Mi 01.04.1998
Geht es nach der Hauptgruppe 4 in der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten (GdG), so wird der 26. November 1997 als schwarzer Tag in die Geschichte des Wiener Gemeinderats eingehen. An diesem Tag wurde von FPÖ, ÖVP, LIF und den Grünen (!) beschlossen, daß ab dem 1. Mai 1998 der Vollbetrieb der Wiener öffentlichen Verkehrsmittel durchzuführen ist. Grundlage dieses Beschlusses war ein Antrag des FPÖ-Gemeinderates Michael Kreißel, seines Zeichens oberster AUF-Mann bei der Polizei.
Am 1. Mai 1919 wurde der Vollbetrieb der öffentlichen Verkehrsmittel erstmals eingestellt. Die Wiener StraßenbahnerInnen sahen sich als Speerspitze des „Roten Wiens“. Viele antifaschistische WiderstandskämpferInnen gingen aus ihren Reihen hervor. Am 1. Mai 1933 wurde auf Weisung des bürgerlichen Verkehrsministers wieder auf Vollbetrieb umgestellt. Die Regierung Dollfuß hatte mit hartem Vorgehen im Falle von Kampfmaßnahmen gedroht. Die Führung der sozialdemokratischen „Freien Gewerkschaften“ wich zurück, um „härtere Auseinandersetzungen zu vermeiden“.
1945 wurde wieder die Arbeitsruhe eingeführt. Seither gibt es über den 1. Mai ein Abkommen zwischen Generaldirektion und Personalvertetung, das nun einseitig vom Wiener Gemeinderat gebrochen wurde - ein weiterer Grund für die Gewerkschaft, sich zur Wehr zu setzen.
Im Zeitalter des Neoliberalismus glauben auch „öffentliche“ Arbeitgeber, nun endlich genug Rückenwind zu haben, um Vereinbarungen aufkündigen und bestimmen zu können, wann die ArbeitnehmerInnen zu arbeiten haben - sei es auch am 1. Mai. Es war vollkommen richtig, daß die Gewerkschaft mit einer Streikdrohung reagierte.
Beim Vollbetrieb am 1. Mai geht es aber um weit mehr, als um eine Tradition der ArbeiterInnenbewegung. Daß Stadträtin Ederer nun private Busse am 1. Mai einsetzen will, ist kein Kompromiß, sondern wird sich rasch als trojanisches Pferd entpuppen. Überall wird von den Bürgerlichen gerade auch bei der Gemeinde Privatisierung gefordert. Anstatt den 1. Mai zum gewerkschaftlichen Kampftag gegen diese Angriffe zu machen, stimmt die Gewerkschaft jetzt zu, daß an diesem Tag der öffentliche Verkehr privatisiert wird!
Bezeichnend war in der ganzen Angelegenheit das Verhalten der freiheitlichen Personalvertreter. Auf einer Pressekonferenz bekundeten sie ihre Bereitschaft, am 1. Mai die Arbeit aufzunehmen. Während alle Fraktionen, insbesondere GLB und weite Teile der FSG-Basis, bereit waren, den 1. Mai zu verteidigen, betätigten sich die F-Straßenbahner als Streikbrecher.
Besonders tat sich dabei Josef Müllek, oberster F-Straßenbahner und Personalvertreter am Bahnhof Hernals hervor. Schon im September ‘97 sprach sich Müllek für einen Vollbetrieb aus. Die Gewerkschaft will auch in Zukunft den 1. Mai bis 14 Uhr freihalten. Pläne, die Stadtwerke auszugliedern gibt es bereits, was darauf folgt, ist normalerweise die Privatisierung. Die unsichere Zukunft des 1. Mai bei den Straßenbahnern ist mit diesen beiden Punkten wohl eng verknüpft.