Mi 28.09.2022
27.9.: Mehr als 2000 demonstrieren in Wien für die Rechte von Frauen, Kurd*innen und Arbeiter*innen im Iran
Wut, Empörung, Trauer und der Wunsch “was zu tun” war überdeutlich spürbar auf der bisher größten Aktion in Solidarität mit den Protesten im Iran. Für 27. September organisierte die sozialistisch-feministische Initiative ROSA gemeinsam mit der ISA und iranischen sowie kurdischen Aktivist*innen eine Demonstration unter dem Motto “Gerechtigkeit für Jina (Mahsa) Amini”. Es geht um Solidarität mit den Protesten im Iran und in Kurdistan, die aufgrund des Mordes an Jina (Mahsa) Amini ausgebrochen sind. Jahrzehntelang schon leidet die Bevölkerung des Irans und v.a. auch der kurdischen Teile, speziell Frauen und Arbeiter*innen unter der Unterdrückung durch die islamistische Diktatur, die “Sittenpolizei” sowie Armut und Inflation. Wie in den letzten Jahren immer wieder sind im ganzen Land Proteste ausgebrochen. Diesmal noch stärker, noch entschlossener, noch wütender. Mehr Infos hier: https://www.slp.at/artikel/gerechtigkeit-f%C3%BCr-jina-mahsa-amini-niede....
Die Demonstration war einzigartig
In diesen Tagen finden in ganz Österreich zahlreiche Proteste in Solidarität mit der Bewegung im Iran statt. Dieser war mit mehr als 2.000 Teilnehmer*innen nicht nur wegen seiner Größe einzigartig. Es war auch der einzige, bei dem die kurdische Herkunft von Jina (Mahsa) Amini nicht nur erwähnt wurde, sondern die Unterdrückung der kurdischen Bevölkerung im Iran zentrales Thema war. Aktivist*innen sprachen in ihren Reden über Themen wie die Möglichkeiten der Weiterentwicklung der Proteste durch z.B. Streiks und Verbindung des Befreiungskampfes der Frauen mit dem des kurdischen Volkes und der Arbeiter*innenklasse, gegen die Repression des iranischen Regimes und für die Rechte von LGBTQI+-Personen. Eine Rosa-Sprecherin ging darauf ein, was die nächsten Schritte der Bewegung sein können: Ein großes Thema war dabei die Selbstorganisation der Frauen und der Arbeiter*innenklasse im Iran und die geplanten und stattfindenden Streiks, z.B. von Lehrer*innen.
Viele der Teilnehmer*innen reagierten sehr positiv auf die Erklärung der Initiatorin Sarah, dass die Rechte der Kurd*innen zentral auf dieser Demonstration Platz haben. Das ist und war bei anderen Protesten nicht selbstverständlich. Iranische Nationalist*innen und monarchistische Schah-Anhänger*innen erklären gerne, dass doch “alle Iraner*innen” sind und versuchen so die Unterdrückung v.a. der kurdischen aber auch anderer ethnischer Minderheiten beiseite zu schieben. Ähnlich sehen sie die aktuellen Proteste zwar als Möglichkeit, das Regime zu schwächen, aber selbst oft ein konservatives Frauenbild. Sie pochen auf eine vermeintliche "Breite", die aber eine Fortführung der Unterdrückung bedeutet. Nur mit der Anerkennung der Rechte von speziell unterdrückten Gruppen und Nationalitäten ist eine echte Befreiung im Iran möglich. Nur so können nämlich Diktatur und Monarchie effektiv bekämpft und eine sozialistische Demokratie aufgebaut werden, die an die besten Traditionen der Revolution von 1979 anknüpft und auch die Frage aufwirft, wer vom Reichtum des Landes profitiert.
