Mi 11.05.2016
Seit 2008 steigt die gewerkschaftliche Organisierung in Israel/Palästina stark. 40.000 Beschäftigte traten 2014 und 2015 dem Gewerkschaftsdachverband Histadrut bei. Es waren jüdische und palästinensische ArbeiterInnen: BusfahrerInnen, Lehrende, Beschäftigte bei McDonalds, Visa und Mastercard, bei Fabriken und Telekom-Unternehmen. Das Ziel dieser Neuorganisierung sind Kollektivverträge, für die mindestens ein Drittel der Beschäftigten eines Betriebes derselben Gewerkschaft angehören muss.
2000-14 wuchs die israelische Wirtschaft um durchschnittlich 3,3% pro Jahr. Der Anteil der Unternehmen am BIP wuchs von 14% auf 17%, während der Anteil der Beschäftigten von 61% auf 57% fiel. Das Durchschnittseinkommen stieg zehn Jahre lang nicht, die Preise schon. 18,8% aller israelischen Familien leben unter der Armutsgrenze. Bei palästinensischen Familien in Israel beträgt die Armutsrate aufgrund der Kombination von neoliberaler Politik und nationaler Unterdrückung 52%. Die ArbeiterInnenklasse hatte nichts vom Wirtschaftswachstum, auch weil der Organisierungsgrad 1980-2012 von 85% auf 25% gefallen war. Gewerkschaftsmitglieder gingen in Pension und wurden durch unorganisierte LeiharbeiterInnen ersetzt. Nur ein Drittel der Beschäftigten ist durch Kollektivverträge geschützt.
Die Bosse tun alles, um eine Organisierung zu verhindern. Viele, die zum Gewerkschaftsbeitritt aufrufen, werden mit Jobverlust, Strafen und physischen Attacken bedroht. Die neue Schicht sich organisierender Beschäftigter fand oft keine Gewerkschaft, die sie organisieren wollte. Die Führung der Histadrut und ihrer Gewerkschaften versagte kläglich, eine Kampfstrategie zu entwickeln. Die Erfahrungen aus diesen Kämpfen führten zu einer neuen Gewerkschaft: „Alle Macht den ArbeiterInnen“ („P2W“). Mitglieder von Socialist Struggle (CWI in Israel/Palästina) spielen in P2W eine führende Rolle.
Eine der ersten Aktivitäten von P2W war im Wissenschaftsmuseum. Die Beschäftigten protestierten gemeinsam mit P2W gegen die Weigerung des Managements, mit ihnen zu verhandeln. Das Management schickte eine Gruppe von Securities, um die streikenden ArbeiterInnen zu verprügeln. Sie brachen einem P2W Aktivisten die Kniescheibe. Das Management war letztlich gezwungen, mit den Streikenden zu verhandeln. Es folgte ein Präzedenzurteil: das Management muss nun mit jener Gewerkschaft verhandeln, die die Beschäftigten auswählen, sofern sie genug Unterschriften haben.
Die Beschäftigten der Telekommunikationsfirma Pelephone organisierten sich 2012 im Histadrut. Das Management verweigerte Verhandlungen mit den Streikenden. Sie übten Druck auf ArbeiterInnen aus und beschlagnahmten die Autos der StreikführerInnen. Auch hier musste das Management dann mit dem Komitee verhandeln.
Die neue demokratische - wenn auch kleinere - Gewerkschaft plus der Druck aus den eigenen Reihen zwang den Histradrut, Antworten auf die Fragen der neuen Schicht von ArbeiterInnen zu geben. Histadrut mobilisierte Betriebsräte, hielt Soli-Kundgebungen ab und war auf den Demonstrationen von Pelephone stark vertreten. Ein Ergebnis des Drucks, denn für gewöhnlich werden Kämpfe gegen Privatisierung oder andere Attacken durch die Regierung nicht derart unterstützt.
Die Organisierungswelle schuf eine neue Schicht von palästinensischen ArbeiterInnenführerInnen. In manchen Fällen führten Sie gemeinsame Komitees von jüdischen und palästinensischen ArbeiterInnen an. Wie die Putzkräfte der Tel Aviv Universität, angeführt von Ali Tulat, der auch Teil der gewählten P2W Führung ist. Ihr Komitee wurde 2014 gegründet und kämpft nun für bezahlte Mittagspausen und letztlich für eine Direktanstellung durch die Universität.
Bei Light Rail in Jerusalem organisierten sich sowohl jüdische wie auch palästinensische Beschäftigte. Die FahrerInnen protestierten gegen niedrige Löhne und lange Arbeitszeiten. Der Anführer dieses Komitees ist Nidal Atrash, ein palästinensischer Bahnführer aus dem besetzten Ost-Jerusalem. Das Komitee hatte das Management unter Druck gesetzt, um den FahrerInnen zu ermöglichen, zur Arbeit zu fahren. Ihre Dörfer waren durch die israelische Repression vom Rest Jerusalems abgeschnitten. „Als wir im Kampf standen, sagte niemand ‚Das ist ein Araber‘ oder ‚Der hier ist jüdisch‘, weil wir alle auf derselben Seite standen. Jeder hat sich beteiligt. Das Management will AraberInnen und JüdInnen gegeneinander ausspielen, weil es in ihrem Interesse liegt.“
Diese Beispiele für gemeinsame Kämpfe von jüdischen und palästinensischen ArbeiterInnen fordern die Teile und Herrsche Politik des israelischen Kapitalismus heraus. Socialist Struggle unterstützt die sich neu bildenden Komitees sowie die Idee des gemeinsamen Klassenkampfes gegen Ausbeutung und Unterdrückung. Wir kämpfen gegen ein Ende der Besatzungspolitik und nationaler Unterdrückung und für Gleichheit, soziale Rechte, Frieden und Sozialismus für alle ArbeiterInnen.