Mo 01.03.2021
Seit ein paar Jahren gibt es in der feministischen Bewegung Diskussionen über die Möglichkeiten feministischer Streiks. Am 8.3.2018 beteiligten sich im spanischen Staat 5 Millionen am “Generalstreik für Gleichberechtigung” - eine der größten Mobilisierungen in der Geschichte des Landes. Davon inspiriert griffen Bewegungen in Polen, Lateinamerika, der Schweiz und in anderen Ländern die Idee eines feministischen Streiks, aber auch des Frauenstreiks, immer stärker auf.Das Aufgreifen von Kampfmethoden der Arbeiter*innenklasse durch feministische Bewegungen ist eine wichtige Entwicklung, die auch im Zusammenhang damit steht, dass Frauen immer stärker an vorderster Front in sozialen Bewegungen und Kämpfen der Arbeiter*innenklasse stehen. Trotzdem gibt es sehr viele unterschiedliche Vorstellungen davon, was Streiken eigentlich bedeutet - und wie massenhafte Streiks für Frauenrechte organisiert werden können. Diffuse Vorstellungen von symbolischen “Streiks”, Hausfrauenstreiks, Sexstreiks usw., die stark individualisiert werden und keine wirkliche Massenkraft entfalten, hängen mit der gesamten Schwäche von Arbeiter*innenbewegung und Gewerkschaften zusammen. Ein Streitpunkt ist: Frauenstreik (nur mit der Beteiligung von Frauen) oder feministischer Streik (alle streiken für feministische Forderungen)? Die große Stärke der Mobilisierungen im spanischen Staat lag zwar darin, dass sich die Streikaufrufe nicht nur an Frauen richteten, doch es blieb trotzdem umstritten, ob Männer an dem Tag mitstreiken, oder Haushalt und Notversorgung in “systemrelevanten” Branchen wie Gesundheit & Soziales übernehmen sollten.Die Idee von “Hausfrauenstreiks” gibt es in der Frauenbewegung schon lange. Aus marxistischer Sicht gibt es einiges an diesen Konzepten zu kritisieren, und zwar sowohl an Methode als am Ziel. Die Forderung nach bezahlter Hausarbeit verstärkt nur die Isolation von Frauen durch Haus- und Reproduktionsarbeit an sich. Für echte Frauenbefreiung brauchen wir nicht mehr Anerkennung oder nur bessere Aufteilung von Hausarbeit - wir wollen grundlegend etwas daran ändern, dass diese unbezahlte Arbeit überhaupt individuell verrichtet werden muss. Dafür braucht es Kämpfe um öffentliche und kostenlose Kinderbetreuung und Pflege, öffentliche und kostenlose Kantinen und Stadtteilzentren, Innovationen für “menschenloses Putzen”, leistbaren Wohnraum, Jobs, höhere Löhne und Sozialleistungen für echte Möglichkeiten eines unabhängigen Lebens für Frauen.Individualistische Streikaufrufe - wie dafür, die Haus- und Carearbeit für einen Tag niederzulegen oder keinen Sex zu haben, erreichen einerseits nur Frauen, die sich so etwas “leisten” können, also z.B. nicht in einer gewalttätigen Partnerschaft stecken oder alleinerziehend sind, und bauen gleichzeitig die Illusion auf, wir könnten Verbesserungen gegen oder ohne Männer aus der Arbeiter*innenklasse erkämpfen. Aufgrund der oft massiven Erniedrigung und Ausbeutung, die Frauen im “Privaten” erleben müssen, wirken solche “Streik”konzepte im ersten Moment radikal. Aber echte Verbesserungen oder grundlegende Veränderungen erreichen wir durch sie nicht - weil es nicht die wahren Verantwortlichen für Ungleichheit und die Unterdrückung von Frauen, die Herrschenden und Regierenden, trifft, sondern eher die Idee verstärkt, der Feind seien “die Männer” und nicht das System.Echte Streiks der Arbeiter*innenklasse - ein Niederlegen der Arbeit in den Betrieben -, haben dagegen das Potential, den nötigen wirtschaftlichen Druck aufzubauen, um wirtschaftliche und politische Forderungen tatsächlich erkämpfen zu können (und schaffen Bewusstsein bei den Beteiligten). In Österreich haben beispielsweise Kolleg*innen im Gesundheits- und Sozialbereich (über 70% Frauenanteil!) Kampfbereitschaft bewiesen. Würden die Gewerkschaften darauf aufbauen und am 8. März zu Streiks aufrufen und diese organisieren, wäre das ein wichtiger Schritt zum Aufbau von politischem Klassenkampf. Dafür müsste es jetzt Kampagnen in den Betrieben zum Thema geben und Vorbereitungen für Betriebsversammlungen und Streiks an dem Tag. Ein Ansatzpunkt kann die Forderung nach einem echten Corona-Bonus für alle Beschäftigten sein, weil viele Kolleg*innen in “systemrelevanten” und frauendominierten Bereichen keinen bekommen haben.Die Gewerkschaften müssen darüber hinaus auch politische Kampagnen gegen Alltagssexismus, Gewalt an Frauen etc. organisieren, kurz: den Kampf um Frauenbefreiung wirklich führen. Denn für Marxist*innen ist klar, dass nur durch die größtmögliche Einheit der Arbeiter*innenklasse - unabhängig von Geschlecht, Herkunft usw. - größtmögliche Kampfkraft erreicht werden kann. Deswegen sind reine Frauenstreiks auch nicht so wirksam wie gemeinsame Streiks unabhängig vom Geschlecht. In Glasgow ist es 2019 städtischen Beschäftigen gelungen, durch einen 48-Stunden-Streik für Lohngleichheit für Frauen und Männer Kompensationszahlungen von 500 Millionen Pfund an die weiblichen Beschäftigten zu erkämpfen. Das war nur durch den gemeinsamen Kampf von männlichen und weiblichen Beschäftigten möglich, die sich nicht haben spalten lassen. Solche Kämpfe müssen wir uns als Beispiel nehmen. Komm zur Online-Veranstaltung: "Frauenstreik? Feministischer Streik? Streiken für Frauenrechte - aber wie? Am 6.3. um 18 Uhr, Zugangsdaten auf Facebook: https://www.facebook.com/events/731968591080002/?active_tab=discussion