Gaza: Was kommt nach dem Waffenstillstand?

von Yasmin Morag, Sozialistin aus Israel/Palästina

Der Angriff der israelischen Kriegsmaschinerie auf zwei Millionen belagerte Bewohner*innen des Gazastreifens - nach dem verabscheuungswürdigen Angriff der Hamas auf israelische Zivilist*innen am 7.10. - geht in den sechsten Monat. Mehr als 32.000 Menschen im Gazastreifen sind getötet worden, 85% der Bevölkerung sind vertrieben und Krankheiten und Hunger grassieren, während das israelische Militär die Infrastruktur bombardiert und Hilfslieferungen blockiert. Laut der Ernährungsskala IPC leidet die gesamte Bevölkerung unter akuter und 1,1 Mio. unter “katastrophaler” Ernährungsunsicherheit - der höchsten Zahl, die von der IPC irgendwo und irgendwann verzeichnet wurde.

Spannungen nehmen zu 

Während Netanjahu zwar die volle politische und militärische Unterstützung der USA genoss, erhöht Washington den Druck, um das Ausmaß des Rachefeldzuges zu bremsen. Die internationalen Massenproteste gegen die Gräueltaten, die Bidens Wiederwahl in Gefahr bringen, haben dazu beigetragen, dass die Spannungen rund um die geplante Invasion in Rafah einen Höhepunkt erreicht haben, während die Waffenstillstands-Verhandlungen immer wieder stockten.

Kamala Harris sagte, sie schließe keine Konsequenzen aus, wenn Israel einmarschiere (24.3.). Doch Netanjahu bekräftigte seine Pläne: "Ich hoffe, wir werden es mit der Unterstützung der USA tun, aber wenn es sein muss, werden wir es allein tun". Trotz der Lippenbekenntnisse geht es dem US-Imperialismus (wie auch der UNO, Macron, Sunak und anderen bürgerlichen Politiker*innen) in erster Linie darum, zu verhindern, dass die Eskalation außer Kontrolle gerät und die Region destabilisiert, sowie um die Angst vor Unruhe im eigenen Land. Sie alle haben jahrzehntelang schweigend zugesehen, wie sich die Schlinge der israelischen Besatzung bzw. Belagerung um den Hals des palästinensischen Volkes zusammenzog. Auch Bidens "Zweistaatenlösung" ist nicht mehr als ein Hirngespinst, um einen Status quo wiederherzustellen, der für den US-Imperialismus bequem wäre.

Der Kampf für die Befreiung der Palästinänser*innen ist jedoch mit dem Kampf gegen kapitalistische Ausbeutung, Ungleichheit und Armut verwoben, worin die nationale Unterdrückung ihren Ursprung hat. Das Oslo-Abkommen, das dem israelischen Staat durch den Volksaufstand der Ersten Intifada aufgezwungen wurde, führte lediglich zur s.g. "palästinensischen Autonomiebehörde”, die jetzt Umsetzungshilfe des Besatzungsregimes und der Unterdrückung des palästinensischen Volkes ist. Sie ist inzwischen so verhasst, dass 92% der Bevölkerung im besetzten Westjordanland Präsident Abbas absetzen wollen. Es braucht eine echte Alternative.

Wie geht es weiter? 

Ein sofortiger und vollständiger Waffenstillstand ist dringend nötig, um die Verteilung von Hilfsgütern zu ermöglichen und der Hungersnot ein Ende zu setzen. Dies muss ein Abkommen "Alle für alle", das alle Geiseln gegen alle palästinensischen Gefangenen tauscht, beinhalten - auch um die Toten in Würde zu bestatten. Es sind groß angelegte Programme zum Wiederaufbau von Wasser-und Nahrungsmittelversorgung, Infrastruktur, Wohnraum, Krankenhäusern und Schulen erforderlich. Alle Maßnahmen müssen von demokratisch gewählten Vertreter*innen der betroffenen Bevölkerung geleitet und von den Profiten der Superreichen und Kriegsprofiteuere bezahlt werden.

Die Solidaritätsbewegung, Gewerkschaften und andere Organisationen in Österreich und international müssen für die Aufhebung der Belagerung und der Besetzung kämpfen. Vor Ort kann nur eine Massenbewegung von unten - im Sinne der Ersten Intifada - organisiert in demokratischen Aktionskomitees, die Forderungen wirklich durchsetzen. Denn nur so eine Bewegung kann die wahren Interessen der Unterdrückten, Armen und Arbeiter*innen vertreten und die ganze Kraft der palästinensischen Arbeiter*innenklasse - z.B. durch Streiks - nutzen.

Wir brauchen einen Kampf zum Sturz der Netanjahu-Regierung und des Besatzungsregimes, gegen Armut und ethnische Spaltung und für eine grundlegende Lösung - für einen sozialistischen Wandel, der beiden nationalen Gruppen ein Leben in Würde und Frieden anstelle von Armut, Leid und endlosen Blutbädern bieten kann. 

 

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