Heute LehrerInnen, morgen BeamtInnen, übermorgen wir alle!

Helga Schröder

Gegen LehrerInnen findet derzeit eine widerliche Hetze statt. Medien bringen Statements von einzelnen SchülerInnen und StudentInnen, die einen Streik der LehrerInnen für schlecht halten, weil er auf dem Rücken der SchülerInnen stattfinden würde. Diese Statements sind natürlich nicht repräsentativ, einzeln und ausgewählt. Die Gewerkschaft stellt völlig zu Recht einen Streik in den Raum, versäumt es aber, von Beginn an klarzumachen, dass das LehrerInnendienstrecht nichts anderes als ein Sparpaket ist, für LehrerInnen mehr Arbeit für weniger Geld bedeutet, und deshalb SchülerInnen und Eltern in gleichem Maße schadet wie den LehrerInnen. Stattdessen lässt sich Gewerkschafter Kimberger in die Defensive drängen und verteidigt sich damit, dass mit dem Streik als „letztem Mittel“ „sehr vorsichtig“ umgegangen werde.

Noch dazu gibt es innerhalb des ÖGB Reibereien, ob ein Streik „gerechtfertigt“ wäre – als ob ein Kampf gegen verschlechterte Arbeitsbedungungen jemals ungerechtfertigt wäre! Doch den ÖGB-Spitzen ist das Parteihemd näher als die Gewerkschaftshose, der Kurs der SPÖ wird unterstützt, Resolutionen über Kampfmaßnahmen wird nur murrend zugestimmt, nur um gleich danach zu verlautbaren, dass man für einen Streik kein Verständnis hat. Bestes Beispiel: SPÖ-Nationalrat Dietmar Keck, der in der „Presse“ als „ArbeiterInnenvertreter“ präsentiert wird und gegen die LehrerInnen hetzt. Seit 15 Jahren ist Keck zwar Zentralbetriebsrat bei der Voest, aber seit 11 Jahren sitzt er für die SPÖ im Parlament. Mit der Lebensrealität derer, die er „vertritt“, hat er schon lange nichts mehr zu tun. Bände spricht seine Aussage, dass „in der Wirtschaft“ inzwischen von der Industrie die Debatte über die Ausweitung auf eine Maximalarbeitszeit von 12 Stunden pro Tag geführt werde, ohne Überstundenzuschläge (Die Presse, 22.11.2013). Und darauf ist „Kollege“ Keck stolz? Deswegen sollen auch die LehrerInnen einstecken? Ist „Du kummst a no in mei Gossn“ jetzt der Umgang verschiedener Gewerkschaften miteinander? Solche Argumentationen sind wir aus Kreisen der Industriellenvereinigung gewohnt. „Kollege“ Keck sollte sich überlegen, ob er dort nicht besser aufgehoben wäre als im ÖGB.

Branchenübergreifende Solidarität bitter notwendig!

Die Situation ist in doppelter Hinsicht pervers: Die GÖD ist tatsächlich Lichtjahre davon entfernt, eine kämpferische Vertretung ihrer Mitgliedschaft zu sein. Sie ist FCG- und damit ÖVP-dominiert. Gleichzeitig zeigen die SPÖ-dominierten ArbeiterInnengewerkschaften kein Interesse, daran etwas zu ändern. Die Territorien sind abgesteckt und es herrscht ein Nicht-Angriffspakt. Doch wir sind nicht mehr in den 1910er Jahren. LehrerInnen sind ArbeitnehmerInnen wie andere auch. Und die SPÖ ist keine ArbeiterInnenpartei mehr. Notwendig wäre es, die GÖD den Konservativen zu entreißen, doch die „roten“ Gewerkschaftsbosse haben daran kein Interesse – sie sind viel mehr VertreterInnen der SPÖ als GewerkschafterInnen. Und so kommen wir zu der scheinbar absurden Situation, die ein Kollege auf Facebook folgendermaßen beschrieb: „Österreich: Das Land, in dem schwarze GewerkschafterInnen streiken wollen, und das von ihren sozialdemokratischen KollegInnen verhindert wird.“

