Do 25.04.2019
Menschen aus der Arbeiterklasse auf beiden Seiten des sektiererischen Grabens in Nordirland waren angewidert von den tödlichen Schüssen auf die junge Journalistin Lyra McKee in Derry City am vergangenen Donnerstagabend. Anton McCabe, Mitglied des geschäftsführenden Vorstandes der National Union of Journalists (Angabe dient nur zur Kenntlichmachung der Person), und Mitglied der Socialist Party, der Lyra kannte, hat die Protestaktionen der NUJ und anderer Gewerkschaften anlässlich der Ermordung mitorgansiert.
Die Ermordung meiner Freundin und Gewerkschaftskollegin Lyra McKee am Donnerstag, den 18. April, als sie während eines Aufstands in der Stadt Derry als Journalistin arbeitete, hat die Menschen in Nordirland bewegt.
Bei Zusammenstößen zwischen der Polizei und lokalen Jugendlichen im Greggan Estate kam es zu Schüssen auf die Polizei seitens der republikanischen Paramilitärs, bei denen Lyra getötet wurde.
Wenige Stunden nach ihrem Tod hatten sich über 2.000 Menschen in Derry’s Creggan Estate versammelt, in dessen Nähe Lyra zu Tode kam. Am Freitagnachmittag nahmen über 1.000 Personen an einer Protestaktion in Derry teil, die vom Gewerkschaftsrat der Stadt und unserer lokalen Ortsgruppe der National Union of Journalists (NUJ) organisiert wurde.
Am Samstag organisierten NUJ-Mitglieder und andere Gewerkschafter*innen Proteste in der Stadt Belfast und den Städten Omagh, Enniskillen, Dungannon, Strabane und Newry. Ein NUJ-Mitglied ergriff die Initiative in Dungannon.
Etwa 250 Menschen nahmen an der Kundgebung in Omagh teil, die innerhalb von 16 Stunden nach der Ermordung stattfand. Einige waren von weither angereist, ein Teilnehmer war z.B. die 110 Meilen aus Dublin gefahren.
In London initiierten einige Gewerkschaftsaktivist*innen eine Mahnwache anlässlich der Beerdigung am Mittwoch, den 24. April. Die Gewerkschaft organisierte am Dienstag auch eine Mahnwache in Dublin. Der Mid-Ulster Trade Union Council organisierte eine Mahnwache in Cookstown, County Tyrone, anlässlich der Beerdigung am Mittwoch.
Alle Todesfälle sind tragisch, doch Lyras Tod hat einen Nerv getroffen, weil sie eine außergewöhnliche Person war. Sie nutzte ihre großen Talente nicht nur, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, sondern auch, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Sie hatte eine natürliche Empathie für die entfremdeten jungen Menschen, die am Donnerstag in Derry randaliert hatten.
Sie verstand, dass sie vom „Friedensprozess“ in Nordirland vergessen worden waren. Als Journalistin dokumentierte sie, wie dieser die Erwartungen der Gesellschaft nicht erfüllt hat.
Selbstmordraten
Eine ihrer wichtigsten Arbeiten war die Thematisierung von Selbstmorden. Sie wies darauf hin, dass seit den Waffenstillständen der Paramilitärs von 1994 4.500 Menschen durch Selbstmord gestorben sind. Das sind mehr Tote als diejenigen, die in 25 Jahren anhaltender politischer Gewalt ermordet wurden, bekannt als „The Troubles“.
Die Reaktion auf ihren Tod zeigt, dass sich viele gegen eine Rückkehr zu den Jahren der Gewalt wehren. Unter denjenigen, die die Ermordung am schärfsten verurteilten, fanden sich ehemalige republikanische Gefangene.
Die „Neue IRA“, die für den Mord verantwortlich gemacht wird, zeigt den Bankrott des militanten Republikanismus. Der Organisation haftet ein dauerhafter Hauch des Kriminellen an, ältere Mitglieder sind Agent*innen der Sicherheitskräfte.
Eine Hommage an Lyra muss darin bestehen, für eine Gesellschaft zu kämpfen, auf die sie stolz wäre. Die Armut und Entfremdung des Kapitalismus und die staatliche Repression, die junge Menschen in ihrer Verzweiflung zu Randale und Paramilitarismus treibt, müssen durch den gewerkschaftlichen Kampf um menschenwürdige Arbeitsplätze, Wohnungen und Dienstleistungen für alle beantwortet werden.
Als junge lesbische Frau lebte Lyra in Nordirland lebte auf dem einzigen Teil der Insel, wo sie nicht das Recht hatte, die Person zu heiraten, die sie liebte. Auch das muss sich ändern.
In Irland war Lyra die dritte Journalist*in, die in 23 Jahren getötet wurde. Journalist*innen werden international zunehmend bedroht. Journalist*innen und Gewerkschafter*innen müssen da jetzt eine Grenze ziehen, denn ein vierter Mord kann passieren.
Eine weitere Analyse der Ermordung von Lyra McKee, republikanischen „Dissident*innen“-Gruppen, und der Situation in Nordirland wird Ende dieser Woche auf socialistworld.net veröffentlicht.