So 20.05.2018
In den letzten Wochen hat sich im Gaza-Streifen eine neue Welle des Massenprotestes entwickelt, der sich gegen die Blockade durch den israelischen Staat und gegen politische Unterdrückung richtet. Ausgangspunkt war eine von einem breiten Bündnis getragene Demonstration am 30. März gegen die Sperrmauern.
Dabei wurde die Forderung nach Rückkehr der im Zuge der als Nakba bekannten Vertreibungen zu Flüchtlingen gemachten Menschen laut. Auf die Demonstration von 25.000 Menschen reagierte die Regierung Netanjahu mit militärischer Gewalt. Dabei wurden selbst Scharfschützen eingesetzt, die auf Unbewaffnete schossen. Die Folge dieses Vorgehens: 1500 DemonstrantInnen wurden verletzt, bis zu 18 Menschen wurden getötet. Seitdem finden jeden Freitag erneut Demonstrationen statt. Jahrzehntelang angestaute Wut und Erfahrung von Unterdrückung haben sich in einer Massenbewegung Bahn gebrochen.
Auswirkungen auf die israelische Bevölkerung
Die Brutalität der militärischen Repression hat auch in der israelischen Bevölkerung eine kritische Debatte ausgelöst. Zwar steht auch weiterhin eine Mehrheit der Israelis hinter dem Vorgehen der Regierung, die die Maßnahmen als Mittel zur Bekämpfung von Terrorismus legitimiert. Die Forderung nach dem Rückkehrrecht der einst Vertriebenen wird als Bedrohung empfunden. Die rechte Regierung spielt weiterhin die sicherheitspolitische und nationalistische Karte. Damit vermag sie es auch, von sozialen Problemen im Land, wie Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot, abzulenken, die noch 2012 zu einer großen Protestbewegung geführt hatten. Aber es gab auch erste Ansätze der Solidarisierung von Teilen der jüdischen Bevölkerung. Spektakulär sind Fälle von SoldatInnen, die sich öffentlich kritisch über das Vorgehen der militärischen Führung äußerten und vereinzelt Befehle verweigerten. Das sind kleine, aber politisch sehr interessante Ansätze einer Resonanz der Bewegung in der israelischen ArbeiterInnenklasse und Jugend.
Frage der politischen Führung
Spätestens hier stellt sich die Frage nach der politischen Ausrichtung der palästinensischen Protestbewegung. Seit den 90er Jahren sind die Kräfte der Linken geschwächt. Seit 2006 regiert die rechte Hamas im Gaza-Streifen, die auch Teil der Bewegung ist. Politisch bietet sie keinen Ausweg für den Befreiungskampf. In Gaza hat sie sich als korrupt und repressiv gezeigt und konnte keines der brennenden sozialen Probleme lösen. Durch ihre Politik, die sich gegen die einfache Bevölkerung in Israel richtet und ihre antijüdische Propaganda, stärkt sie die rechten und nationalistischen Kräfte in Israel. Unabhängige linke Strömungen – wie die von den Aufständen des „Arabischen Frühling“ inspirierte Gruppe „Gaza Youth Breaks Out“ wurden durch die Bombardierungen durch die israelische Luftwaffe an den Rand gedrängt. In der palästinensischen Bewegung stellt sich die Frage der unabhängigen und demokratischen Selbstorganisation, auf der Grundlage eines politischen Programmes, das den Kampf gegen Unterdrückung mit sozialen Kämpfen verbindet und damit auch in die israelische Arbeiterklasse und Jugend hineinwirken kann. Eine solche Entwicklung gab es in der Ersten Intifada ansatzweise.
Internationale Solidarität
Weltweit hat der neue Ausbruch von Massenprotesten im Gaza-Streifen eine Welle der Solidarität ausgelöst. Die deutschsprachige Linke tut sich allerdings schwer mit einer klaren Positionierung zu diesem Konflikt, was nicht zuletzt am starken Einfluss von Tendenzen liegt, die sich auf die Seite des israelischen bürgerlichen Staates stellen, Viele können auch nicht zwischen einer legitimen Aufstandsbewegung gegen Unterdrückung und politischer Unterstützung ihrer momentanen politischen Führung unterscheiden. Die Schwesterorganisation der SLP in Israel/Palästina, Maavak Sozialisti/Nidal Ishtiraki, unterstützt die Bewegung in Gaza und verurteilt die Unterdrückung durch die israelische Regierung und Armee. Zugleich orientiert sie auf gemeinsamen Kampf von arabischen und jüdischen ArbeiterInnen und Jugendlichen als Schlüssel zur Überwindung der Spaltung.