Mo 01.09.1997
Fassungslos - so saßen wir (die das Glück hatten, in der Schule etwas über die NS-Zeit zu erfahren) vor den Schulbüchern. Wie konnten die Menschen, die Politiker, die Behörden das zulassen? Wie konnten die Nazis so stark werden? Die jüngsten Ereignisse scheinen diese Fragen zu beantworten. Geschichte wird gemacht. Jetzt. Nach den Brandanschlägen auf AusländerInnenheime in Deutschland, wo mehrere Menschen starben, den Briefbombenattentaten mit Schwerstverletzten und dem Anschlag auf die Roma von Oberwart mit 4 Toten, gab es eine Serie von rechtsradikalen Brandanschlägen auf AusländerInnenheime und -wohnungen, die aber kaum an die Öffentlichkeit gelangten.
Die Polizei tappt bei all diesen Anschlägen im Dunkeln - obwohl die Täter sich üblicherweise mit Hakenkreuzschmierereien, „RAUS“-Parolen und Bekennerschreiben eindeutig als Rechtsradikale ausweisen, wird versucht, zu verniedlichen oder von der Neonazi-Szene abzulenken. Immer wieder werden sogar die Opfer selbst verdächtigt.
Gegen Linke wird ermittelt
In der anderen Richtung ist man weit weniger zimperlich. C. Einem wäre auf seiner lächerlichen „Tatblatt“-Spende fast ausgerutscht. Gegen den linken Journalist und bekannten Rechtsextremismus-Experten Wolfgang Purtscheller gibt es einen internationalen Haftbefehl. Öffentliche Entrüstung herrscht über den „Vandalenakt“ vom Ulrichsberg, einem bekannten Nazi-Treffpunkt. Beschädigt wurden Gedenktafeln wie jene der Kameradschaft IV der Waffen-SS, die ohnehin längst entfernt gehört hätten. Andererseits ist der Welser SP-Bürgermeister Bregartner trotz der berühmt-berüchtigten „braunen Flecken“ weiter in Amt und Würden und sponsert munter weiter den rechtsextremen ÖTB.
Staat gegen AusländerInnen
„Einmal muß Schluß sein“, ließ Innenminister Schlögl via „Kronen Zeitung“ verlauten und meinte nicht etwa die immer stärkeren rechten Umtriebe, sondern die Bosnien-Flüchtlinge. Sie sollen nun etappenweise „heimgeschickt“ werden - in Ungewißheit und bittere Armut.
So will die Regierung die AusländerInnenfeindlichkeit “bekämpfen”: Sie bekämpft die AusländerInnen! Das Ziel dieser Politik: von bestehenden sozialen Probleme, wie z.B. Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot soll abgelenkt werden. Die Ursache dieser Politik ist nicht zuletzt die Angst vor den Freiheitlichen - doch gerade durch eine solche Politik bekommt Jörg Haider erst Rückenwind.
Die weitverbreitete Blindheit auf dem rechten Auge hat durchaus logische Gründe. Die Rechte ist gerade in der Polizei sehr stark, was sich an den Wahlerfolgen der AUF (FPÖ-Gewerkschaftsgruppe) messen läßt. Das könnte eine gewisse Einäugigkeit bei den Ermittlungen erklären. Die politischen Parteien - ausgenommen die Grünen - sind nicht zuletzt wegen der braunen Flecken in den eigenen Reihen wenig sensibel gegenüber Rechtsextremismus. Für Behörden und Politik ist eine wachsende rechtsradikale Szene aber auch unangenehm, weil schwer kontrollierbar.
Weil nicht sein kann, was nicht sein darf!
Die Lösung: Was es nicht gibt, braucht auch nicht erklärt oder gar bekämpft zu werden. Daher wird verniedlicht und vertuscht.
Auch für Otto Normalverbraucher ist das Leben einfacher, wenn es keinen Rechtsradikalismus gibt: Die AusländerInnen sind ohnehin selbst schuld, die Regierung wird uns schon lenken (indem sie AusländerInnen „heim-“schickt) und man kann sich beruhigt vor dem Fernseher zurücklehnen. Das ist wesentlich bequemer, als sich aktiv am Kampf gegen den Faschismus zu beteiligen.
All diese Fehler wurden bereits einmal gemacht. Es war der ideale Nährboden für die Faschisten, die so immer stärker wurden. Und heute sind sie die Basis für die stärkste rechtsextreme Partei Europas - die FPÖ. Geschichte wird gemacht. Jetzt! Greifen wir ein!