Mo 27.07.2015
Viel wird über Flüchtlinge in den Medien geschrieben. Am Sonntag den 26.7. kamen sie endlich selbst zu Wort: Bei einer lautstarken Demonstration in Traiskirchen. Viele Flüchtlinge aus unterschiedlichen Ländern nahmen teil. Durch die Ansprachen und Parolen in den verschiedensten Sprachen wurde unterstrichen, wie wichtig der gemeinsame Kampf gegen das von der herrschenden Politik offensichtlich gewollte Flüchtlingselend ist.
Waren es am Anfang ca. 500 Leute, schwoll die Demo nach der Kundgebung vor dem Lager auf ca. 1.000 Leute an. Neben Flüchtlingen demonstrierten auch solidarische UnterstützerInnen aus Wien, von verschiedenen linken Gruppen und einige engagierte TraiskirchnerInnen. Die Teilnahme von TraiskirchnerInnen war angesichts der medialen Polarisierung im Vorfeld und der rechtsextremen Gegendemo besonders wichtig. Es war ein starkes Zeichen der Solidarität, dass es sich einige TraiskirchnerInnen nicht nehmen ließen auf der Demo mit zu gehen. Umso wichtiger ist es, dass in den nächsten Wochen gemeinsame Aktionen folgen.
Die Demo richtete sich unter anderem gegen die menschenunwürdigen Bedingungen im Lager Traiskirchen sowie gegen mögliche Abschiebungen nach Ungarn oder andere sogenannte „sichere Drittländer“.
Gefordert wurden außerdem: Bildungsmöglichkeiten für die Kinder der Flüchtlinge, eine Arbeitserlaubnis für Flüchtlinge, Deutschkurse und menschenwürdige Unterkünfte in anderen Teilen Österreichs. Vor allem auch ein baldiges Asyl in Österreich. Viele geflüchtete Frauen gingen bei der Demo mit und brachten sich mit kämpferischen Redebeiträgen ein. Ein wichtiges Zeichen, angesichts des Bildes in den bürgerlichen Medien, dass die wenigen geflüchteten Frauen nur als stille Leidende des Flüchtlingselends zeigt. Insgesamt machte die Demo deutlich, dass eine starke neue Flüchtlingsbewegung, getragen von vielen Flüchtlingen selbst, möglich wäre.
Die SLP beteiligte sich an der Demonstration. Wichtig war uns mit möglichst vielen Flüchtlingen über weitere Schritte der Selbstorganisation zu sprechen. Außerdem wollten wir mit Flüchtlingen und TraiskirchnerInnen die Möglichkeit gemeinsamer Proteste anzusprechen. Die Gespräche dafür waren nicht immer leicht, was aber nicht an den TraiskirchnerInnen lag. Denn die Diskussionen waren zum überwiegenden Teil positiv. Viele unterstützten die Anliegen der Flüchtlinge. Auch die TraiskirchnerInnen die der Demonstration skeptisch gegenüberstanden, diskutierten freundlich. Ordentlich erschwert wurden die Gespräche von der Polizei, die immer wieder versuchte, das Flugblätterverteilen und die Gespräche zu unterbinden. Immer wieder stellten sich PolizistInnen zwischen DemonstrantInnen und AnrainerInnen. Wenn SLP-AktivistInnen ein, zwei Schritte auf Menschen am Straßenrand zu machten, wurden sie oft von PolizistInnen abgedrängt oder „ermahnt“ in die Demo zurück zugehen. Einmal wurde ein SLP-Aktivist sogar mit einer Verhaftung bedroht - angesichts eines normalen Gespräches mit PassantInnen völlig absurd. Offensichtlich gab es eine Order „von oben“ den Kontakt zwischen DemonstrantInnen und TraiskirchnerInnen möglichst zu unterbinden. Die Demo sollte wohl möglichst isoliert bleiben und jede Chance der Solidarisierung unterbunden werden.
