Wir sind alle § 278a

Wachsende staatliche Repression vor dem Hintergrund der Krise
  1. Auf Grund der Wirtschaftskrise ist innerhalb der Gesellschaft eine Polarisierung bzw. auch teilweise eine Radikalisierung zu beobachten. Dies ist darauf zurückzuführen, dass es gerade unter ArbeitnehmerInnen und ihren Familien ein berechtigtes Unverständnis dafür gibt, dass sie für eine Krise bezahlen sollen, die von reichen BankerInnen und ManagerInnen ausgelöst wurde. Es wird immer weniger verstanden und akzeptiert, dass ein paar Wenige mehr verdienen als der Rest.
  2. Auch wenn in Österreich selbst Massenproteste und Fabriksbesetzungen noch ausbleiben, so wächst auch hierzulande der Unmut. Immerhin 15% der Bevölkerung, können sich vorstellen, ein Gebäude bzw. Fabrik zu besetzen. (profil http://www.profil.at/articles/0924/560/244201/die-unzufriedenheit-demokr...)
  3. Es ist davon auszugehen, dass sich die Auseinandersetzungen in Betrieben und die Proteste der Belegschaften/Gewerkschaften zuspitzen werden. Erste Anzeichen dafür gibt es schon, wie die verhältnismäßig radikalen Proteste der Postler im Herbst 2008, die Streikdrohung bei den LehrerInnen und die angekündigten Proteste bei Siemens. Künftig werden solche Proteste verstärkt auch an den Strukturen der Gewerkschaft vorbei passieren, wenn die Gewerkschaft dem Druck der Basis nicht nachgibt und Widerstand organisiert.
  4. Dass es auch in Österreich bald Betriebsbesetzungen geben könnte, bedeutet eine neue Qualität im Bewusstsein der ArbeitnehmerInnen und in der Bereitschaft, sich gegen die Kürzungen der Regierung zu wehren. Aber die Unternehmen sehen einer solchen Radikalisierung natürlich nicht tatenlos zu sondern nutzen den Staat und seine Instrumente (Politik, Polizei, Behörden, Gerichte) für ihre Zwecke. Der Staat ist niemals neutral, sondern dient dazu, die Interessen der Herrschenden zu vertreten – in Zeiten der Krise heißt dass verstärkt den Schutz des Eigentums von wenigen, gegen den Unmut und den Wunsch nach Umverteilung von Vielen. Das führt in der Praxis zu einer Verschärfung der Repression durch den Staat und die Polizei. Auch die österreichische Polizei muss sich aus der Sicht der Herrschenden auf Szenarien wie ArbeiterInnendemonstrationen und Fabriksbesetzungen vorbereiten. Vor diesem Hintergrund müssen die verschiedenen Verschärfungen bei z.B. Überwachung, der Ausbau der Polizei und die zunehmende Polizeirepression wie z.B. am 1. Mai in Linz gesehen werden. Dort blockierte die Polizei grundlos eine antifaschistische Demonstration eskalierte die Situation dramatisch und setzte massive Gewalt gegen die Demonstration ein. Ein „Trainingslauf“ – und es ist zu befürchten, dass dieser Vorfall in Österreich nicht einmalig bleiben wird.
  5. Ein weiteres Beispiel für die verschärfte Situation sind die Verhaftungen der TierschützerInnen, die die Polizei mitten in der Nacht aus der Wohnung geholt und mittels §278 angeklagt hat. Sie wurden monatelang inhaftiert, obwohl für die angeblichen Straftaten die Beweise fehlten. Dies lässt darauf schließen, dass bei einer kleinen Gruppe ein Exempel statuiert wurde, um auszuprobieren wie viel Spielraum und Handlungsfreiheit die Polizei in so einem Szenario hat. Ein Beispiel für ihre „Straftaten“: Es wurde einer Bäckerei angedroht, ihren Namen an die Medien weiterzuleiten, wenn sie nicht von Käfig- auf Bodenhaltung der Hühner umsteigt. Dies wird nun vor Gericht als „Erpressung“ gefahndet, weil das Unternehmen finanzielle Einbußen erleidet hat. (vgl. derstandard-online 7.6.2009)
