Mo 17.06.2013
Nach dem Erdrutschsieg der Salzburger Grünen bei den Landtagswahlen ist jetzt die neue Koalition fix. Nur wenige Tage nachdem das Team Stronach verkündete, es würde Gewerkschaften am liebsten abschaffen, begannen die Grünen Verhandlungen mit eben diesem sowie der seit Jahr und Tag in der Regierung vertretenen Volkspartei. Dieser wurde dann auch der Posten des Landehauptmanns zugeschoben. Dazu erhält die ÖVP all jene Ressorts, in denen wirklich Geld und Einfluss liegt: Wirtschaft, Tourismus, Bildung, Arbeitsmarkt, Finanzen, Landwirtschaft und Personal. Den neoliberalen Einpeitschern vom Team Stronach sicherte man das Verkehrs- (und besonders skandalös) das Wohnungsressort. Dafür wurde für die grüne Landeshauptmannstellvertreterin Rössler ein eigenes „Nachhaltigkeitsressort“ geschaffen, dessen wohl eher gering einzuschätzendes Gewicht gleich im ersten Punkt des entsprechenden Abschnitts im Koalitionsübereinkommen herauszulesen ist: „Natur- und Artenschutz sollen vermehrt in der Öffentlichkeit thematisiert und beworben werden, unter anderem auch im Rahmen des Aufgabenbereiches der Naturschutzbeauftragten.“ Natürlich sind Natur- und Artenschutz etwas Positives. Die Erfahrung hat jedoch gezeigt, dass Sumpfdrosseln und vergleichbares Getier in der Regel bei politischen Entscheidungen weniger ins Gewicht fallen als die Interessen von Wirtschaft, Tourismus, Landwirtschaft (ÖVP). Zum Umweltschutz bekommen die Grünen noch weitere „softe“ Bereiche, wie Kultur sowie Jugend, Familien, Soziales. Wie gut ausgestattet die Grünen Ressorts hierbei sind sieht man auch an der Kritik des Dachverbandes Salzburger Kulturstätten (Vertretung von ca. 75 zeitgenössischen Kultureinrichtungen), die zu Recht bemängeln, dass die Finanzierung der Kultur im Arbeitsübereinkommen keine Erwähnung findet. Bisher wurde nur ein Zehntel des Kulturbudgets für freie Kunst verwendet. Es ist mehr als fraglich, ob sich das ändern wird.
Es geht aber nicht um ein mehr oder weniger schlechtes Arbeitsergebnis der Grünen, sondern um die Koalition als solche. Mit dem Team Stronach zu koalieren bedeutet die neoliberale Sekte des verhaltensauffälligen Multimilliardärs salonfähig zu machen. Auch wenn der Salzburger Ableger des Vereins bei Zeiten eher harmlos-einfältig wirkt geht es um die Gruppe an sich. Im Grundsatzprogramm wird eine (noch) strengere Handhabung des Asylrechts gefordert, man will Privatisierungen durchpeitschen und fordert die Ausschaltung der wichtigsten Organisationen von ArbeitnehmerInnen – die Gewerkschaften (ein Programmpunkt der in Österreich zuletzt übrigens von Dollfuss und Hitler durchgesetzt wurde). Mit dieser rechten, neoliberalen Führerpartei legen sich die Grünen ins koalitionäre Bett. Mit diesem Bündnis wird der ÖVP wiederum der Sitz des Landeshauptmanns zugesichert. Das liegt im österreichweiten Trend. In Oberösterreich koalieren die Grünen bereits mit der ÖVP und betreiben mit ihr gemeinsam Sozialabbau und Kürzungen im Gesundheitsbereich. Man ist offensichtlich bereit alles in Kauf zu nehmen um endlich an die Macht zu kommen. Im Kleinen hat sich das bereits im Salzburger Wahlkampf ausgedrückt, als die grün dominierte ÖH auf Grund des Drucks der Parteispitze sich von der antifaschistischen Demonstration gegen den Strache-Hetzauftritt „distanzierte“ und damit aktive Sabotage am Widerstand gegen Rechtsextremismus und Rassismus in Salzburg betrieb (siehe: http://www.slp.at/artikel+M54bd8bec8d4.html). GRAS/ÖH-Chef Hofbauer darf dafür jetzt im Landtag mit ÖVP und Stronach Blockbilden.
