Di 14.02.2017
Es ist ein skandalträchtiges Urteil: Ein 17 Jahre alter Schüler, der im November 2014 an den Protesten gegen die Einführung einer Sonderabgabe auf Trinkwasser im Dubliner Vorort Jobstown teilgenommen hat, ist der Freiheitsberaubung an der damaligen stellvertretenden Premierministerin und früheren Vorsitzenden der sozialdemokratischen „Labour Party“, Joan Burton, schuldig gesprochen worden.
Rund 100 Personen waren seit dem frühen Morgen und in der Hoffnung vor dem Jugendgericht in Dublin zusammengekommen, dass die äußerst schwache Beweislage, den Richter dazu bringen müsse, die Anklage fallenzulassen. Diese „Beweise“ lauteten: 1. Der Beschuldigte könnte an einer Stelle in ein Megaphon gerufen haben: „Joanie, du in deinem Elfenbeinturm – das hier ist die Macht der Straße“, 2. Er ist umhergelaufen, 3. Er hat sich hingesetzt und andere dazu aufgefordert, dasselbe zu tun, 4. Er hat seine Arme geschwungen, 5. Er hat Joan Burton gefilmt und gesagt: „Spirch mit uns, Joan!“.
Der Richter hat den Angeklagten schuldig gesprochen aber nur eine „Bewährungsstrafe“ verhängt. Das heißt, dass es zu keiner Strafe kommen wird, so lange der Schüler zeigt, dass er sich in den nächsten neuen Monaten tadellos verhalten wird. die Entscheidung ist skandalös und muss gekippt werden.
Dennoch ist damit der Präzedenzfall geschaffen. Jetzt ist für alle klar ersichtlich, dass das politische und das juristische Establishment für die große Verhandlung im nächsten Jahr bereit ist. Dann nämlich steht der Abgeordnete Paul Murphy vor Gericht, der für das Anti-Austeritäts-Bündnis „Anti Austerity Alliance“ (AAA) im Parlament sitzt und Mitglied der „Socialist Party“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI) ist. Neben ihm sind weitere 17 Personen vor dem Berufungsgericht angeklagt, die sich ebenfalls an den Protesten gegen die Wasser-Abgabe beteiligt haben. Mit dem Urteil gegen den minderjährigen Schüler wird der Boden bereitet, um die anderen 18 Angeklagten schuldig sprechen zu können. Sollte es tatsächlich zum Schuldspruch kommen, so werden einige, vielleicht sogar alle Angeklagten zu Gefängnisstrafen verurteilt. Wenn Paul Murphy eine Haftstrafe von mehr als sechs Monaten erhält, dann muss er seinen Sitz im Parlament abgeben, den er für die AAA auf einer Welle des Protestes gegen besagte Wasser-Gebühr errungen hat.
Aber es geht auch darum, die Bewegung gegen die Austerität und gegen die Wasser-Abgabe zu kriminalisieren. Das Polit-Establishment fühlt sich in seiner Ehre verletzt, weil man gezwungen war, in einer ganz wesentlichen Frage (bei der Einführung der Wasser-Abgabe) einen Rückzieher machen zu müssen. Dabei war diese Wasser-Abgabe doch ein entscheidender Bestandteil des eigenen Austeritätsprogramms. Man will das Signal aussenden, dass eine gerichtliche Verurteilung droht, wenn man gegen die Austerität zu Felde zieht. Hinzu kommt, dass die Etablierten zunehmend Angst haben, die politische Linke könne zum Anziehungspunkt für Hunderttausende aus der Arbeiterklasse und unter den jungen Leuten werden, die aufgrund der brutalen Austerität empört und wütend sind. Nun wird versucht, all jene, die wie die AAA und die „Socialist Party“ aufbegehren und eine Massenbewegung organisieren, als gewalttätige Kriminelle zu brandmarken. Oder, wie es der Rechtsanwalt vor Gericht ausdrückte: „Das ist das Rezept für Totalitarianismus“.
Proteste aus Überzeugung
Die Bedeutung, die dieser Richterspruch gegen den 17-Jährigen hat, darf nicht unterschätzt werden. Darüber hinaus birgt diese Entscheidung auch eine wichtige Lehre für ArbeiterInnen und Gewerkschaftsaktive in sich. In den vergangenen Monaten ist die Kampfbereitschaft der Belegschaften in den Betrieben wieder aufgeflammt. So kam es zu Streikaktionen der StraßenbahnfahrerInnen, bei den Busbetrieben, unter den Einzelhandelskauffrauen und -männern und sogar bei der Polizei. Diese Arbeitskämpfe haben die Regierung in die Defensive gebracht und sind Produkt der Behauptung der Regierenden, dass es zu einer Wiederbelebung der Wirtschaft komme: Jetzt fordern die abhängig Beschäftigten ihren Anteil an dieser Wiederbelebung. Doch werden die Gerichte und der Staat ähnliche Maßnahmen auch gegen die radikaler vorgehenden Beschäftigten ergreifen, wenn diese nun zum Mittel des Streiks greifen? Werden die ArbeiterInnen, die ihren Chefs mit Streikposten den Weg versperren, nun ebenfalls wegen Freiheitsberaubung angeklagt? Diese Attacke auf die Grundrechte muss abgewehrt werden.
Die Kampagne „Jobstown ist unschuldig“ hat für Samstag, den 29. Oktober, zu einem Irland- und weltweiten Protesttag aufgerufen, um Solidarität mit dem jungen Schüler und den 18 anderen ProtestteilnehmerInnen auszudrücken, auf die nächstes Jahr ein Gerichtsverfahren wartet. Man will damit ein Ende der Angriffe auf die demokratischen Rechte fordern. Denn Protest ist ein Grundrecht!