Di 19.02.2008
Wenige Tage nach den Parlaments-und Präsidentschaftswahlen in Kenia vom 27. Dezember erklärte sich der bisherige Präsident Mwai Kibaki zum knappen Sieger der Wahl, während die Opposition um Präsidentschaftskandidat Raila Odinga und sein Bündnis ODM (Orange Demokratie-Bewegung) ebenso wie die EU-Wahlbeobachter die Wahlen als gefälscht ansahen. Die Opposition rief zu Protesten auf, Unruhen brachen in vielen Teilen des Landes aus. Bisher wurden mehr als tausend Menschen – viele auch durch die Polizei – getötet, mehrere hunderttausend Menschen sind auf der Flucht.
„Ich bin für Raila, ich bin eine Luo“, erzählte mir Anne. Die Luo sind eine von über 40 ethnischen Gruppen im 35-Millionen-Einwohner-Land Kenia. Auch Raila ist ein Luo, während Kibaki ein Kikuyu ist (mit knapp 25 Prozent die größte ethnische Gruppe).
Bittere Armut
Der Kinderhort, in dem Anne arbeitet, liegt in einem der größten Slums der Hauptstadt Nairobi. Zu Hunderttausenden leben die Menschen hier in einfachen Bretter- und Wellblechverschlägen, auf engstem Raum, oft ohne Strom, Wasser und Toiletten. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, viele Kinder gehen nicht zur Schule. Rund 20 Kleinkinder betreut Anne mit ihrer Kollegin Clara auf zehn Quadratmetern, ein Teil der Kinder ist HIV-infiziert, ein anderer Teil sind Waisen, alle sind hilfebedürftig. Es ist eines der vielen Selbsthilfeprojekte hier, die aber oft kaum das Nötigste, wie Nahrung und Medikamente, aufbringen können.
Ursachen der Massenunruhen
Anne erzählte mir, dass die Kikuyu verantwortlich seien für das Elend, da sie den Reichtum im Land unter sich aufteilen würden. Folglich müsse Raila anstelle von Kibaki Präsident werden, damit sich etwas ändere.
Bürgerliche Medien sprechen nun häufig von Stammes- oder ethnischen Konflikten, um die Unruhen zu erklären. Es spricht aber mehreres dafür, dass die Unruhen nicht ausschließlich ethnischen Charakter haben, sondern vor allem ein Ausdruck der Wut auf die sehr hohe soziale Ungleichheit und das Massenelend unter Kibaki sind:
Erstens wurde entgegen seinen Versprechen seit seiner Amtsübernahme 2002 eine durch und durch neoliberale Politik betrieben. Zweitens wird die Verteilung des Reichtums und der Arbeitsplätze zwar auch durch die ethnische Zugehörigkeit bestimmt, allerdings ist deswegen die kapitalistisch erzeugte Ungleichheit und Armut auch innerhalb der mächtigsten Gruppe, den Kikuyu, nicht aufgehoben. Drittens erfasst die in Kenia allgemein herrschende Korruption alle ethnischen Gruppen.
Rolle des Imperialismus
Die imperialistischen Mächte, vor allem die ehemalige Kolonialmacht Großbritannien und die USA, welche Kenia als wirtschaftliche und militärstrategische Basis im unruhigen Ostafrika nutzen, haben weiter entscheidenden Einfluss in Kenia. Auf Druck von Internationalem Währungsfonds und Weltbank ist das Land zum größten Blumenexporteur der Welt geworden, während im Nordosten Kenias immer wieder Hungersnöte drohen. Im Verbund mit der kapitalistischen Elite des Landes setzen sie auf ethnische Spannungen, um eine Solidarisierung der unterdrückten und verarmten Bevölkerungsmehrheit zu verhindern.
Gegenwärtig bemühen sie sich, den Konflikt innerhalb der Elite Kenias zu schlichten und die repressive neoliberale Ordnung aufrechtzuerhalten. Darum streben sie ein Abkommen zwischen Kibaki und Odinga an.
2003 gab es eine Welle betrieblicher Kämpfe. Das zeigt, dass die Wut in Kenia auch zum Widerstand gegen die herrschende Klasse werden kann und nicht in ethnisch aufgehetzte Massaker münden muss.
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Weg mit Kibaki
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Kein Vertrauen in die heute im Parlament vertretenen Parteien, die alle prokapitalistisch sind
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Aufbau von demokratisch organisierten Selbstverteidigungskomitees durch die arbeitende Bevölkerung, um sich vor der Staatsgewalt und ethnischen Übergriffen zu schützen
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Für kämpferische und demokratische Gewerkschaften
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Für die Schaffung einer multi-ethnischen Arbeiterpartei mit sozialistischem Programm
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Nein zu IWF und Weltbank
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Überführung der Konzerne in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung
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Für ein sozialistisches Kenia als Teil einer sozialistischen Föderation in Afrika
Benjamin Giffhorn ist in den letzten Monaten in Kenia gewesen
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