Di 27.09.2022
Selbst kapitalistische Ökonom*innen und Politiker*innen räumen nun ein, dass die Inflation härter und schneller zuschlägt, länger dauern wird als erwartet und zu Rezession oder sogar Stagflation führt. Die Zentralbanken in den reicheren Ländern fahren ihre geldpolitische Unterstützung schneller als erwartet zurück. Die Weltbank senkt kontinuierlich ihre Wachstumsprognosen. Noch im Juni sagten Ökonom*innen eine Rezession mit einer Wahrscheinlichkeit von 30 % voraus: Nun stieg der Wert auf fast 50 %. Der vom Internationalen Währungsfonds IWF im Juli aktualisierte Ausblick mit dem Titel "Gloomy and more Uncertain" (düster und unsicherer) spiegelt das Dilemma wider, in dem sich die Herrschenden befinden - welchen Weg auch immer sie einschlagen, er wird zu weiteren Problemen führen. Der IWF bevorzugt eine Verschärfung der Geldpolitik (u.a. Zinserhöhung) zum Eindämmen der Inflation, aber das könnte schlimme Folgen haben - von Familien, die ihre Hypothek nicht mehr bezahlen oder keinen Kredit mehr aufnehmen können, um mit den steigenden Preisen und der finanziellen Instabilität fertig zu werden, über Unternehmen, die ihre Investitionen aufgrund der teuren Kredite noch weiter einschränken, bis hin zum Zusammenbruch ganzer Volkswirtschaften infolge einer Zahlungsunfähigkeit bei den wachsenden Staatsschulden.
Krisen bedrohen international Stabilität von Regimen
Der Druck auf die Regierungen kommt aus allen Richtungen - das Großkapital und die Tiefe des von seinem System verursachten Krise verlangen nach Möglichkeiten, den Markt zu stabilisieren, Ausfälle mit Staatsgeld abzufedern und das Schlimmste zu verhindern. Doch jede wirtschaftspolitische Maßnahme bringt einen Rattenschwanz neuer Probleme. Auf der anderen Seite nimmt der Druck von unten zu. Die Bilder von Demonstrant*innen, die im Pool des Sri Lankesischen Premierministers schwimmen, sind für die Herrschenden ein Vorgeschmack auf ihre mögliche Zukunft. Brot (wie auch Wohnraum und Krieg) waren im Laufe der Geschichte die treibenden Kräfte für Aufstände und Revolutionen. Die Welle von Demonstrationen, Streiks und Aufständen, die wir in den letzten Jahren sehen ist hier nur die Spitze des Eisberges und wenn sich unsere Lebensbedingungen verschlechtern, werden wir hier mehr explosive Entwicklungen sehen.
Widerstand zwingt die Herrschenden zu Maßnahmen
Mehr "Hilfsprogramme" sind wahrscheinlich. Doch wie wir bereits gesehen haben, sind sie wenig Erleichterung, aber viele leere Versprechen. Doch selbst wenn sie echte Zugeständnisse anbieten - eine Abschaffung der Mehrwertsteuer auf lebenswichtige Güter, eine Energiekostenobergrenze oder einige Steuern auf Gewinne -, die kurzfristig die Lage entspannen, wird es zu wenig sein und daher notwendig sein, für mehr zu kämpfen. Denn auch wenn der Staat aktuell wieder stärker in den Markt eingreift, können wir doch sicher sein, dass er dies zugunsten der Interessen des Kapitals tut, während er jegliche Maßnahmen vermeidet, die die Gewinne der Reichen schmälern würden.
Doch wir müssen die massiven Gewinne des Großkapitals nutzen, um die Lage der arbeitenden Menschen zu verbessern. Wenn Unternehmen dazu nicht “in der Lage” sind oder sich weigern, sollte der Staat ihnen nicht aus der Patsche helfen, sondern sie verstaatlichen. Diese Krise wurde von einem System verursacht, das von Krise zu Krise springt, wobei die "Erholung" von jeder Krise schon die Grundlagen für die nächste legt. Wir müssen dafür kämpfen, das gesamte System zu stürzen, um das chaotische Wettrennen um Profite auf Kosten des Planeten und der arbeitenden Menschen durch eine friedliche, demokratische, geplante Wirtschaft zu ersetzen, die Nahrung, Bildung, Gesundheit und Wohlstand für alle gewährleisten kann.
Daten und Fakten
In der Eurozone ist die Inflation mit 8,9 % so hoch wie nie zuvor, wobei die Energieinflation bei 40 % liegt. Die österreichische Regierung ist uneins darüber, was zu tun ist - Kogler (Grüne) schlägt vor, die "überschüssigen Gewinne" der Energiekonzerne “schlau” zu besteuern, die SPÖ spricht ebenfalls von einer Besteuerung der Energiekonzerne sowie einer Senkung der Mehrwertsteuer auf wichtige Güter. Hanke (SPÖ) schiebt jedoch schamlos die Verantwortung auf die Haushalte, indem er sagt, dass es "keine Alternative zu steigenden Energiepreisen gibt" und dass der private Energieverbrauch gesenkt werden sollte. Währenddessen versucht die ÖVP, die Geldgeschenke für das Großkapital in ein soziales Gewand zu kleiden. Die FPÖ setzt auf soziale Rhetorik, ihre Praxis hat aber immer Politik für die Reichen bedeutet.