Rechtsextreme nutzten die Demo für eigenen Aufmarsch
Verfolgt wurde die Demonstration von einer rechtsextremen Gegendemo. An dieser nahmen einige Mitglieder der faschistischen Gruppe „Identitäre“, eine Gruppe Wiener Nazischläger, niederösterreichische FPÖler und einige aufgehetzte rassistische TraiskirchnerInnen teil. Vor allem zum Auftakt der Demo trennte die Polizei die zwei Blöcke immer nur sehr lückenhaft was die Rechtsextremen immer wieder zu Provokationen und Rempeleien nutzten. Ob die Gegendemo angemeldet war, oder die Polizei sie einfach so demonstrieren ließ, war uns zum Zeitpunkt der Demo unklar. Unsere Demonstration wurde von vielen Polizeieinheiten aus ganz Niederösterreich begleitet. Bezeichnend war, dass trotz der starken Polizeipräsenz, massive rassistische Beleidigungen, lautstarke gefährliche Drohungen ( „I hoack di um“ „I bring di glei um“) gegen DemoteilnehmerInnen und mehrere Hitlergrüße nicht geahndet wurden. Viele Flüchtlinge fragten uns was es mit dem massiven Polizeiaufgebot auf sich hätte, offensichtlich ging es mehr um die Einschüchterung der Flüchtlinge als um einen Schutz vor rechtsextremen Übergriffen.
Debatte um Demoverbot
Die Demonstration war nicht zuletzt notwendig geworden, nach dem die zuständige Bezirkshauptmannschaft eine Demonstration untersagte. Bürgermeister Babler (SPÖ) hatte zuvor aufgerufen jede Demonstration oder Kundgebung zum Thema Flüchtlinge zu untersagen.
Andreas Babler hat als Bürgermeister von Traiskirchen viel getan damit der Protest gegen die Zustände in Traiskirchen nicht von rechts besetzt werden konnte. Besonders die von ihm initiierte Demo vor dem Innenministerium war ein wichtiger Schritt. Die SLP beteiligte sich daran. Insofern ist sein „Argument“, er wollte eine weitere Eskalationen vermeiden auch glaubwürdig. „Gut gemeint“ heißt aber leider nicht immer „gut gemacht“.
Denn die Forderung nach einem Demoverbot war aus mehreren Gründen ein politischer Fehler.
- Es ist das Recht der Flüchtlinge auch ihn jenen Orten wo „ihr“ Lager steht gegen die herrschende Zustände zu demonstrieren. Flüchtlingen werden viele soziale und politische Rechte – wie etwa das Recht auf Arbeit - vorenthalten. Umso entschlossener ist es notwendig gegen eine Einschränkung des Demonstrationsrechts aufzutreten.
- Viele TraiskirchnerInnen sind besorgt und wütend. Zu Recht. Die Sorgen sind verständlich und die Wut muss aufgegriffen werden. Sie muss sich aber gegen die VerursacherInnen im BMI richten. Bei der Demo gab es frustrierte Aussagen und Beschimpfungen. Die meisten Wutausbrüche waren aber gegen die herrschende Politik allgemein - die Demo war nur ein willkommener Anlass. Ernsthafte Bedrohungen etwa körperliche Attacken, Beschädigungen oder ähnliches hat es aber nur von rechtsextremer Seite gegeben. Die Angst vor möglichen „Eskalationen“ wurden im Vorfeld der Demo vor allem von den bürgerlichen Medien und den Rechtsextremen geschürt. Aus Angst vor solchen „Eskalation“ eine Demonstration zu untersagen, ist aber Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremen. Das zeichnet ein vollkommen falsches Bild der TraiskirchnerInnen und der Flüchtlinge. Den Flüchtlingen wird damit indirekt unterstellt, gefährlich zu sein, (etwa TraiskirchnerInnen zu beschimpfen, zu attackieren, oder Eigentum zu beschädigen), den TraiskirchnerInnen wird vorgeworfen übertrieben aggressiv zu sein. Beides ist sind medial hochgeschaukelte Bilder die mit der Realität nichts zu tun haben.
Die Flüchtlinge demonstrierten laut, bunt und kämpferisch aber vollkommen friedlich. Eine kleine Gruppe von TraiskirchnerInnen nahm an der Demo teil. Von jenen, die die Demo beobachteten, gab es zum Teil Zuspruch und Verständnis für unsere Argumente. Auch mit den meisten DemogegnerInnen (ausgenommen der rechtsextremen Gegendemo) konnte ganz normal geredet werden. Die Beschimpfungen, wie es sie auf den meisten Demos gibt, gab es auch am Sonntag. Vielleicht ein paar mehr als sonst. Sie waren aber weit von jeder ernsthaften „Eskalation“ entfernt. Die Forderung nach einem Demoverbot hat die Gräben nur vertieft (weil die jeweilige „Gegenseite“ als potentiell gefährlich dargestellt wurde) und die Solidarität zwischen Traiskirchner Bevölkerung und Flüchtlingen erschwert.
