Di 19.02.2019
Der heurige Abschluss des SWÖ-KVs erinnert stark an letztes Jahr: Zuerst Warnstreiks, die in manchen Betrieben sehr aktiv geführt wurden, und dann ein viel zu niedriger Abschluss. Allerdings haben diesmal die Kolleg*innen durch ihre Streikbereitschaft, die Streiks an sich und die vielen Aktionen während der Streiks, die Arbeitgeber*innen und die Gewerkschaftsspitze ordentlich unter Druck gesetzt. Das hat gewirkt!
Keines der gesetzten Ziele wurde erreicht, obwohl viele Kolleg*innen bereit gewesen wären, weiter zu kämpfen!!
Hohe Gewerkschafter*innen haben schon vor Verhandlungsabschluss von einer Forderung nach 3% oder 3%plus gesprochen, obwohl eigentlich 6% als Forderung beschlossen waren. Das hat viele gestört und wurde auch bei den Streikversammlungen und Kundgebungen kritisiert. Mehr solcher innergewerkschaftliche Widerstand wäre nötig gewesen! Wir verstehen, dass manche Kolleg*innen sich freuen, dass der Abschluss besser ist als in den vergangenen Jahren, unterm Strich ist der Abschluss aber ungenügend und abzulehnen. Viele Kolleg*innen sind wütend, weil sie sich zu Recht mehr erwartet haben. Sie verstehen nicht, warum die Streikbewegung wieder einmal vorzeitig abgebrochen wurde. Die Unzufriedenheit wird auch an den vielen Gegenstimmen im großen Verhandlungsteam sichtbar. „Sozial, aber nicht blöd“ ist ein auch ein Angebot, die gegen diesen schlechten Abschluss und die undemokratische Vorgangsweise der Gewerkschaftsspitzen aktiv werden wollen.
Mehr Widerstand durch die Gewerkschaftsmitglieder hätte den Unterschied machen können!
Leider ist das passiert, wovor kämpferische Kolleg*innen und die Basisinitiative „Sozial, Aber Nicht Blöd“ gewarnt haben. Ein Abweichen von den zentralen Forderungen 6% mehr Lohn/Gehalt und die 35 Stundenwoche hätte mit Druck auf die Gewerkschaftsspitze und die Chefverhandler*innen verhindert werden müssen. Die gemeinsamen, öffentlichen Streikkundgebungen waren eine wichtige Weiterentwicklung der Bewegung! Diese waren von gemeinsamen Streikversammlungen verschiedener Sozialbetriebe begleitet (in Wien zB am 14.2. 2019 im Semper-Depot). Solche Versammlungen sollten in Zukunft für gemeinsame Debatten und Beschlüsse wie Forderungen an die Gewerkschaftsspitze genützt werden.
Die zentralen Forderungen, die mit vielen Betriebsrät*innen in den zuständigen Gremien demokratisch beschlossen wurden, wurden weit verfehlt. Gerade „Sozial, Aber Nicht Blöd“ hat in der Vergangenheit viel Erfahrung mit Kampagnen innerhalb und außerhalb der Gewerkschaften gesammelt (etwa Unterschriftenlisten mit verschiedenen Forderungen auch an die Gewerkschaftsspitze). In Zukunft wird es nötig sein, mit vielen kämpferischen Betriebsrät*innen und kämpferischen Kolleg*innen gemeinsam, ähnliche Kampagnen zu starten um ein vorzeitiges Einknicken der Gewerkschaftsspitzen zu verhindern. Ein positives Signal in diese Richtung war, dass das „große SWÖ-Verhandlungsteam“ (also die Gruppe von Betriebsrät*innen und Funktionär*innen, die nicht direkt mit den Arbeitgeber*innen verhandelt) noch in der Nacht auf den 19.2. auf die Arbeitszeitverkürzung beharrte und dass letztlich mit 13 Kolleg*innen sehr viele gegen den Abschluss stimmten.
Die gesamte Entwicklung zeigt, wie wichtig eine demokratische Urabstimmung aller Betroffenen in den Betrieben wäre!
Der Abschluss ist durchwachsen, manche Kolleg*innen bewerten ihn besser als in der Vergangenheit, in demokratischen Debatten in den Betrieben sollten Kolleg*innen die Möglichkeit haben, den Abschluss zu besprechen und darüber abzustimmen. Erst dann sollten Maßnahmen wie Streiks beendet werden. Die Kolleg*innen tragen das Risiko der Kampfmaßnahmen und die Konsequenzen aus dem Abschluss. Sie sollten auch entscheiden, wann sie mit den Ergebnissen zufrieden sind!