  6. Wenn diese Art des Protestes vom bürgerlichen Staat als Form des Terrorismus eingestuft wird: was passiert dann mit einer Gewerkschaftsgruppe, die regelmäßig Proteste vor Filialen von Unternehmen, die ihre Angestellten miserabel behandelt, organisiert und dies zu Profitverlust führt? Wird dann die Gewerkschaft mittels dem §278 zu einer Terrororganisation ernannt?
  7. Es wird klar, dass der §278 nicht zur Bekämpfung gegen das organisierte Verbrechen wie der Mafia dient. Sondern es geht darum, in Zeit wo ArbeitnehmerInnen anfangen, sich gegen Lohnkürzungen, Stellenabbau, etc. zu wehren diesen Protest zu kriminalisieren. Es soll ihnen de facto unmöglich gemacht werden, sich zu kollektiv zu organisieren und zu kämpfen.
  8. Schon in den letzten Jahren hat die Überwachung von Beschäftigten am Arbeitsplatz zugenommen – teilweise legal, teilweise auch illegal. Benutzt wird diese Überwachung von den Unternehmen zur Kontrolle der Arbeitsleistung bzw. zu deren Erhöhung sowie zur Kontrolle der Beschäftigen insgesamt.
  9. Global hat sich diese Entwicklung seit dem Anschlag vom 11. September 2001, dem „Krieg gegen den Terror“ und der Einführung des Patriot Acts durch die Bush–Regierung verschärft. Der Patriot Act, der die US-Regierung dazu rechtlich berechtigt, dass Privatleben der Einwohner zu kontrollieren, wird dazu eingesetzt Klassenkämpfe zu unterdrücken. Gleich nach seiner Einführung wurden über 200 streikende LehrerInnen aus New Jersey wegen „un-amerikanischem und un-patriotischem Verhalten“ eingesperrt.
  10. Eine neue Studie des Open Society Institutes belegt, dass im Anti-Terror-Kampf die EU-Staaten nach rassistischen Kriterien vorgehen, ganze Personengruppen stigmatisieren und massenhaft rechtsstaatliche Prinzipien verletzen. Erfolge in der Terrorbekämpfe bringen diese Überwachungen zwar nicht, aber dafür eine bessere Überwachung der StaatsbürgerInnen durch den Staat
  11. In Punkto Polizeirecht hat es unsere Nachbarn, die Bayern, am Schlimmsten getroffen. In Deutschland ist das Polizeirecht Sache der einzelnen Länder und in Bayern gibt es momentan das Repressivste in ganz Deutschland. Es wird – im Gegensatz zur Ankündigung in der es hieß es ginge um die Bekämpfung des Rechtsextremismus - es ganz offen gegen die Gewerkschaften eingesetzt. Demonstrationen bzw. Streiks müssen bis zu 72 Stunden vorher angemeldet werden, das Vermummungsverbot ist massiv verschärft. Z.B. wäre es schon ein Vergehen, wenn Streikposten dieselben Jacken ihrer Gewerkschaft tragen würden. Die deutsche Schwesterorganisation der SLP, die SAV berichtet: „Fahnen, Anstecker oder einheitliche Schilder können – laut Gesetzesentwurf – nach willkürlicher Entscheidung der Polizei gegen das neu erfundene „Militanzverbot“ verstoßen und mit einer Geldbuße bis zu 3.000 Euro belangt werden Versammlungen können nach Gutdünken der Polizei gefilmt und diese Übersichtsaufnahmen beliebig lange gespeichert werden. Zum Verbot einer Versammlung reicht es aus, wenn „Rechte Dritter unzumutbar beeinträchtigt werden“, zum Beispiel von Verkehrsteilnehmern… Versammlungsleiter von Veranstaltungen in geschlossenen Räumen müssen im Vorfeld und vor Ort alle persönlichen Daten an die Polizei weitergeben. Die Polizei kann den Versammlungsleiter als „ungeeignet“ ablehnen. Der Polizei muss Zutritt gewährt und ein „angemessener Platz“ bei solchen Veranstaltungen eingeräumt werden – sonst sind bis zu 3.000 Euro Bußgeld zu zahlen.“

