Streikland Deutschland als Vorbild

Fabian Lehr

Lange galt das Klischee "Streiks sind Alltag in den mediterranen Ländern und Frankreich, aber nichts für Länder wie Deutschland und Österreich". Die aktuelle Welle großer Streiks in Deutschland allerdings beweist, dass das Kapital in keinem Land dauerhaft vor Massenwiderstand der ArbeiterInnen sicher ist.

Da gibt es den Streik der LokführerInnen bei der GdL, die nicht nur für Lohnerhöhungen und Arbeitszeitverkürzung kämpfen, sondern auch dafür, nicht nur LokführerInnen vertreten zu dürfen, sondern auch die bisher arbeitsrechtlich viel schlechtergestellten ZugbegleiterInnen. Ein anderer bedeutender Streik ist der des Krankenhauspersonals in der Berliner Großklinik Charité, wo die Anstellung von mehr Personal gefordert wird. Ebenfalls gestreikt wird bei der Post, in den Kindergärten, bei Amazon und sogar beim Staatsballett. Allein in den ersten fünf Monaten des Jahres summierten sich bei diesen und kleineren Streiks mehr Ausfalltage als in den Jahren 2013 und 2014 zusammen.

Bemerkenswert ist an diesen Streiks, dass die Initiative ohne die etablierten großen Gewerkschaften oder sogar gegen sie ausging, die Dynamik der Entwicklung die Gewerkschaftsbürokratien aber schnell auf einen kämpferischeren Kurs zwingt. Beispiele dafür sind die bisher eher unternehmerfreundliche Bahngewerkschaft EVG, die durch die linke Konkurrenz der GdL zu einem energischeren Kurs gedrängt wird. Oder die große Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die sich trotz Schwankungen immer klarer auf die Seite der verschiedenen Streikenden stellt. Deutschland zeigt: Druck der Basis auf die Gewerkschaftsführung wirkt. Gleichzeitig beweist der Staat, dass er auf wachsenden Widerstand der ArbeiterInnen auch mit wachsender Repression reagieren wird. Das Tarifeinheitsgesetz, das von der Regierung als direkte Reaktion auf den GdL-Streik beschlossen wurde, stellt eine erhebliche Einschränkung des Streikrechts dar und gibt, ebenso wie die mediale Hetze gegen GDL-Vorsitzenden Weselsky, einen Vorgeschmack darauf, dass das Bürgertum seine Positionen nicht kampflos räumen wird. Gewerkschaften, die bereit sind, den sozialen, aber auch den politischen Kampf entschlossen zu führen, braucht es nicht nur in Deutschland, sondern überall in Europa.

 

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