So 08.07.2012
„Zerschlagung der Versammlungen durch massiven Tränengaseinsatz, Verhaftungen, öffentliche Erniedrigungen und körperlicher Schmerz.“, das schlug am 11.5. „National Post“- Autor Michael Den Tandt der Regierung von Quebec vor, um die Studierendenbewegung niederzuschlagen. Die Regierung erließ das „Gesetz 78“, das das Versammlungsrecht aushebelt. Denn längst geht es dort nicht mehr um Studiengebühren. Die Studierenden haben eine breite soziale Bewegung angestoßen. Von Anfang an suchten sie nach BündnispartnerInnen außerhalb der Hörsäle und fanden sie in den Gewerkschaften. Gemeinsam formten sie bereits vor der Bewegung die „Alliance Sociale“ gegen die Sparpolitik der Regierung. Die gewerkschaftliche Unterstützung ist konkret: Von Geld über Busse bis zu Soundsystems. Auf der anderen Seite kämpfen die Studierenden gegen die Versuche der Regierung, durch ihren „Plan Nord“ die natürlichen Ressourcen im Norden an Private zu verscherbeln.
In Österreich können wir von dieser Bewegung viel lernen. Die letzten Proteste, die es an Schulen und Unis gab, blieben beschränkt auf das jeweilige konkrete Thema und Umfeld. Aber alleine werden die IE-Studis die Internationale Entwicklung nicht retten, auch nicht mit der Solidarität aus anderen Studiengängen. Wie Quebec zeigt, vervielfacht sich die Wirkung eines Kampfes, wenn er nach außen getragen wird. Dafür gibt es hier auch aktuell konkrete Ansätze: Die Wiener TU verlegte Mitte Mai Vorlesungen aus Protest gegen die Sparpolitik in den öffentlichen Raum. So ein Protest steckt an: Das Wiener Gymnasium Rahlgasse verlegte Ende Mai den Turnunterricht auf die Straßen, um auf den Platzmangel in der Schule aufmerksam zu machen.
Um aber gesellschaftlichen Einfluss zu bekommen müssen Jugendbewegungen nicht nur das Umfeld sondern auch ihre Themen erweitern. Das bedeutet zum Beispiel, Arbeitskämpfe, so klein sie hier auch sein mögen, zu unterstützen. In letzter Zeit sahen wir des öfteren Versuche der UnternehmerInnen, Kollektivvertäge auszuhebeln oder gar abzuschaffen. Dagegen gab es, wenn auch beschränkt, gewerkschaftlichen Protest. Es wäre richtig und wichtig gewesen, hier Solidarität und Zusammenarbeit mit den Bildungsprotesten herzustellen.
Am Besten funktionieren solche Bündnisse, wenn es eine gemeinsame, stabile Plattform gibt. In Deutschland zum Beispiel treffen sich verschiedene Bewegungen in der Linkspartei. Bei aller Kritik an ihr, Die Linke spielt eine wichtige Rolle in zahlreichen sozialen Bewegungen. Eine besondere Rolle spielt dabei der Jugendverband, die Linksjugend [Solid']. Von dort kommen viele Initiativen, wenn es um Aktionen und Kampagnen geht. Sie ist kein Anhängsel, sondern eine eigenständige Organisation mit demokratischen Strukturen. So zieht sie die Linkspartei oft in die richtige Richtung und betont ihren aktionistischen, nicht parlamentsfixierten Charakter.
Gemeinsame Forderungen spielen bei der Vernetzung von Kämpfen eine zentrale Rolle. Wie die Studierenden in Quebec Nein zum Plan Nord sagen, müssen wir hier das Sparpaket angreifen. Die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn bedeutet nicht nur Verbesserungen für ArbeitnehmerInnen, sondern schafft auch echte und sichere Jobs für Jugendliche.
Die stetig wachsende Enttäuschung von Jugendlichen über das politische System wird von den Medien oft als „Entpolitisierung“ dargestellt. Dabei ist es nur logisch, dass die Jugend nicht in Begeisterungsstürme ausbricht, wenn sie alle fünf Jahre ein Kreuz bei einer Partei machen können, die sich kaum von den anderen unterscheidet. 45% der ErstwählerInnen bei der letzten Wiener Wahl wählten das für sie „kleinste Übel“. „Echte Demokratie“, wie sie die spanischen Indignad@s fordern, bedeutet: Auf allen Ebenen des eigenen Lebens mitbestimmen können: z.B. was wir wann wo und wie lernen möchten, statt in verkalkten Schulstrukturen zu vermodern. Die eigene Jobauswahl nach dem Kriterium „Was will ich?“ und nicht nach „Was ist noch frei?“ bestimmen zu können. Das kann es aber nur in einer Gesellschaft geben, die nicht nach den Regeln des Profits funktioniert, einer echten, demokratischen, sozialistischen Gesellschaft.
Dieses System hat uns keine Zukunft zu bieten, die Krise ist der beste Beweis dafür. Nun gilt es dafür zu sorgen, dass zukünftige Geschichtsbücher über uns nicht als „verlorene Generation“ schreiben, sondern als die, die dem Bildungsabbau, der Arbeitslosigkeit, den prekären Jobs, der Perspektivlosigkeit, kurz: dem kapitalistischen Alptraum ein Ende gesetzt hat.