Manche haben die Hoffnung, durch ein Demoverbot eine Eskalation zu verhindern. Doch das Gegenteil ist der Fall, da ein solches Demoverbot de facto bedeutet, dass Rechte legal, Flüchtlinge aber nur illegal demonstrieren können. Im Fall einer Eskalation auf den bürgerlichen Staat zu vertrauen (also die Polizei) hat noch nie wirklich funktioniert. „Der Staat“ schützt sich vor protestierenden ArbeiterInnen, vor Flüchtlingen und kritischen GewerkschafterInnen – und der Staat öffnet die Türen weit für Diktatoren und ihre Helfer, für jene die das große Geld haben. Die Flüchtlinge sind selbst Teil der Unterdrückten „99%“, viele kommen aus der ArbeiterInnenklasse, manche aktiv in Gewerkschaften und Protesten gegen Diktaturen in ihren Herkunftsländern. Viele TraiskirchnerInnen ihrerseits haben eine kämpferische Tradition in den Protesten gegen die Schließungen von Semperit z.B. An solche gemeinsamen Traditionen kann man ansetzen, um gemeinsame Interessen – ein menschenwürdiger Umgang mit Flüchtlingen der nicht zu Lasten der lokalen Bevölkerung geht – umzusetzen.
Die Forderung nach einem Demoverbot war auch grundsätzlich politisch gefährlich. Wenn Demos in Traiskirchen verboten werden. Warum dann nicht auch in anderen Orten mit „aufgeheizter Stimmung“? In vielen Orten mit Flüchtlingsunterkünften werden Teile der Bevölkerung von den Rechtsextremen aufgehetzt. In Linz gab es eine rassistische Internetkampagne, unter Beteiligung der FPÖ-OÖ, gegen die erste Linzer Flüchtlingsdemo. Es besteht die Gefahr, dass solche Hetzkampagnen als Vorwand genommen werden weitere Demos zu verbieten.
Arbeitslosigkeit und Mieten sind hoch und die kapitalistische Krise nicht vorbei, in solchen Zeiten einer stark unterdrückten Gruppe wie den Flüchtlingen, das Demonstrationsrecht nehmen zu wollen, ist eine Gefährdung für alle zukünftige, soziale Proteste. Denn eine „aufgeheizte Stimmung“ kann es auch gegen einen Wohnungsspekulanten, einen Unternehmer, der Leute entlässt oder auch die Regierung, die beim Gesundheitswesen herrschen...
Gemeinsame Aktionen sind dringend nötig und absolut möglich
Die Demonstration am Sonntag ist trotz rechtsextremer Provokationen friedlich verlaufen. Sie war ein wichtiger Schritt im Kampf für Flüchtlingsrechte. Nun braucht es gemeinsame Aktionen von Flüchtlingen und TraiskirchnerInnen als nächster Schritt. Sowohl die Demonstration, die Andreas Babler und vieler TraiskirchnerInnen in Wien organisiert hatten, als auch die ersten Schritte eines selbstständigen Flüchtlingsprotest können dafür eine wichtige Grundlage sein. Der beste Weg um zu verhindern, dass es Rechtsextremen gelingt, die Stimmung zu vereinnahmen und um die Proteste auszubauen und Erfolgreich sein zu können, sind gemeinsame Aktionen, bei denen man möglichst viele Strukturen aus der ArbeiterInnenbewegung wie Gewerkschaften, Betriebsräte etc und fortschrittliche Organisationen von MigrantInnen einbindet.
So kann nicht nur Spaltung verhindert werden sondern können durch größere Ressourcen und mehr Kapazitäten in der Organisierung künftig Demonstrationen dort organisiert werden wo die Verantwortlichen für die Misere sitzen, nämlich im Innenministerium und in der Bundesregierung in Wien. Die SLP wird gemeinsam mit vielen anderen in den nächsten Wochen Vorschläge in diese Richtung machen.