Do 22.07.2010
Norbert ist 21 und studiert Geschichte in Krakau. Er jobbt als Pizzabote und verdient dafür umgerechnet 150.- im Monat. 100.- davon gehen für die Miete drauf. „In Krakau sind die Mieten selten unter 300.-“sagt er. Kino, usw. ist für ihn Luxus. Klar sind die Preise auch anders, ein Hauptgericht kostet ca. 4,50-, ein Bier 1-2.-. Aber mit 50.- pro Monat zur Verfügung muss er es sich 2x überlegen, ob er am Abend mit seinen FreundInnen was trinken geht. Norbert weiß, dass er nach dem Studium keinen Job finden wird.
Norbert ist Mitglied von „Grupa na rzecz Partii Robotniczej“ (Gruppe für eine ArbeiterInnenpartei), der polnischen Sektion des CWI. Anfang Juni fand in Krakau ein Seminar statt, das Themen wie u.a. den Poststalinismus in Polen beinhaltete. Schon auf der Fahrt dorthin wurde uns klar, dass ganz neue Eindrücke auf uns zukommen werden. Die Fahrt vom Bahnhof zur Jugendherberge dauert ewig, einige Straßen sind gesperrt, die Umleitungen führen ins Nichts. Die Fahrt vom Hostel zum Bahnhof dauert statt den angeschriebenen 20 Minuten länger als eine Stunde. In den Wohngebieten finden sich überall Schlaglöcher, verlassene Baustellen und riesige Pfützen.
„Nix wie weg“
Die kapitalistische Restauration hatte besonders für Jugendliche katastrophale Auswirkungen. Jahrelang herrschte in Polen über 40% Jugendarbeitslosigkeit, auch heute sind es noch immer über 20%. Ein großer Teil der Jugendlichen wohnt am Land. Perspektiven? Am Hof der Eltern arbeiten. Wen wunderts, wenn viele junge PolInnen weg wollen. Über 1,5 Millionen PolInnen arbeiten im Ausland. Viele werden in der Krise zurückkommen, und die Krise wird Polen noch härter treffen. Widerstand hat es schwierig, durch den Stalinismus sind viele linke Ideen wie Selbstorganisierung und Antikapitalismus in Verruf geraten. Es ist sogar verboten, kommunistische Symbole zu tragen.
Trotzdem regt sich etwas. Letztens häuften sich Streiks, der linke Präsidentschaftskandidat Napieralski erreichte bei den Präsidentschaftswahlen 14%. Auch Jugendliche gehen wieder auf die Barrikaden. Sie protestierten gegen den Bildungsminister Giertych und besetzten sogar sein Büro.