Abschiebung vorerst verhindert, aber nur weiterer Widerstand kann sie endgültig abwenden!

Augenzeugenbericht eines SLP-Aktivisten

Nyatta J. stammt aus Gambia und lebt schon seit 10 Jahren gut integriert in Österreich. Er arbeitete laufend und erhielt neue Visa. Ein neuerlicher Antrag wurde abgelehnt. Während er immer noch auf die Erteilung des Aufenthaltstitels wartete, wurde er am 25.08.2013 in Schubhaft genommen. Am 18. November in der Früh sollte er mit einem Austrian Airlines Flug über Brüssel nach Gambia abgeschoben werden. Daher versammelten sich viele UnterstützerInnen Nyattas am Flughafen. Auch die SLP rief dazu auf zum Flughafen zu fahren.

Wir trafen uns um 5 morgens beim Terminal in Schwechat. Neben dem Hochhalten von Transparenten gegen Abschiebung wurden im Departurebereich des Flughafens hunderte Flugzettel an die Passagiere verteilt. Darin wurden sie nicht nur über die Situation Nyattas informiert, sondern, und das ist noch wichtiger, aufgeklärt, was sie für Möglichkeiten haben, sich praktisch mit Nyatta zu solidarisieren und im Flugzeug gegen die Abschiebung zu protestieren.

Die einzige Möglichkeit, die jemand wie Nyatta in so einer Situation noch hat, ist im Flugzeug auf sich aufmerksam zu machen und der Crew und den Passagieren klar zu machen, dass man sich weigert, mitzufliegen. Häufig haben die Menschen aber aufgrund der bisherigen Erlebnisse und vor allem angesichts des bevorstehenden politischen, ökonomischen und sozialen Horrors, der sie oft in ihrem Herkunftsland erwartet, ihre Hoffnung bereits verloren und stehen unter so einem psychischen Druck, dass sie sich selbst nicht mehr zu helfen wissen, geschweige denn wehren können. In vielen Fällen sind sie auch noch gefesselt, mit Beruhigungsmitteln vollgepumpt und werden von der Polizei bewacht.

In so einem Fall ist ihre einzige Chance, dass sich die Passagiere mit ihnen solidarisieren, indem sie zB. der Crew mitteilen, dass sie es nicht hinnehmen werden, wenn ein Mitpassagier abgeschoben werden soll. Das erfordert großen Mut und passiert leider nur selten. Um so bewundernswerter ist es, dass Nyatta selbst die Kraft und den Mut hatte, dem Piloten gegenüber klarzumachen, dass er sich nicht freiwillig mitnehmen lassen wird. Aufgrund seiner eigenen Initiative konnte die Abschiebung noch verhindert werden.

Beim Verteilen der Flugzettel im Departurebereich erhielten die UnterstützerInnen zumindest moralische Solidarität von einer Angestellten der AUA. Sie sei selbst entsetzt und abgestoßen von der Abschiebung, wisse aber nicht, wie sie konkret helfen könne. Sie meinte, man müsse versuchen, noch früher Kontakt zur Crew aufzunehmen und diese zu informieren. Jedoch gibt die AUA in solchen Fällen keine Auskunft, wer der Crew angehört.

Einige UnterstützerInnen Nyattas hatten die Gelegenheit, noch bevor die Besatzung an Board ging, vor dem Terminal mit dem Piloten und der Crew des AUA Flugs nach Brüssel zu sprechen. Der Pilot selbst blockte das Gespräch ab und bestritt zunächst sogar, dass die Maschine nach Brüssel fliegen würde und behauptete, dass sei nicht der Abschiebeflug. Offensichtlich war er aber dann von Nyattas Widerstand so beeindruckt, dass er mit ihm sprach und später seine Mitnahme verweigerte.

Für diesen menschlichen Schritt gebührt ihm viel Hochachtung. Eine solche Verweigerung ist nicht so leicht und sollte ein Beispiel für viele andere PilotInnen sein.