Auch um die Basis musste sich die Grüne Partei in Frage der Regierungsbeteiligung keine Sorgen machen; die ÖVP entschied auf höherer Ebene und Stronach hat keine Basis die es zu befragen gäbe (Stichwort: „Ich bin der, der die Werte vorgibt!“). Die Grüne Parteiführung war sich über die Linientreue ihrer Mitglieder so sicher, dass sie bereits am Tag vor der Landesversammlung auf ihrer Homepage die Annahme des Programms und die Zustimmung zur Regierung bekanntgab obwohl noch von „?? Prozent der Mitglieder“ geschrieben wurde). Da hatte sie dann auch nicht unrecht. Mit einem Ergebnis, das Honecker stolz gemacht hätte stimmten bei einer Enthaltung und einer Gegenstimme alle 112 Anwesenden für das Regierungsprogramm und die Koalition. Alleine das verdeutlicht wie wenig fortschrittliches und kritisches Potenzial in der Partei vorhanden ist (etwa 1,79 Prozent, wenn die Enthaltung mitgerechnet wird).
Für was wurde da gestimmt? Der größte Teil des Arbeitsübereinkommens zwischen ÖVP, Grünen und Stronach besteht aus nett klingenden Absichtserklärungen und Wünschen. Man hätte die Präambel auch mit „Liebes Christkind,“ beginnen können. Finanzierungsvorschläge oder auch nur konkrete Zahlen kann man auf den 74 Seiten lange suchen. Dafür stolpert man über einige bemerkenswerte Anwandlungen bzw. fällt auf welche entscheidenden Punkt gerade nicht angesprochen werden. So erklären die Koalitionspartner zwar, sie wollen „den Arztberuf stärken“ und verstehen darunter „wettbewerbsfähige Entlohnung (Wettbewerb mit wem?), verbesserte Arbeitsbedingungen“ KrankenpflegerInnen und deren teils prekären Arbeitsbedingungen und Löhne bleiben aber unerwähnt. Ohne ÄrztInnen ihr Einkommen streitig machen zu wollen – die absolute Mehrheit der Beschäftigten im Gesundheitsbereich sind Pflegekräfte, die meisten von ihnen Frauen. Und gerade diese sind es, denen ein deutlich höheres Gehalt zusteht als sie jetzt erhalten. Sie müssten erste Priorität für verbesserte Arbeitsbedingungen haben. Dazu schweigt man sich aus, was eindeutig ein Anknüpfen an die Nulllohnrundenpolitik der Burgstaller-Haslauer-Regierung erinnert. Zur Pflege wird nur eine abstrakte „Aufwertung der Pflegehilfeausbildung“ genannt, was erfahrungsgemäß v.a. ein paar Lippenbekenntnisse und anerkennendes Schulterklopfen bedeutet. Zudem will man im Bereich des Seniorenwohnens „Mehr Flexibilität bei der Handhabung der ‚100-Stunden-Grenz‘“ was real eine Arbeitszeitverlängerung und verschärfte Auspressung der Beschäftigten bedeutet. Allgemein scheinen im Gesundheits- und Sozialbereich Kürzungen anzustehen. Das wird zwar nicht offen ausgesprochen, aber diverse Punkte legen dies nahe: So sollen Wege entwickelt werden Kinder „gemeindeübergreifend zu betreuen“ (lies: Schließung von Kindergärten in kleinen Gemeinden). Man will eine „Stärkung des Systems der pflegenden Angehörigen durch Gemeinwesenarbeit (was immer das konkret sein soll), Stärkung der Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger im sozialen Nahfeld.“ Real bedeutet dies Pflege von älteren oder beeinträchtigten Menschen zu aus der öffentlichen Hand auszulagern und die kostengünstig von (meist weiblichen) Angehörigen durchführen zu lassen, die dafür nicht selten ihre Arbeit und Privatleben aufgeben müssen. Die Parteien stellen fest: „Ehrenamtliche können die Fachkräfte im Sozial- und Gesundheitswesen in vielen Bereichen sinnvoll ergänzen.