afrika und Asien. Überall finden wichtige Entwicklungen statt, die zum Teil neue Chancen für den Aufbau marxistischer Kräfte mit sich bringen. Das gilt zum Beispiel für Brasilien, wo eine neue Phase intensiver Kämpfe und Massenmobilisierungen eingesetzt hat und die Partei für Sozialismus und Freiheit (PSOL), in der die brasilianische Sektion des CWI mitarbeitet, große Chancen hat, eine starke linke Alternative zur regierenden Arbeiterpartei (PT) aufzubauen. Der ganze Kontinent ist vom Ende einer Periode geprägt, in der es relativ stabile Regierungen in den meisten Ländern gab. Das beinhaltet auch das Ende der Dominanz des Chavismus in Venezuela, der aufgrund seiner Weigerung mit dem Kapitalismus zu brechen in den Augen vieler ArbeiterInnen versagt hat. Der venezolanische Delegierte von Socialismo Revolucionario betonte daher auch, dass die Wahlen weniger Unterstützung für die siegreiche politische Rechte, als Enttäuschung und Ablehnung der Maduro-Regierung zum Ausdruck brachten.
Die Vertreter der Workers and Socialist Party aus Südafrika berichteten davon, dass die Metallarbeitergewerkschaft NUMSA die Chance zur Bildung einer neuen Arbeiterpartei bisher nicht ergriffen hat und die weitere Entwicklung hinsichtlich der Neuorganisierung der Arbeiterklasse wieder offener ist. Sie berichteten auch von der Massenbewegung von Studierenden und den Kämpfen von Universitätsbeschäftigten, die in einem Fall unter der Führung von WASP-Mitgliedern eine Lohnerhöhung von einhundert Prozent erkämpfen konnten – die höchste jemals in Südafrika erkämpfte Lohnsteigerung!
Auch aus Pakistan und Sri Lanka berichteten die Delegierten von neuen Möglichkeiten für den Aufbau der Arbeiterbewegung und von sozialistischen Kräften nachdem in Sri Lanka der faktische Kriegszustand und die Familiendiktatur der Rajapakses beendet ist und in Pakistan die Sicherheitssituation sich etwas verbessert, da die rechten Islamisten etwas zurück gedrängt werden.
Diskussion zur Unterdrückung von Frauen
Dem Kampf gegen die Diskriminierung von Frauen wurde auf dem Kongress ein spezielle Plenumsdebatte gewidmet und dazu eine Resolution verabschiedet. In diese Debatte flossen die vielfältigen Erfahrungen der verschiedenen Sektionen im Kampf gegen Sexismus und für Frauenrechte ein. Auch der Umgang mit Sexismus in den Reihen der Arbeiterbewegung und die Frage der so genannten „Identity Politics“ und Intersektionalität spielte eine Rolle.
Betont wurde unter anderem die Bedeutung, das Selbstbewusstsein und die Aktivität von Frauen, auch durch die Bildung von Frauenkommissionen, -seminaren und anderen Maßnahmen, zu fördern, aber gleichzeitig davor gewarnt, politischen Konzepten nachzugeben, die die Diskriminierung der Frau nicht als Produkt der Klassengesellschaft betrachten und den gemeinsamen Kampf von Männern und Frauen der Arbeiterklasse gegen Kapitalismus und alle Formen von Unterdrückung nicht fördern.
Besonders viel Applaus erhielt Hamid aus der Provinz Sindh in Pakistan, der von der erfolgreichen Organisierung von Textilarbeiterinnen durch die Sozialistische Bewegung Pakistan berichtete. Er führte auch aus, welche Opfer Sozialistinnen und Aktivistinnen in dieser stark patriarchal geprägten Gesellschaft bringen müssen, um für ihre eigene Befreiung überhaupt kämpfen zu können. So wurde eine führende Aktivistin der Organisation von ihrer gesamten Familie verstoßen und dementsprechend obdachlos, um selbstbestimmt den Kampf gegen Kapitalismus und Patriarchat führen zu können. Mit Stolz berichtete er, dass die Textilarbeiterinnen bei den ersten Demonstrationen vor zwei Jahren ihre Gesichter noch verschleierten und bei den diesjährigen Demonstrationen selbstbewusst den Schleier abgelegt hatten.
Die Internationale aufbauen
Das CWI arbeitet zur Zeit mit Gruppen und Sektionen in 45 Ländern auf allen Kontinenten. Der Kongress erkannte die Gruppen in Québec, Portugal, Spanien, Malaysia und die Workers and Socialist Party in Südafrika als neue Sektionen an. Gleichzeitig wurde von der Bildung neuer Gruppen in Neuseeland und der Türkei und von Diskussionen mit interessierten Gruppen im Sudan, der Elfenbeinküste, Rumänien und anderen Ländern berichtet.
Die Aktivitäten der verschiedenen Organisationen und Gruppen sind so vielfältig, dass es unmöglich ist, diese wiederzugeben. Sie reichen von der Organisierung massenhaften zivilen Ungehorsams (Massenboykott der Wassergebühren in Irland), dem Kampf für einen Mindestlohn von 15 Dollar (USA, Kanada) und antirassistischen Kampagnen (Deutschland, Österreich, Schweden) über den Versuch neue sozialistische Parteien zu etablieren (Nigeria, Südafrika) und den Kampf gegen nationale Unterdrückung (Israel/Palästina, Sri Lanka) bis zum Kampf für neue, breite Arbeiterparteien und kämpferische und demokratische Gewerkschaften.