Der Mord an Jina (Masha) Amini macht Frauen auf der ganzen Welt wütend und so war es auch klar, dass diese Demonstration von Frauen dominiert war, die ihre Wut und Verzweiflung über ein System, dass Frauenleben als zweitrangig abstempelt, hinausriefen. Rosa- und ISA-Aktivist*innen beließen es in Reden und in unserem Material aber nicht bei Empörung, sondern verbanden Frauenthemen auch mit der sozialen Lage von v.a. Frauen und der Arbeitssituation. Eine Grussbotschaft von Michael Gehmacher, Betriebsrat beim Samariter Bund in Wien wurde verlesen - er vertritt Kolleg*innen im Sozialbereich wo auch viele Kurd*innen und Iraner*innen arbeiten. Der Grund warum er nicht selbst anwesend war, war die Planung der Lohnverhandlungen bzw. der Forderungen und Kampfmaßnahmen im Sozialbereich: was genau auch für Kolleg*innen in diesen Bereichen, die aus dem Iran, Kurdistan etc kommen zentrale Bedeutung hat.
Eine laute und wütende Demonstration
Die Demonstration war nicht nur solidarisch, sie war auch hochpolitisch. Als wir um 16.00 mit dem Aufbau begannen kamen sofort Menschen zum diskutieren zum ROSA/ISA- Zelt. Sie nahmen Tafeln zum Hochhalten oder anderes politische Materialien mit, wollten mit uns diskutieren und viele Interessierte wollten auch mit uns in Kontakt bleiben und trugen sich in unsere Listen ein.
Schon vor dem Beginn des Protestes füllte sich der “Platz der Menschenrechte” mit Personen, die über Social Media oder Bekannte über den Protest erfahren hatten. Als um 17.00 die erste Rede gehalten wurde, hatte sich der Platz fast vollständig gefüllt. Um 18.00 setzte sich die Demonstration, bestehend aus über 2.000 Menschen, in Bewegung. Sprüche wie "Jin Jiyan Azadi" (Frau, Leben, Freiheit) oder "Nieder mit den Mullahs" wurden gerufen, während wir über die Museumsstraße zur Auerspergstraße marschierten. Begleitet von Sprechchören auf deutsch, farsi und kurdisch ging es am Parlament vorbei. Iranische und kurdische Musik belebte das ganze, insbesondere das Lied “Soroode Barabari” (Lied der Gleichheit) aus der iranischen Frauenbewegung.
Am Heldenplatz endete der Demonstrationszug, der Protest war allerdings noch nicht zu Ende. Hier sprach u.a. Sonja Grusch für die ISA. Ihre Rede begann mit den Worten "Die Sprache der Solidarität ist international". In ihr betonte sie, dass es nicht nur den iranischen, sondern den Herrschern der Welt international gut geht, während die Menschen in ihren Ländern leiden. Weiters verurteilte sie Länder wie Österreich, die mit Diktaturen Geschäfte machen und sich nicht um Menschenrechte, Frauenrechte und Arbeiter*innenrechte scheren.
Hilf mit bei der Mobilisierung für den nächsten großen Protest am 8. Oktober
Zum Abschluss tanzten viele Teilnehmer*innen zu Liedern über Widerstand, Wiederaufbau des Landes und kämpferische Schwesternschaften. Die Stimmung war entschlossen und kämpferisch; trotzdem ist es wichtig, nicht den Auslöser für diesen Protest zu vergessen. Im Iran und Kurdistan riskieren Menschen jetzt in diesem Moment heroisch ihr Leben, um für Frauenrechte, Freiheit und Respekt der Menschenwürde und gegen Unterdrückung, Ausbeutung und Diktatur zu kämpfen.“Die beste Demonstration gegen die iranische Diktatur” erklärte ein Aktivist. Viele Teilnehmer*innen fragten auch, wie sie die Organisierung des nächsten Protestes am 8. Oktober unterstützen können. Dafür wird es viel zu tun geben: wenn du mithelfen willst, melde dich bei Rosa und ISA.