Do 30.05.2013
Der Kult um Tito und Jugoslawien erfreut sich Jahrzehnte nach dem Zerfall noch immer einiger Beliebtheit. Ja, der Nationalismus nimmt am Balkan und bei jugoslawischen MigrantInnen zu. Ja, es ist auch bekannt, dass die Nachfolgestaaten wie z.B. Kroatien, Serbien und Slowenien nichts mehr mit einer geplanten Wirtschaft gemein haben. Und trotzdem kann man JugonostalgikerInnen antreffen. Es findet sich schnell ein Konsens: Sei es die relative Reisefreiheit oder der Zusammenhalt der Länder während der Föderation, oder der Lebensstandard, der damals im Durchschnitt höher war als jetzt. Doch abseits der Nostalgie gibt es auch Kritik. Einerseits von Rechts, von nationalistischen Hyänen und scheinbaren religiösen Aufklärern, aber auch berechtigte, von links.
Der Befreiungskampf aus einer Partisanenbewegung hatte für Jugoslawien eine spezielle, antifaschistische Tradition geschaffen. Der „Marschall“ dieser Bewegung war Josip Broz Tito, ein in Moskau aufgestiegener, ursprünglich linientreuer Stalinist. Jugoslawien konnte sich selbst vom Nationalsozialismus befreien und so hatten weder der westliche Imperialismus noch die außenpolitischen Interessen Moskaus eine tiefgreifende Dominanz in diesem Land. Bereits am 29.11.1943 bildete sich aus der Spitze der jugoslawischen KP erstmals eine eigene Regierung. Dieser Schritt ging Moskau fast schon zu weit – man verpflichtete sie auf die Zusammenarbeit mit den königstreuen Kräften im Londoner Exil. Unmittelbar nach Kriegsende wurde in Folge eine Regierung gebildet, welche auch bürgerliche Vertreter mit einschloss, die Partisanenbewegung demobilisierte und zunächst auf weitgehende Reformen verzichtete. Jugoslawien war in einer Vereinbarung zwischen Churchill und Stalin als gemeinsame Einflusssphäre vorgesehen. Praktisch hätte das bedeutet, dass die jugoslawische KP die politische Macht, die sie real bereits – ähnlich der griechischen oder (nord-)italienischen KP – in Händen hielt, wieder abgeben hätte müssen.
Tito widersetzte sich dem mit Blick auf Italien und Griechenland. Die KP übernahm Ende 1945 die alleinige Macht und rief eine Volksrepublik aus. Mehr noch: Sie versuchte, über Kontakte zur bulgarischen KP eine eigene Balkanföderation zu schaffen – also ein zweites Machtzentrum neben Moskau. An diesem Punkt erfolgte der Bruch mit Moskau – Stalin konnte keine interne Konkurrenz gebrauchen, auch wenn diese seinem Regime in den zentralen Punkten (insbesondere der Herrschaft einer Parteibürokratie) gleich war.
Mit dieser Trennung wurde auch die Diskussion ausgelöst, wie Jugoslawien einzuschätzen sei und viele Linke zu dem Irrglauben verleitet, Tito und sein Regime seien nicht stalinistisch, weil er ja mit Stalin gebrochen hatte. Die Revolutionary Communist Party (aus der sich später das CWI entwickelte) aber bezeichnete Jugoslawien auch weiter als deformierten ArbeiterInnenstaat. Dieser war einerseits zu unterstützen, weil er eine von Stalin unterdrückte Nation war. Andererseits sei eine politische Revolution nötig, da Tito ein Hindernis für ArbeiterInnendemokratie und Sozialismus war.
Nachdem die Isolation der Wirtschaft mehr und mehr schadete, begann man mit der Öffnung in den Westen und der Einführung von marktwirtschaftlichen Elementen. Die "ArbeiterInnenselbstverwaltung" in den Betrieben war eine der wichtigsten daraus resultierenden Maßnahmen – allerdings wurde und wird ihr eine größere Relevanz beigemessen als sie in der Realität darstellte. Sie war – anders als etwa die Räte (Sowjets) in Russland 1917 – eine von oben eingesetzte Struktur mit wenigen Befugnissen, die eher die Konkurrenz zwischen den Betrieben befeuerte.,
Der darauffolgende, beeindruckende Boom war auch geprägt von Arbeitsmigration (und den damit verbundenen Devisensendungen) und Krediten aus dem Westen. Es sollten diese Kredite sein, die Jugoslawien das Genick brachen, da die Kreditgeber nach Titos Tod – und v.a. dem sich abzeichnenden Ende des Kalten Krieges, in dem Jugoslawien strategische Bedeutung besessen hatte – mehr und mehr marktwirtschaftliche Mechanismen durchsetzten. Arbeitslosigkeit und Inflation nahmen unglaubliche Ausmaße an. Das soziale Gefälle zwischen den Regionen war über die Jahrzehnte kaum geringer geworden und bildete nun ein Minenfeld der nationalistischen Stimmungsmache. Zunächst versuchte die ArbeiterInnenbewegung, durch gemeinsame Streiks und Kämpfe dieser Entwicklung zu trotzen, verlor diese Kämpfe aber. Der Traum von Jugoslawien war damit spätestens in den 80er Jahren vorbei und etwa zehn Jahre später entschieden sich die Oligarchen der Teilrepubliken, die von einer „nationalen Erneuerung“ träumten, für den Krieg.
Was tun? Es gab positive Aspekte in der Zeit der föderativen Republik Jugoslawiens: die Elemente, die einen ArbeiterInnenstaat trotz seiner Deformation durch einen bürokratischen Apparat ausmachen, die antifaschistische Tradition oder die zumindest teilweise Bekämpfung von Nationalismen. An ihnen muss man ansetzen und versuchen, den Aufbau von internationalistisch-sozialistischen Strukturen und ArbeiterInnenparteien in den Ländern Ex-Jugoslawiens voranzutreiben. Nur so kann das, was ein sozialistisches Jugoslawien hätte bedeuten können, wirklich umgesetzt werden.