Mo 26.08.2013
Hallo Mesut, du bist Betriebsrat bei RMMVÖ (Rheinmetall MAN Military Vehicles Österreich) und seit heute im Hungerstreik. Warum?
Bei RMMVÖ steht eine Welle von Kündigungen an. Ungefähr 147 KollegInnen sind betroffen. Ich habe aus Protest gegen diese Kündigungsmaßnahmen den Hungerstreik begonnen. Ich möchte unsere Belegschaft verteidigen.
Warum sollen die KollegInnen entlassen werden?
Laut der Geschäftsführung haben wir Auftragsprobleme für 2014. Wir sind aber in einem großen Konzern mit zwei Seiten: Rheinmetall und MAN. Von MAN bekommen wir jedes Jahr Aufträge für 1500 Autos, und Rheinmetall hat gerade einen Auftrag mit Australien abgeschlossen, der soll aber erst 2015 begonnen werden. Außerdem steht die Firma kurz vor der Unterzeichnung eines anderen großen Auftrags mit Schweden. Ab 2015 sind die Auftragsbücher voll. Deswegen schlage ich Kurzarbeit statt Kündigungen vor.
Es passiert leider sehr selten, dass sich ein Betriebsrat so energisch gegen Kündigungen wehrt. Hast du Unterstützung im Betrieb?
Unser Betriebsrat hat 10 Mitglieder. Die anderen 9 haben die Kündigungen zwar auch abgelehnt, aber sie haben nichts unternommen. Ich möchte zeigen, dass ich auch gegen die Kündigungen bin, aber auch etwas für die Belegschaft tun möchte. Es muss eine Reaktion geben.
Natürlich möchte ich auch ein Beispiel für den Rest Österreichs setzen. ArbeiterInnen müssen sich gegen Kündigungen und Angriffe auf ihre Rechte wehren. Ich habe die Form des Hungerstreiks gewählt. Das wird natürlich sehr unangenehm. Wenn Leute hören, dass ich im Hungerstreik bin, sind sie zuerst sehr überrascht. Das möchte ich nutzen, um sie zu sensibilisieren.
Wie soll es weitergehen?
Ich bin bis Mittwoch im Hungerstreik. Am Freitag gibt es eine Betriebsversammlung. Am Montag erfahren wir, wieviele KollegInnen gekündigt werden sollen. Ich möchte Proteste organisieren. Ich möchte alle einladen, gemeinsam zu kämpfen für das, was gerecht ist.
Könntest du dir vorstellen, dass am Freitag Streik zum Thema wird?
Streik ist sehr schwer, dafür brauchen wir eine Mehrheit im Betriebsrat. Und ich bin nur 1 gegen 9. Ich möchte einen taktischen Zusammenhalt der Belegschaft. Sie sollen das Mikrofon nehmen und sagen, was sie denken.
Du bist ja Gewerkschaftsmitglied. Was erwartest du dir von deiner Gewerkschaft an Unterstützung?
Ihre Aufgabe erfüllen. Und ihre Aufgabe ist es, die Belegschaft zu verteidigen. Ich bin Mitglied der Pro-Ge. Sie muss Unterstüzung auch in anderen Firmen organisieren. Alleine kann man nichts schaffen. Aber eine gemeinsame solidarische Bewegung ist stark und kann viel für die Zukunft lernen. Alleine die Proge Wien Süd hat ungefähr 300 BetriebsrätInnen. Wenn nur die Hälfte hierher kommt, ist die Situation gleich komplett anders.
Die BetriebsrätInnen der SLP haben bereits Interesse bekundet, ein Solidaritätskomittee für euren Arbeitskampf aufzubauen, um euch bei der Arbeit im Werk und in der Öffentlichkeit zu unterstützen. Was hältst du von der Idee?
Alle Hilfe und Unterstützung ist herzlich willkommen. Die Politik der Arbeiterbewegung erfordert Solidarität. Wir müssen alle zusammen gegen den Kapitalismus kämpfen.
Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg!
Danke für euren Besuch und unsere Unterstützung.
Mesut protestiert bis Mittwoch von 6-18 Uhr vor dem Rheinmetall MAN Werk in Liesing, Ecke Brunner Straße / Carlbergergasse. Er und seine KollegInnen freuen sich über Solidaritätsbesuche und Unterstützung beim Flugzettel verteilen an Belegschaft und PassantInnen, vor allem bei Schichtwechsel (6:00-7:00 und 13:00-14:00). Zu erreichen ist das Werk über U6 bis Perfektastraße und von dort mit dem 61A bis Carlbergergasse.
Die Sozialistische LinksPartei solidarisiert sich klar mit dem Arbeitskampf bei MAN. Es ist vorbildlich, dass ein Betriebsrat, auch wenn er in der Minderheit ist, klare Positionen gegen Kündigungen und Einschnitte bezieht und beginnt, zu kämpfen. Wir werden Mesut und seine KollegInnen nach Kräften unterstützen. Bis zur Betriebsversammlung sollte die gesamte Belegschaft mit Flugblättern und persönlichen Gesprächen informiert und mobilisiert werden. Wir sollten nicht warten, bis wir wissen, wen es trifft: JedeR Einzelne könnte den Job verlieren – Wir müssen uns alle gemeinsam wehren! Wir halten Hungerstreik eigentlich für den letzten Ausweg – Arbeitskämpfe gegen Entlassungen können am besten durch einen kollektiven Kampf der gesamten Belegschaft zurückgeschlagen werden – mit Demonstrationen, Streiks, oder gar Betriebsbesetzungen. Wir glauben auch, dass es effektivere Methoden als Kurzarbeit gibt. MAN und Rheinmetall sind Riesenkonzerne. Das Werk in Liesing muss keine Rüstungsgüter herstellen, sondern kann genauso gut zivile Nutzfahrzeuge erstellen – und hier ist genug Bedarf vorhanden. MAN gehört zum VW-Konzern, dessen BesitzerInnen, die Familie Porsche-Piech, gut 35 Milliarden Euro schwer sind und die reichste Familie Österreichs sind. Sie machen ihre Profite auf Kosten von ArbeiterInnen. Alleine im letzten Jahr kassierten sie 300 Millionen Euro Dividende. Wenn es ihnen gerade nicht so passt (also wenig Profit in Aussicht ist), werden ArbeiterInnen vor die Tür gesetzt und damit Existenzen zerstört. Auch hier passt also die Forderung der SLP: Superreiche enteignen statt Massenentlassungen!
Wir fordern die Gewerkschaften Pro-Ge und GPA DJP auf, diesen Arbeitskampf ebenfalls entschlossen zu unterstützen. Die Entlassungswellen werden mehr und größer. Erst vor kurzem wurde bekannt, dass auch bei Mondi 100 Jobs gestrichen werden. Erfolgreicher Widerstand bei MAN Liesing kann Vorbildwirkung auf andere Branchen haben. Stoppen wir den Jobabbau – kämpfen wir gemeinsam!