Die Streikbewegung wurde vorzeitig abgewürgt. Wären sie weitergegangen, wäre mehr möglich gewesen!
Die 3,2% Erhöhung sind nicht vom Himmel gefallen und besser als die Jahre zu vor. Das zeigt, dass der Streik und vor allem das öffentliche, gemeinsame Streiken ein sehr wichtiges Mittel sind, um die Arbeitsbedingungen im Sozial-und Pflegebereich zu verbessern. Ermutigend war auch die große Zustimmung aus der Bevölkerung für den Kampf im SWÖ.
Bei der Caritas gab es keine Streiks. Mit 2,5% und 12 Euro ist dort der Abschluss etwas geringer. Wären die Streiks weitergegangen, wäre sehr viel mehr möglich gewesen. Wir verstehen, dass manche Kolleg*innen der Höhe des Abschluss positiv gegenüber stehen. Allerdings ist es auch hier eine Frage des Berufes, für die vielen Kolleg*innen in den mittleren Gehaltsgruppen (SWÖ-VG, 3,4,5) und denen darunter, bedeutet der Abschluss real nicht viel mehr Geld im Börsl.
Die Verhandlungen sind mit einem sehr umfangreichen Paket gestartet:
Eine 6te Urlaubswoche war eine wichtige Forderung. Davon ist jetzt ein zusätzlicher Urlaubstag ab zwei Jahren Betriebszugehörigkeit (die viele bei den leider üblichen, häufigen Wechseln in der Branche kaum erreichen) übrig geblieben.
Bei der Arbeitszeit und dem Gehalt wurden große Chancen vertan.
Der Abschluss liegt unter dem Metaller*innenabschluss und im Durchschnitt der besseren KV- Abschlüsse (Brauerei 3,2% Metallgewerbe 3,3 %, Metallindustrie 3,46%). Um den großen Spalt (ca. 17% ) zwischen dem Einkommen im Sozialbereich und dem Durchschnittseinkommen zu schließen, waren die 6% und mind. 150 Euro ein sehr gutes Ziel gewesen. Dafür hätte man aber weiterkämpfen müssen. Überlastung und Burnout sind eine reale Gefahr für viele Beschäftigte. Die Arbeit wurde in den letzten Jahren immer dichter, die Dokumentationspflichten und das teilweise auch schwierigere Klientel macht die Arbeit schmutziger und härter. Viele Kolleg*innen arbeiten trotz schlechter Bezahlung „freiwillig“ Teilzeit, weil die Belastung für einen Vollzeitjob zu hoch ist. Daher ist die Forderung nach 35-Stundenwoche bei vollem Lohn oder Gehalt auch im Sozialbereich populärer als in anderen Branchen. Zuschläge fürs Einspringen, einen Anspruch auf Altersteilzeit, Umkleidezeit als Arbeitszeit und Verbesserung bei den geteilten Diensten wiegen das Ausbleiben der Arbeitszeitverkürzung nicht auf! Daher wird der Kampf für Arbeitszeitverkürzung weitergehen!
Im Sozial-und Pflegebereich ist vieles im Aufbruch!
Viele Kolleg*innen wollen nicht nur jammern, sondern was tun. Dafür gibt es viele Anzeichen: Betriebsrät*innen, die sich radikalisieren, neue kämpferische Betriebsratskandidaturen, viele Basisinitiativen wie Resilienz in Innsbruck, Raum für Alle* , KNAST oder Bündnis Flüchtlingsarbeit haben Aufwind. Vor allem „Sozial, Aber Nicht Blöd“ ist in den letzten Monaten stark gewachsen. Das wichtigste Zeichen, dass die Stimmung umschlägt, sind aber die Streiks heuer und letztes Jahr. Viele Mitglieder der SLP arbeiten im Sozial-und Pflegebereich. Für uns ist der Aufbau einer kämpferischen Bewegung im Sozial-und Pflegebereich ein wichtiger Teil des allgemeinen Widerstandes. Wir werden versuchen, zum Aufbau von kämpferischen Strukturen im Sozial-und Pflegebereich und zur Unterstützung von Aktionen einen aktiven Beitrag zu leisten, und uns mit politischen Vorschlägen zur Weiterentwicklung einbringen.
Mehr dazu:
Zur Bedeutung des Kampfes im SWÖ: https://www.slp.at/artikel/warum-wir-alle-den-streik-im-sozialbereich-unterst%C3%BCtzen-sollten%E2%80%A6%E2%80%A8-9391
Unser Flugblatt zum Streik: https://www.slp.at/artikel/6-und-35h-stundenwoche-ist-das-zu-viel-verlangt-9379