Sa 02.08.2014
Im Wesentlichen geht es aber bei der steigenden Repression und Gewalt seitens Polizei und Justiz schon seit geraumer Zeit darum, verstärkt gegen soziale Bewegungen und antifaschistischen Protest vorzugehen und einzuschüchtern. Auch vor diesem Hintergrund stellt die absurde „Invasion der 1700“ am 28.7.2014 eine Art Exempel und auch eine Übung für die Polizei dar, um für kommenden Widerstand gerüstet zu sein. Wir erleben eine der größten Krisen des Kapitalismus, die keineswegs vorbei ist, wie uns immer wieder vorgemacht wird. „Wirtschaftsinteressen“, das heißt die Interessen von KapitalistInnen, müssen verstärkt gegen diejenigen verteidigt werden, die nur mittels Job oder Sozialleistungen überleben können. Denn auf Kosten der Letzteren wird versucht, die Krise zu bewältigen. Mit Niedriglöhnen, prekärer Beschäftigung, Jobabbau, Sozialkürzungen und steigenden Preisen. Der Widerstand dagegen steigt und daher auch die Repression gegen den Widerstand.
So werden Profite verstärkt damit gemacht, dass Wohnen für immer mehr Menschen zum unleistbaren Luxus wird. Die öffentliche Hand hat sozialen Wohnbau völlig eingestellt. In Wien werden seit mehr als zehn Jahren keine Gemeindebauten mehr gebaut. Geförderte Genossenschaftswohnungen, die genauso unleistbar sind, werden von der Stadtregierung als „sozialer Wohnbau“ verkauft.
Die wenigen gesetzlichen Mietzinsbegrenzungen werden von VermieterInnen völlig ignoriert. Die rechtswidrigen Mietverträge, die hin und wieder von der Arbeiterkammer aufgedeckt werden, sind höchstens die Spitze des Eisbergs. Denn die meisten MieterInnen fechten die Miethöhe aus verschiedensten Gründen nicht an. Weil sie nicht informiert sind, aufgrund prekärer Lebensverhältnisse vor rechtlichen Schritten Angst haben, die Nichtverlängerung des befristeten Mietvertrages befürchten, die Kosten und administrativen Hürden scheuen...
Mit Dachgeschossausbauten und Luxussanierungen machen windige Gesellschaften verschiedenster Größe verstärkt Profite. Die Wohnungen werden dann entweder verkauft, was oft profitabler ist als Vermietung oder zu Luxuspreisen vermietet. Sogenannte „AltmieterInnen“, die vielleicht auch noch „nur“ den gesetzmäßigen Mietzins zahlen und dann auch noch unbefristete Mietverträge haben, sind dabei im Weg. In unterschiedlicher Intensität wird gegen sie vorgegangen. Manchmal wird versucht, sie mit der Wohnung „mitzuverkaufen“. Da finden sich dann Verkaufsinserate von „Anlagewohnungen“ mit Angabe des Geburtsjahres des Mieters, das auf baldige Beendigung des Mietvertrages hoffen lässt. Manchmal werden sie passiv gemobbt, indem die vom Vermieter durchzuführenden Instandhaltungen nicht durchgeführt werden. Das kann schon auch mal eine undichte Gasleitung sein. Oder es werden jahrelange Bauarbeiten im Haus durchgeführt, bei denen dann die eine oder andere Leitung gekappt wird. Menschen, die es sich leisten können, kaufen „freigemachte“ Wohnungen – oftmals sogar unsaniert – zu Horrorpreisen. Und auch so mancheR dieser neuen WohnungseigentümerInnen ist dann im neuen Heim ernüchtert über die Zustände im Haus.
Oft wird aber auch zu aktiven und radikaleren Methoden gegriffen. Wie im Fall der Castella GmbH, die sich – neben anderen Mobbingaktionen gegen MieterInnen in ihren Häusern - die Leute von der Pizzeria Anarchia in eines ihrer Häuser geholt hatte, um „AltmieterInnen“ zu vergraulen, nachdem Buttersäureattacken und nächtliches Anklopfen zwecks „Ausmietungsgespräch“ nicht geholfen hatten. Wie bekannt, ging dieser Schuss nach hinten los, denn die ins Haus geholten solidarisierten sich mit den MieterInnen und wurden zu den sprichwörtlichen Geistern, die die Castella GmbH rief und nun nicht mehr los wurde. Das ist ein gelungenes Beispiel für Solidarität und gemeinsamen Widerstand!