Was ist der §278a?

Der §278a (besser als Anti-Mafia-Paragraph bekannt) wurde 1993 eingeführt. Dabei wird bereits die Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation bzw. Vereinigung unter Strafe gestellt - auch ohne konkrete strafrechtlich relevante Taten durch die Organisation bzw. deren Mitglieder. Durch seine Unterteilung und Juristensprache werden Begriffe, wie „kriminelle Organisation“ bzw. „Mitglied in einer kriminellen Vereinigung“, ausgedehnt.

Laut dem §278 ist eine Vereinigung eine „kriminelle Organisation“, wenn sie folgende Punkte erfüllt:

  • Sie besteht aus einer größeren Anzahl von Personen (in der Praxis ab 10 Personen).
  • Sie ist auf Dauer oder zumindest auf längere Zeit ausgerichtet
  • Sie ist „unternehmensähnlich“, d.h. sie zeichnet sich durch arbeitsteiliges Vorgehen, eine hierarchische Struktur und eine gewisse Infrastruktur aus
  • Ihr - wenn auch nicht ausschließlicher - Zweck ist die wiederkehrende und geplante Begehung schwerwiegender strafbarer Handlungen gegen Leben, körperliche Unversehrtheit, Vermögen bzw. im Bereich sexuelle Ausbeutung, Schlepperei, Falschgeld und dgl.
  • Ihr Ziel ist die Bereicherung oder ein erheblicher Einfluss auf Politik und Wirtschaft (einer der beiden Tatbestände muss erfüllt sein)
  • Zu ihrer Aufrechterhaltung bedient sich die Organisation der Korruption, der Einschüchterung von Personen oder schirmt sich auf besondere Weise ab (einer der beiden Tatbestände muss erfüllt sein).

Wie man laut dem§278 zu einem „Mitglied einer kriminellen Vereinigung“ wird, beschreibt die Zeitung akin: Im § 278 StGB heißt es dazu Nach Argumentation der Staatsanwaltschaft können auch autonom handelnde Einzelpersonen oder Gruppen einer Organisation im Sinne des § 278a StGB zugerechnet werden, solange sie dieselben Ziele, dieselbe Philosophie und dieselben Grundsätze verfolgen. Man kann also davon ausgehen, dass jemand, der für eine – nach § 278a StGB im Verdacht der kriminellen Organisation stehende - Gruppe spendet, Unterschriftenlisten unterschreibt, an Treffen, Veranstaltungen oder Demonstrationen teilnimmt oder Initiativen - in welcher Form auch immer - unterstützt oder offen mit ihr sympathisiert, selbst der kriminellen Organisation zugerechnet werden kann. (http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=151...)

Forderung

Wenn es keinen Widerstand dagegen gibt, besteht die Gefahr, dass durch diesen rechtlichen Rahmen es bald unmöglich gemacht wird, sich in irgendeiner Form kritisch-politisch zu betätigen, sei es bei Greenpeace oder anderen NGOs, Gewerkschaft oder bei antikapitalistischen Parteien/Organisationen wie der SLP.

Natürlich wird dies nicht über Nacht geschehen, sondern wird wohl in einer „Salami-Taktik“ umgesetzt: in Teilbereichen wird  immer etwas verschärft. In diesem Punkt spielen vor allem FPÖ und ÖVP eine Vorreiterrolle, die in allen möglichen Bereichen des öffentlichen Lebens Kontrolle und Verschärfungen fordern. Z.B Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen, Verschärfte Kontrolle  und Überwachung von MigrantenInnen, etc. (aber nicht die Offenlegung aller Einkünfte von PolitikerInnen...)

  • Weg mit dem §278 und jenen Gesetzen die der Überwachung und Kriminalisierung von Linken und GewerkschafterInnen dienen
  • Schluss mit Überwachungsmaßnahmen am Arbeitsplatz, in Schulen und öffentlichen Plätzen – das schafft keine Sicherheit
  • Freilassung aller inhaftierten Tierrechtsaktivisten und Niederlegung der Prozesse
  • Aufklärung aller Vorfälle am 1.Mai in Linz durch eine unabhängige Untersuchungskommission mit VertreterInnen der OrganisatorInnen der Demonstration am 1.5. sowie unter Einbeziehung von GewerkschaftsvertreterInnen
  • Keine Weiterleitung der Daten von Verhafteten bei politischen Aktivitäten an Arbeitgeber/AMS/Schule/Uni. Keine Diskriminierung der Betroffenen am Arbeitsplatz, auf der Uni, in der Schule oder am Arbeitsamt
  • Die Gewerkschaften sind gefordert, sich gegen die zunehmende Überwachung und Repression zu stellen – den die ArbeiterInnenbewegung und ihre Organisationen sind die Hauptziele dieser Politik.