Fr 01.09.2000
In den letzten Monaten hat die Anzahl der Übergriffe auf Schwarz-AfrikanerInnen drastisch zugenommen. Erst vor einigen Wochen wurde ein Vater mit seinem Sohn von ein paar Rechtsradikalen durch den 1. Bezirk gejagt.
Die Mehrheit der Bevölkerung steht bis auf wenige Ausnahmen in den meisten Fällen beteiligungslos daneben und sieht weg. Irene Müller führte dazu ein Gespräch mit Grace Marta Latigo von der “African Community”.
Vorwärts: Hast Du seit der schwarz-blauen Regierung eine Veränderung des Alltagsrassismus wahrgenommen?
Grace Latigo: Zuerst muss ich sagen, dass Rassismus momentan nicht an absolut erster Stelle steht, was meine Probleme mit der Regierung betrifft, sondern die Neoliberalisierung, der Sozialabbau, und auch die “Frauen zurück an den Herd” – Politik. Mittlerweile haben wir aber ein Gewaltproblem. Früher waren wir eher einem verbalen Rassismus ausgesetzt. Jetzt ist es ein radikaler, brutaler Rassismus – wir werden bereits gejagt. Was auch ein sehr großes Problem ist, ist der institutionelle Rassismus. Diese Regierung erschwert unseren Kampf in Sachen Wahlrecht, moderner Integrationspolitik und Gleichstellung.
V: Wie sieht die Situation hinsichtlich Polizeiübergriffe aus?
GL: Ich weiss nicht, wie viele MigrantInnen in den letzten Monaten getötet wurden, denn es kommen ja dauernd mehr dazu. Ich nehme an, die Angst ist auch größer geworden, denn die Mehrheit der AfrikanerInnen ist einfach nicht geschützt. Wir sind völlig ohne Lobby und praktisch Freiwild. Zwar gibt es in Österreich Gesetze gegen Polizeiübergriffe, nur werden diese ganz einfach nicht eingehalten. Wir werden einfach wegen “Widerstand gegen die Staatsgewalt” verurteilt und von der Polizei geschlagen. Wir haben überhaupt keine Chance – egal wer das ist – das geht bis in Diplomatenkreise, einfach weil wir Schwarze sind.
V: Stichwort Staatsrassismus
GL: Wir werden dazu benutzt, um vom Sozialabbau abzulenken. Es gibt zwei super Ablenkungsmethoden: Die eine sind die EU-Sanktionen, die andere ist, immer wieder zu behaupten, dass AusländerInnen schlecht, gefährlich, unanständig, Mörder und Diebe sind – was natürlich nicht stimmt.
V: Inwieweit sind SchwarzafrikanerInnen Teil der Widerstandsbewegung? Inwiefern führt Ihr Euren eigenen Kampf?
GL: Man muss sich vorstellen, in der “African Community” zum Beispiel geht es um einen ganzen Kontinent. So ein Kontinent besteht aus unzähligen Nationen, verschiedenen Kulturen, Sprachen etc. und wir müssen jetzt laut Erwartungen, diesen ganzen Kontinent zusammenbringen – und das ist, glaube ich, irrsinnig schwer. Wir können im Alleingang nichts machen. Aber der Widerstand ist mir viel zu wenig definiert. Die politischen Forderungen sind nur mehr “wischi-waschi”. Rassismus ist ein Problem von diesem System genauso wie Sozialabbau. Der Widerstand muss sich konkretisieren und die Leute müssen mitbekommen, dass es in einem Staat nie funktionieren kann, wenn es zwei verschiedene Rechte gibt. Eines für ÖsterreicherInnen und eines für MigrantInnen. Es gibt nur ein Menschenrecht. Das ist der Punkt, den ich im Widerstand vermisse. In den ganzen Widerstandsgesprächen wäre also ein bißchen Selbstkritik angebracht, da es nicht möglich ist, MigrantInnen einzuladen und miteinzubeziehen.
V: Ein paar Worte, die Dir besonders wichtig wären ...
GL: Meine Strategie für den Widerstand wäre: sofort alle in ein Bündnis, 30-Stunden-Woche und Wahlrecht für MigrantInnen nach drei Jahren.