“ Das stimmt schon, die Betonung des Ehrenamtes hat in der Vergangenheit jedoch immer den Abbau regulärer Arbeitskräfte und deren „Ersatz“ durch unbezahlte Freiwillige bedeutet, was nicht nur Arbeitsplatzverlust und Lohndrückerei sondern auch Qualitätsverlust zur Folge hatte und hat. Zudem will man in den Salzburger Landeskliniken die „Vor- und Nachteile bezüglich der direkten Beschäftigung von neu eintretenden Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen“ abwägen. Bedeutet real: Auslagerung und Anstellung von Menschen die in der Regel zu deutlich schlechteren Bedingungen beschäftigt sind als das Stammpersonal. „Barrierefreiheit und Inklusion“ haben zwar einen eigenen Unterpunkt im Abkommen erhalten, eine der Kernfragen, nämlich wie die Trägerorganisationen im Bereich der Betreuung von Menschen mit Behinderung in Zukunft finanziert werden sollen findet keine Erwähnung. Dies lässt eine Fortsetzung der altbekannten Kürzungs- und Erpressungspolitik des Landes gegenüber Organisationen wie der Lebenshilfe erwarten.
Zentrale Frage in Salzburg, insbesondere in der Landeshauptstadt, ist die des Wohnens. Die SLP ist hierzu seit Jahren aktiv und tritt für eine Offensive im öffentlichen sozialen Wohnbau ein. Hier wird das Arbeitsübereinkommen der Regierung nahezu desaströs. Wohnbau durch die öffentliche Hand wird nicht einmal erwähnt. Man will durch eine Ummodelung der Wohnbauförderung privaten Investoren bessere Anreize liefern. Diese haben aber noch nie (und werden auch nie) für die Interessen der Menschen gebaut, sondern immer nur solche Immobilien, von denen sie die höchsten Profite erwarten. Die Vorschläge sind entweder abstrakt, wie etwa „Maßnahmen zur Mobilisierung von leerstehendem Wohnraum“ (welche Maßnahmen das sein sollen findet keine Erwähnung) oder sind peinliche Versuche sich um die Aufgabe neuen Wohnraum zu errichten zu drücken: „Ausbau von Dachböden“. In der Stadtplanung sollen die „Orts- und Stadtkerne […] Schwerpunkt für die Versorgung der Bevölkerung sein.“ Was irgendwie logisch klingt hat aber in den letzten Jahrzehnten v.a. in der Landeshauptstadt bedeutet, dass rund um einen Handels-, Gastronomie- und Kulturschwerpunkt in der Innenstadt real Schlafsiedlungen stehen, in denen man oft wenig mehr Infrastruktur als einen Supermarkt und eine Trafik findet. Der Punkt stärkt zwar die alteingesessenen HändlerInnen, Gastronomen etc. (und für die ist er auch da), bedeutet aber dass die geringe Attraktivität und Praktikabilität der Nicht-Innenstadtbezirke weiterhin beibehalten wird.
Man könnte diese Auflistung von fragwürdigen oder unsozialen Punkten lange weiteführen. Viele Aspekte sind auch noch vollkommen unspezifisch formuliert und sind mit keinerlei Finanzierungskonzept verbunden. Allgemein will man (Grasser lässt grüßen) bis 2016 das Nulldefizit erreichen. Klingt schön, war in der Vergangenheit aber immer mit Sozial- und Personalabbau und Privatisierungen verbunden und ist letztlich grandios gescheitert.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das Arbeitsübereinkommen im Gegensatz zu seinem Titel in keiner Form als „Neustart für Salzburg“ bezeichnet werden kann. Es bedeutet Kürzungen im Gesundheits- und Sozialbereich und keine Lösung des brennenden Problems der Wohnungsnot im Bundesland und insbesondere der Landeshauptstadt. Was die Grünen betrifft zeigt sich eindeutig, dass sie spätestens jetzt (aber an sich schon seit längerem) im neoliberalen, rechten Sumpf der etablierten Parteien angekommen sind. Und aus dem gibt es auch keinen Weg mehr hinaus.