Mi 08.07.2009
Was macht man als Anti-Bush Band ohne George W. Bush? Weiter! Und genau das machen Anti-Flag auf ihrem neuen Album “The people or the gun”. Die 1989 gegründete Polit-Punkband sieht keinen Grund, sich nach dem Abgang Bushs auszuruhen oder zu verstummen. Ihren Status als linkes Gewissen der US- Musikszene haben sich Anti-Flag im Laufe der Jahre redlich verdient und verteidigt. Wie auch schon im Herbst die Band Rise Against lassen sich Anti-Flag auf ihrem neuen Album nicht von der Obama-Euphorie mitreißen und glauben nicht, dass mit dem Ende der Ära Bush das goldene Zeitalter Einzug halten wird. Nach wie vor führt Obama Krieg und lässt das Sozialsystem verrotten, während zig Milliarden in die Rettung maroder Banken geschoben werden. All das desillusioniert die linke Musikszene in den USA und treibt sie weiter nach links, wo simples Weltverbesserungsgeschwafel nicht mehr reichen kann. Kapitalismuskritik äußert sich nicht mehr in verschwommenen Forderungen nach “Frieden” oder “Gerechtigkeit”, sondern in dem entschlossenen Aufruf, für ebendiese Dinge zu kämpfen.
Probiers mal mit Revolution
Während Rise Against ihr neues Album “Appeal To Reason” nach einer sozialistischen Arbeiterzeitung des 19. Jahrhunderts benannten, gehen auch Anti-Flag einen Schritt weiter und kritisieren nicht mehr nur noch den Irakkrieg oder die Foltermethoden der US-Army, sondern das System gleich mit.
Interessant ist, dass Anti-Flag teilweise mit der verwaschenen Logik der Antiglobalisierungsbewegung brechen und trotz des Albumtitels oft nicht mehr von “The people” (etwa: die Leute) singen, sondern gezielt von “The workers” (die ArbeiterInnen). Die ArbeiterInnenklasse wird vor dem Hintergrund der schwersten Wirtschaftskrise seit 1929 vom US-Punk sozusagen als revolutionäres Subjekt wiederentdeckt.
In der ersten Single “When All The Lights Go Out” heißt es gleich am Anfang:
One billion workers stand up from their chairs
Their faces no longer struck with their fears
Attack! Attack! Stabbed in the back
Disgraced! Disgraced! Traitors trade face to face
Revolution... the engine for history.
Eine Million ArbeiterInnen die sich erhebt wird hier besungen, die sich wehren und dass Revolution die Antriebskraft der Geschichte ist. Im Album wird an mehreren Stellen Marx zitiert (“Proletarier aller Länder vereinigt Euch, ihr habt nichts zu verlieren als Eure Ketten”) und das erste Mal seit langem findet wieder das Wort “Revolution” des öfteren Verwendung. Songtitel wie “The Economy Is Suffering – Let It Die” oder “Sodom, Gomorrah, Washington DC” tun ihr übriges.
The people or the gun – which side are you on?
“Auf welcher Seite bist du?” Fragen Anti-Flag und lassen dabei keinen Zweifel daran, dass sowohl im “Land der unbegrenzten Möglichkeiten” als auch im Rest der Welt, die Gesellschaft in Unterdrücker und Unterdrückte geteilt ist. Anti-Flag wissen, auf welcher Seite sie sind. Die Band hat das Sony-betriebene Majorlabel RCA Records verlassen und ihr neues Album beim Independentlabel “Sideonedummy Records” produziert, was sie auch wieder um einiges glaubwürdiger macht.
Trotzdem: Man nimmt Anti-Flag zwar ab, dass sie den Kapitalismus abschaffen wollen, die Antworten auf Fragen nach einem Gegensystem geben sie jedoch nicht. Und zum Sturz eines Systems gehört nun mal der Aufbau eines anderen. Dieses Album wird keine Aufstände vom Zaun brechen und keine Barrikaden errichten, schon gar nicht beantwortet es Fragen, wie denn eine andere Gesellschaft aussehen könnte. All das bleibt den Menschen überlassen, die sich davon aber durchaus inspirieren lassen können.