Dieser Widerstand gegen Immobilienspekulation findet zu recht viele Sympathien. Der Staat kann das hingegen nicht durchgehen lassen, seine Aufgabe ist es, Eigentum zu schützen. Das hat er gemacht. Die Justiz mit dem Räumungsbefehl und die Polizei mit dessen Durchführung, die tatsächlich eine Invasion war. Illusionen in die „Neutralität“ des bürgerlichen Rechtsstaats sollten anhand dieses Beispiels eigentlich ausgeräumt sein. Die Mühlfeldgasse wurde zum Kriegsschauplatz, die Polizei ging mit 1700 PolizistInnen, Hubschrauber, Wasserwerfer und Panzer gegen ein Haus vor, um etwa 20 Leute aus diesem herauszubekommen. Das ist natürlich absurd und in der Öffentlichkeit stand die Polizei ziemlich lächerlich da, vor allem weil das Ganze trotzdem den ganzen Tag gedauert hat. Unweigerlich tauchte die Frage nach der Bezahlung dieses Wahnsinns auf. Ausschließlich im Dienste der Profite der Immobilienspekulanten und zur Verteidigung deren Eigentums lief die ganze Aktion ab. Die FPÖ zeigte wieder deutlich, auf wessen Seite sie steht. Die erste Reaktion war sinngemäß „recht so“, volle Härte gegen die „Chaoten“ bzw. „Anarchos“. Die FPÖ steht, wie wir wissen, auf der Seite des Kapitals und keineswegs auf der Seite der „kleinen Leute“, auch wenn sie sich gerne diese Maske aufsetzt. Also auf Seite der Immobilienspekulanten, nicht auf Seite der MieterInnen. Dann dürfte jedoch der FPÖ ihr diesbezüglicher propagandistischer Fehler und außerdem die ausländisch klingenden Namen der Gesellschafter der Castella GmbH aufgefallen sein und es wurde zurückgerudert.
Solche Kämpfe können eher gewonnen werden, wenn sie eine soziale Bewegung im Rücken haben, als wenn es sich um individuelle Einzelaktionen handelt. In Spanien waren zahlreiche Haushalte von Räumungen bedroht, nachdem die MieterInnen durch die Krise ihre Kredite nicht mehr bedienen konnten. Schnell bildeten sich vor dem Hintergrund des Widerstands gegen die heftigen Sozialkürzungen Nachbarschaftsgruppen, die mit hunderten AktivistInnen Delogierungen verhinderten oder auch leerstehenden Wohnraum besetzten um ihn obdachlosen Familien zur Verfügung zu stellen. Auch in Brasilien gibt es mittlerweile Massenbewegungen der Wohnungslosen. Besonders rund um die WM gab es heftige Proteste aus den Favelas (Slums) gegen ihre unzumutbaren Lebensbedingungen. Favela-BewohnerInnen, die mit ungalublicher Gewalt vor der WM aus ihren Vierteln vertrieben wurden, bestzten sich Wohnraum außerhalb und verteidigten diesen. In organisierter Form und als Bewegung, im besten Fall als Massenbewegung, können und sollen „Besetzungen“ stattfinden als Kampfform mit Aussicht auf Erfolg, verbunden mit öffentlichen Protestaktionen z.B. für öffentlichen Wohnungsbau.Einmal mehr ist zu betonen, dass es Aufgabe der Gewerkschaften wäre, das zu organisieren. Immerhin geht es hier um ein Thema, das die gesame ArbeiterInnenklasse betrifft und wo sich Interessen von Kapital und der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung direkt gegenüber stehen. Leider müssen viele in Anbetracht der österreichischen Gewerkschaftsführung über diese Forderung lachen. Dennoch muss dahingehend weiter Druck auf die Führungsebene des ÖGB gemacht werden. Die vorhandene Beratung durch die Arbeiterkammer ist gut, aber völlig unzureichend. Nur ein verschwindender Teil von MieterInnen findet überhaupt den Weg dorthin, weil sie unter Druck stehen und schlecht informiert sind. Die meisten zahlen zu viel Miete und werden aus ihren Wohnungen rechtswidrigerweise rausgeworfen, betroffen sind überproportional MigrantInnen und Menschen mit niedrigem Einkommen.
Wir fordern: Enteignung der ProfiteurInnen von Immobilienspekulation – in der Mühlfeldgasse und überall! Abschöpfung der Profite von Immobilien- und „Investment“-Gesellschaften durch bereits verkaufte oder vermietete Wohnungen zugunsten der öffentlichen Hand unter demokratischer Verwaltung von BewohnerInnen und MieterInnen-Organisationen, nicht unter Verwaltung durch Gebietskörperschaften oder Regierung. Enteignung der im Eigentum von SpekulantInnen, Immobilien- und „Investment“-Gesellschaften befindlichen Immobilien.
Die Häuser den BewohnerInnen – in der Mühlfeldgasse und überall! Unbefristetes Wohnrecht und Sanierung der Gebäude und Wohnungen nach den Bedürfnissen der BewohnerInnen, finanziert mit den enteigneten Spekulationsprofiten der EigentümerInnen.
Schluss mit Mobbing von MieterInnen! Solidarische und demokratische Verteidigung gegen Mobbingaktionen der EigentümerInnen, organisiert von BewohnerInnen, unterstützt von kritischen JuristInnen, Arbeiterkammer und Gewerkschaften.
Organisierung von MieterInnenstreiks durch Arbeiterkammer und Gewerkschaften zur Durchsetzung von Wohnrecht, leistbarer Miete, Erhaltungspflichten der VermieterInnen!
Wiedereinführung und massiver Ausbau des sozialen Wohnbaus durch die öffentliche Hand, finanziert mit Profiten von SpekulantInnen!
Schluss mit absurden überbordenden Polizeiinvasionen! Bezahlung der „Räumung“ der Pizzeria Anarchia durch die Gesellschafter der Castella GmbH