Währenddessen druckt der ÖGB in seiner Mitgliederzeitung „Solidarität“ lieber Kochrezepte, als Solidarität mit den LehrerInnen und ihren berechtigten Anliegen zu verbreiten. Der Zweck der Zeitung sollte aber gerade der sein, Vorurteile und Medienhetze zu kontern und der Mitgliedschaft die Wichtigkeit der Unterstützung des Kampfes der LehrerInnen klarzumachen! Die Folge davon ist, dass es selbst unter den LehrerInnen Gruppen gibt, die von der Notwendigkeit von Kampfmaßnahmen nicht überzeugt sind.
Branchenübergreifende Solidarität ist aus gewerkschaftlicher Solidarität lebensnotwendig. Wenn einzelne Branchen isoliert kämpfen, sind nicht nur sie geschwächt. Was bei ihnen durchgedrückt wird, erwartet dann bald auch andere Branchen. Und warum sollten diese dann Unterstüzung von ersteren bekommen? Wenn heute MetallerInnen die LehrerInnen nicht unterstützen, warum sollten dann LehrerInnen jemals MetallerInnen unterstützen? Das aktuelle Dilemma ist das Resultat daraus, dass der ÖGB in den letzten Jahrzehnten eben keine Kultur branchenübergreifender Solidarität hergestellt hat, sondern „Teile und Herrsche“ nachgegeben hat.

Das Erste und Wichtigste wäre es stattdessen, sofort mit dem Ankündigen von Kampfmaßnahmen offensiv SchülerInnen, Studierende und Eltern mit ins Boot zu holen, einen Streik zu einem aktiven Streik, zu einer gemeinsamen Kampfmaßnahme von allen Betroffenen – und das sind eben SchülerInnen, Studierende und Eltern ebenso wie LehrerInnen – zu machen. Nicht ein Streik von LehrerInnen, sondern das versteckte Sparpaket LehrerInnendienstrecht schadet SchülerInnen und Eltern. Ständig sollen alle immer mehr und um immer weniger Geld arbeiten und der Regierung und anderen Arbeitgebern ist damit sehr geholfen, wenn ständig die einen gegen die anderen aufgehetzt werden und zusätzlich die Arbeitenden mit ihrem eigenen Engagement und Verantwortungsbewusstsein erpresst werden. Jetzt sind es die LehrerInnen, die angeblich auf dem Rücken von SchülerInnen streiken, ein andermal sind es Arbeitende im Sozialbereich, deren Streik angeblich zum Schaden der von ihnen zu Betreuenden stattfinden würde. Dabei wird verschwiegen und darüberhinweggelogen, dass es die Sparmaßnahmen und die Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen sind, die im einen Fall den SchülerInnen, im anderen Fall den KlientInnen/PatientInnen schaden und ein Kampf dagegen in deren Interesse und auch mit ihnen gemeinsam möglich ist. Wieder ein andermal sind es „privilegierte BeamtInnen“, die nicht privilegiert und oft auch gar keine BeamtInnen sind, gegen die gehetzt wird, um eine „Angleichung“ herbeizuführen, die immer eine nach unten ist, Lohnkürzungen bedeutet, jedoch keinen Cent für NiedriglohnbezieherInnen bringt.
Genauer betrachtet gibt es in Österreich wohl kaum eine Berufsgruppe, die nicht schon als „privilegiert“ abgestempelt wurde: Post, ÖBB und Verstaatlichte sind wohl die bekanntesten Beispiele. Auf diese Spaltungslogik hereinzufallen schwächt die Gewerkschaften als Ganzes!

 

Aktive Solidarität organisieren!

Diejenigen SchülerInnen, Eltern und Studierende, die solidarisch mit LehrerInnen sind, einen Streik unterstützen, weil sie erkennen, dass es auch um ihre Interessen geht, kommen medial kaum zu Wort. Der Regierung nützt dieses Gegeneinander-Ausspielen. Viel wird von „engagierten“ LehrerInnen geredet. Medial wird oft so getan, als seien „engagierte“ LehrerInnen eine Ausnahme und die übliche Hetze von angeblicher „Faulheit“, wenn auch oft unterschwellig, verbreitet. Wenn Eltern engagierte LehrerInnen wollen, dann können ihnen deren Arbeitsbedingungen nicht egal sein. Wer engagierte LehrerInnen möchte, kämpft mit ihnen gegen die Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen! Denn die eigenen Arbeitsbedingungen und Löhne sind die nächsten, denen es an den Kragen geht.