Fr 01.06.2001
Wer erwartet hatte, dass es ein ruhiger Spaziergang würde, wurdeeines Besseren belehrt. Überall Musik und das Knallen von Böllern.Pfeifen, Hupen und Sprechchöre prägten das Bild und gaben einenVorgeschmack darauf, welche Kraft die vereinigte Arbeiterklasse in sichbirgt. Und sie unterstrichen eindrucksvoll die Kampfbereitschaft dereuropäischen Lohnabhängigen.
Großdemo europäischer Gewerkschaften
Die Massen am 13. Dezember hatten das Potenzial, auf einenEU-Gipfel nicht nur Druck auszuüben, sondern ihn gänzlich zu stoppen.Stelle man sich nur vor, es wäre in Belgien nicht nur zu vereinzeltenStreikaktionen gegen Privatisierungen gekommen, sondern dieGewerkschaftsführungen hätten zu einem eintägigen Generalstreikaufgerufen und hätten die Arbeitermassen zum Tagungsgebäude desEU-Gipfels geführt, um diesen zu besetzen. Es hätte keinen EU-Gipfelgegeben und das Europa der Banken und Konzerne wäre bis ins Markerschüttert worden.
Doch das entspricht nicht der Politik derGewerkschaftsführungen, die unter begrenzten Parolen nach einem"sozialen Europa" die Illusion einer Reformierbarkeit des Kapitalismusverbreiten und die Demonstration dazu nutzten, Dampf abzulassen, ohnedie Herrschenden wirklich herauszufordern (wobei der DGB nicht einmaldas versuchte: die Beteiligung der deutschen Gewerkschaften warbeschämend gering). So drückte die Demonstration vom 13.12. alles Guteund Schlechte der Gewerkschaftsbewegung aus: die Kampfkraft undMobilisierbarkeit der Kolleginnen und Kollegen und die rechte,angepasste Politik der Gewerkschaftsbürokratie. Diese nutzt ihreDemonstrationen anlässlich von EU-Gipfeln (wie schon in Nizza imletzten Jahr) auch dazu, die Beschäftigten von der Bewegung gegenkapitalistische Globalisierung zu trennen und einen gemeinsamen Kampfzu verhindern. So vereitelte die belgische Gewerkschaftsführung gezielteine gemeinsame Demonstration mit dem Bündnis verschiedenerantikapitalistischer und globalisierungskritischer Gruppen, die dann amdarauffolgenden 14.12. auf die Straße gingen.
"Ein anderes Europa ist möglich"
Über 25.000 vor allem junge Leute nahmen an dieser Demonstrationdes Bündnisses D14 teil. Aufgerufen hatte auch das Komitee für eineArbeiterinternationale (CWI - die internationale sozialistischeOrganisation, der die SAV angeschlossen ist) und widerstandinternational!/ International Socialist Resistance (wi!/ISR). DieTeilnehmerInnen gingen gegen Militarismus und Krieg, aber auch gegenArbeitslosigkeit und Bildungsabbau auf die Straße. "Dies ist nichtunser Krieg" oder "eine andere Welt ist möglich" war auf vielenSchildern und Transparenten zu lesen. Der Block von wi!/ISR und dem CWIumfasste in etwa 1.000 Menschen und sprach sich deutlich gegen "dasEuropa der Banken und Konzerne" und für "ein sozialistisches Europa"aus. Zu den RednerInnen auf dem Lautsprecherwagen von wi!/ ISR und CWIgehörte ein Vertreter der Sozialistischen Studierendenbewegung ausSüdafrika und Joe Higgins, Abgeordneter der Socialist Party im irischenParlament.
Die belgische Polizei hielt sich während desDemonstrationszuges überraschend zurück und wurde kaum gesehen. In denSeitenstraßen hatte sie allerdings ein ganzes Heer vonSondereinsatzkräften, Wasserwerfern etc. bereit gestellt. DieDemonstration verlief laut, bunt und kämpferisch - und weitgehendfriedlich. Es gingen einige wenige Fensterscheiben von Banken undPolizeistationen kaputt und einige am Straßenrand parkende Autos wurdendemoliert. Diese sinnlosen Aktionen wurden von der breiten Mehrheit derDemonstrationsteilnehmerInnen nicht mitgetragen und dienen nicht demweiteren Aufbau der Bewegung.
Tatsächlich dienen sie den Herrschenden dazu, unsere Bewegunggegen die kapitalistische Globalisierung zu diskreditieren.Dementsprechend kann es nicht verwundern, dass einigeschwarz-gekleidete Randalierer - wie schon in Genua - beobachtetwurden, wie sie aus Polizeiwagen ausstiegen. Diese Aktionen nahm diePolizei zum Anlass, am Ende der Demonstration viele TeilnehmerInneneinzukesseln, einige zu verhaften und Wasserwerfer einzusetzen.Verhaftet wurde auch Tim aus Deutschland, der an der Konferenz vonwi!/ISR teilnehmen wollte und dann aber aus Belgien abgeschoben wurde,weil er einen kleinen Stein in seiner Jackentasche hatte. Schon imVorfeld war das CWI-Mitglied Per Johansson aus Belgien abgeschobenworden, weil er beim Plakatieren von Demonstrationsaufrufen erwischtwurde.
Brüssel war ein weiterer Erfolg der globalen Bewegung, die sichseit Seattle 1999 ausdehnt. Die nächste Station werden die Protestegegen den EU-Gipfel im Juni 2002 in Sevilla, Spanien sein. Sorgen wirgemeinsam dafür, dass wir immer mehr werden!