Hier kommt die Gewerkschaft ins Spiel. Wie ein Lufthansapilot in einem langen Gespräch mit den Protestierenden aus seiner eigenen Berufspraxis schilderte, sind PilotInnen genauen gesetzlich Bestimmungen unterworfen. Laut seinen Darlegungen verstößt es sogar gegen die Menschenrechte, gefesselte oder durch Medikamente ruhig gestellte Personen mitzunehmen, abgesehen davon, dass das Risiko bei einer Evakuierung untragbar ist.

Vor allem aber gibt es die "Will to Travel" Vorschrift, die besagt, dass niemand gegen seinen Willen mitgenommen werden darf. Dass das trotzdem und sogar täglich passiert ist traurige Realität. PilotInnen und Crew sind nicht Schuld an der Abschiebepolitik des Staates, sie aber ganz aus der Verantwortung zu entlassen ist zu einfach. Die Crews werden zwar teilweise durch die Fluglinien unter Druck gesetzt, Abschiebungen durchzuführen, das erklärt aber nicht die Praxis, sich regelmäßig über sämtliche Vorschriften hinwegzusetzen. Es herrscht oft eine Stimmung der Teilnahmslosigkeit vor, Abschiebungen werden als Business as usual gesehen.

Hier müssen die zuständigen Gewerkschaften endlich aktiv werden. Sie müssen alle KollegInnen nicht nur über ihr Recht, sondern auch ihre Pflicht informieren, niemanden gegen seinen Willen mitzunehmen. Sollte von Seiten der Fluglinien Druck auf die Crew ausgeübt werden, muss sich die Gewerkschaft schützend vor die KollegInnen stellen, wenn nötig auch durch kämpferische Maßnahmen. Genauso müssen die KollegInnen für die Thematik von Abschiebungen sensibilisiert werden.

Gewerkschaften sind Instrumente der Solidarität aller Beschäftigten, der ganzen ArbeiterInnenklasse, gemeinsam ihre Interessen durchzusetzen, unabhängig von Nationalität und Herkunft. Durch Schlechterbezahlung von migrantischen Arbeitskräften, Arbeitsverbote und auch Abschiebungen wird schlussendlich allen Lohnabhängigen geschadet. Das ist die Teile und Herrsche Politik schlechthin, um die Lohnabhängigen zu spalten und so zu schwächen. Dass das so lange funktioniert ist auch Schuld der Gewerkschaftsführung, die sich dem Staat in dieser Frage unterworfen hat, anstatt endlich die Bildung einer Massenbewegung gegen Abschiebungen voranzutreiben.

Und ganz praktisch können die zuständigen Gewerkschaften helfen, Abschiebungen mittels Flugzeug zu verhindern. Die jeweiligen BetriebsratskollegInnen haben Zugriff auf die Flugpläne und wissen, wer bei Abschiebeflügen Dienst hat. Durch ein Bündnis zwischen AktivistInnen der Antiabschiebebewegung und GewerkschafterInnen kann gemeinsam versucht werden, auf die KollegInnen einzuwirken und sie zu überzeugen, die anstehende Abschiebung nicht durchzuführen, bei gleichzeitiger Solidarität und Diskussion aller Beteiligten.

Nyatta ist inzwischen wieder in das Schubgefängnis in Hernals gebracht worden. Sein weiteres Schicksal ist ungewiss. Eines steht jedenfalls fest: Die besten Chancen hierzubleiben wird Nyatta dann haben, wenn es gelingt, die Menschen, die sich von Abschiebungen abgestoßen fühlen und aktiv werden wollen, in den gemeinsamen Kampf einzubinden und die Bewegung zu vergrößern. Die Abschiebepolitik des österreichischen Staates wird aber nur durch eine Massenbewegung aller Lohnabhängigen, gemeinsam mit MigrantInnen und Jugendlichen und den aktiven Teilen der Gewerkschaftsbewegung gestoppt werden können.

Kämpfen wir dafür!